Dialektale Schriftlichkeit am Beispiel der neapolitanischen Wikipedia
1. Einleitung
Die kostenfreie virtuelle Enzyklopädie Wikipedia besteht seit 2001 und ist eines der meistgenutzten Nachschlagwerke, das mittlerweile auch den traditionellen Druckversionen der Enzyklopädien Konkurrenz macht. Das überzeugende Konzept von Wikipedia beruht darauf, dass alle Nutzer jederzeit darauf zugreifen und selbst Artikel schreiben oder modifizieren können. Seit 2005 existieren auch Versionen in Minderheitensprachen und Dialekten. Diese finden von Nutzerseite vermehrten Zuspruch (Michel 2011, 181). Da man Dialekte für gewöhnlich mit der gesprochenen Sprache assoziiert, liefern diese schriftlichen dialektalen Plattformen interessante Erkenntnisse für die Varietätenlinguistik. Es ist dabei auch bemerkenswert, welchen Beitrag neuartige interaktive Medien wie das Internet dabei leisten können. In dieser Arbeit soll insbesondere die neapolitanische Version der Wikipedia betrachtet werden. Anhand einer umfassenden Untersuchung soll ermittelt werden, inwieweit diese Wikipedia als erfolgreicher Ausbauversuch des neapolitanischen Dialektes gewertet werden kann.
Die Arbeit ist dafür folgendermaßen gegliedert: Im Kapitel zur dialektalen Schriftlichkeit erfolgt zunächst eine ausführliche Definition des Dialektbegriffes. Ebenso wird auf die Dichotomie von Dialekt und Standardsprache sowie auf Kriterien zur Unterscheidung der beiden eingegangen. An dieser Stelle sollen auch weitere Begriffe erläutert werden, die im Verlauf der Arbeit relevant sein werden. Anschließend werden aktuelle Entwicklungen der Dialektsituation in Italien erläutert, um deren Bedeutung für die dialektale Schriftlichkeit darzustellen. Zum Abschluss des Kapitels wird beschrieben, inwiefern neue, internetbasierte Medien zugunsten der dialektalen Schriftlichkeit eingesetzt werden können. Im dritten Kapitel soll zunächst die historische Entwicklung des dialektalen Gesamtraums Neapel und Kampanien betrachtet werden. Daraufhin soll der derzeitige Status des Neapolitanischen skizziert werden. Im vierten Kapitel beginnt der praktische Teil dieser Arbeit, der in einer ausführlichen Beschreibung und Analyse der neapolitanischen Version der Wikipedia besteht. Dabei wird zunächst auf den generellen Umgang der Wikipedia mit Sprachen eingegangen, um danach Zielsetzung und Aufbau der neapolitanischen Wikipedia zu beschreiben. Das Hauptaugenmerk liegt bei dieser Analyse auf der Frage, welcher Dialektstandard der Online-Enzyklopädie zugrunde gelegt und wie genau dieser festgelegt wird. Von besonderer Relevanz wird dabei die unterschiedliche Definition des Begriffes Napoletano sein. Im fünften Kapitel soll mithilfe eines Fragebogens ermittelt werden, inwieweit die Sprechergemeinschaft den präsentierten Dialekt für authentisch hält.
2. Dialektale Schriftlichkeit
2.1. Dialektdefinition
Um im Zusammenhang dieser Arbeit von Dialekten sprechen zu können, ist zunächst eine Dialektdefinition notwendig. Wie sich später zeigen wird, sind diese Definitionsversuche schwierig. Insbesondere für das Napoletano, das von den Sprechern häufig als Sprache klassifiziert wird, ist der Dialektbegriff problematisch. In einem intuitiven Sprachverständnis scheinen die Begriffe „Dialekt“ und „Sprache“ klar voneinander abgrenzbar. Allerdings sind intuitive Kriterien, nach denen wir Sprache bzw. Dialekt einstufen, oft irreführend (Michel 2004, 14). So gilt beispielsweise das Vorhandensein von Literatur als Kriterium für eine Sprache. Im Falle des Napoletano ist bekanntermaßen eine Fülle dieser Texte vorhanden, dennoch handelt es sich um einen Dialekt. Geckeler und Kattenbusch 1992, 16 merken an, dass es schwer fällt, die beiden Begriffe „Dialekt“ und „Sprache“ wissenschaftlich voneinander abzugrenzen, weil der Unterschied nur zum Teil durch linguistische Kriterien bestimmt wird. Vielmehr sind politische und kulturgeschichtliche Faktoren wie Prestigefragen sowie das Vorhanden- bzw. Nichtvorhandensein von Literatursprache von Bedeutung. Berruto 1974, 63 definiert den Dialekt als „strumento di comunicazione linguistica di ambito e impiego più ristretto rispetto alla lingua“. „Ambito e impiego più ristretto“ bezieht sich dabei zum einen auf die geographischen Grenzen, in denen eine gewisse lokale Varietät gesprochen wird. Im Vergleich zur Standardsprache, in unserem Fall Italienisch, sind die Grenzen der Räume, in denen eine bestimmte Mundart gesprochen wird, natürlich enger gesteckt als die der gesamtitalienischen Nationalsprache (Insofern von einer solchen überhaupt ausgegangen werden kann). Berruto bezieht sich zum anderen auch auf die soziokulturellen und situativen Kontexte, in denen die Dialekte Verwendung findet. Zusammenfassend lässt sich an dieser Stelle sagen, dass sich diese Kontexte des Dialektgebrauchs verändern und verringern. Eine genauere Betrachtung der Entwicklung der Dialektsituation in Italien findet sich in den folgenden Kapiteln.
Allgemein gilt der Dialekt als Instrument, das zum Großteil in Situationen der kommunikativen Nähe gebraucht wird. Das Standarditalienische wird dagegen eher als Distanzsprache eingesetzt. Auch Loporcaro 2013², 3 beinhaltet diesen kontextuellen Aspekt in seiner Dialektdefinition:
Il termine dialetto è utilizzato per designare una varietà linguistica non standardizzata, tendenzialmente ristretta all’uso orale entro una comunità locale ed esclusa dagli impieghi formali ed istituzionali (scuola, amministrazione ecc.), propri invece della lingua.
Für den Dialekt, der im Zusammenhang der dialektalen Schriftlichkeit verwendet wird, trifft diese Definition allerdings nur eingeschränkt zu. Der Dialektgebrauch ist in diesem neuen Gebrauchszusammenhang nicht mehr mündlich und beschränkt sich aufgrund der Veröffentlichung im Internet auch nicht mehr auf eine lokale Sprechergemeinschaft. Vielmehr kann von Nutzern aus der ganzen Welt jederzeit darauf zugegriffen werden. Auch das Kriterium „esclusa dagli impieghi formali ed istituzionali (scuola, amministrazione ecc.)“ trifft nur noch unter Einschränkung zu. Zwar ist die Verwendung in einer Enzyklopädie im Internet nicht als vollkommen offiziell oder institutionell zu bezeichnen, der Rahmen ist aber deutlich formaler als in der privaten, mündlichen Kommunikation. Dazu trägt nicht nur die Verschriftlichung bei, sondern in erster Linie der wissenschaftliche Kontext, in dem der Dialekt nun steht. Bei den Artikeln in der Wikipedia handelt es sich um Sachprosa, von der man einen formelleren Stil erwartet als in einem mündlichen Gespräch oder auch beispielsweise in einem Facebook-Chat, der zwar schriftlich realisiert wurde aber doch eher als nähesprachliche Kommunikation zu verstehen ist. Auch das Kriterium „non standardizzata“, das in Loporcaros Definition enthalten ist, ist für verschriftliche dialektale Texte nicht uneingeschränkt gültig. Es ist durchaus davon auszugehen, dass eine gewisse Standardisierung des Dialektes vorhanden ist. Auch wenn dieser Standard nicht offiziell festgesetzt wurde, enthält jeder Dialekt eigene distinktive Charakteristika, die ihn von anderen Varietäten unterscheiden. Diese prägenden Merkmale können durch Konventionen in der Sprechergemeinschaft in gewisser Weise durchaus als Standardisierung betrachtet werden. Nur so kann es beispielweise erklärt werden, dass eine Verständigung möglich ist, wenn sich zwei Sprecher außerhalb ihres Heimatortes zufällig begegnen und in ihrem typischen Dialekt miteinander kommunizieren. Besonders bei einer Verschriftlichung im Sinne einer Vereinheitlichung des Dialektes erscheint es naheliegend, dass ein bestimmter Dialektstandard zugrunde gelegt wird.
Dialekte haben häufig eine negative Konnotation und werden im Vergleich zur Standardsprache als minderwertig empfunden. Ebenso ist man oftmals der Meinung, der Dialekt sei ein Merkmal eines niedrigeren sozialen Ranges. Bezogen auf die Situation in Italien liegt diese negative Einstellung nicht zuletzt an der drastischen Sprachenpolitik, die dort seit der Zeit des Risorgimento betrieben wurde und in denen die Dialekte systematisch ausgelöscht werden sollten. In der folgenden Dialektdefinition wird deutlich, dass es sich bei einem Dialekt keineswegs um eine „verdorbene“ Variante der Standardsprache handelt. Marcato 2007, 20 bezeichnet den Dialekt als
sistema linguistico autonomo rispetto alla lingua nazionale, quindi un sistema che ha charatteri strutturali e una storia distinti rispetto a quelli della lingua nazionale.
Ein Dialekt verfügt also über spezifische Charakteristika und eine eigene Geschichte, die ihn von der Nationalsprache unterscheiden. Die Stigmatisierung, die Dialektsprecher regelmäßig erfahren, ist häufig vollkommen unbegründet. Die Verwendung des Dialektes im Vergleich zur Standardsprache erfüllt oftmalig Identifikations- und Zugehörigkeitsfunktionen. Der Gebrauch von Standardsprache und Dialekt ist in erster Linie räumlichen, sozialen und situationalen Parametern unterworfen.
Leider geben die allgemeingültigen Kriterien zur Unterscheidung von Sprache und Dialekt nicht immer eine klare Antwort. Die klassischen Kriterien des Abstands (Kloss 1978) wie die Verständlichkeit, der Ausbau (Gibt es eine Norm bzw. einen offiziellen Status?), die Überdachung und das Sprecherbewusstsein sind also nicht in allen Fällen ausschlaggebend (Bossong 2008, 24 - 28). Sie geben uns aber meistens einen generellen Anhaltspunkt, um über den Status eines Idioms zu entscheiden.
Für den weiteren Verlauf der Arbeit werden auch auch die Begriffe italiano regionale und italiano popolare von Bedeutung sein. Sie sollen deshalb an dieser Stelle erläutert werden. Unter italiano regionale versteht man eine Varietät des Italienischen, die in einem bestimmten Gebiet verwendet wird. Dieses Regionalitalienisch weist dabei Merkmale auf, die es einerseits klar von den Varietäten anderer Regionen, aber andererseits auch vom Standarditalienischen abgrenzen (D'Achille 2002, 26 f). Regionale Varietäten stellen einen bedeutenden Teil des aktuellen sprachlichen Registers in Italien dar. Ein so genanntes Standarditalienisch ist in der tatsächlichen Alltagssprache dagegen nur selten vorzufinden. Diese dialektale Prägung des Regionalitalienischen äußert sich in großem Ausmaß auch in der Betonung. Für das Regionalitalienisch Neapels zeigt sich dies typischerweise z.B. in einer Abschwächung der Auslaute und in der Verstärkung von intervokalischen -b- und -g- (z.B. in subbito, raggione) (de Blasi 2012, 136).
Das italiano regionale entstand vor allem durch das Zusammentreffen von Standardsprache und Dialekt. Nach der Vereinigung Italiens und dem Versuch der Realisierung einer Nationalsprache wurden die regionalen Unterschiede deutlicher wahrgenommen. Bis dahin war die italienische Sprache in erster Linie eine Literatur- und Schriftsprache gewesen, die von sehr wenigen tatsächlich gesprochen wurde. Nun aber sprach zumindest das Bürgertum vermehrt Italienisch. Auch in Situationen, in denen bisher der Dialekt verwendet wurde, griff man nun zunehmend auf das Standarditalienische zurück. Im Gegensatz zum Dialekt wurde das italiano regionale nicht als Bedrohung der italienischen Sprache und Identität gesehen. Im Laufe des 20. Jahrhunderts fand Schritt für Schritt eine Italianisierung der italienischen Dialekte statt. Durch diesen Sprachkontakt war auch die Standardsprache von dialektalen Einflüssen betroffen (D'Achille 2002, 26 - 28).
Sowohl beim italiano popolare als auch beim italiano regionale handelt es sich um Substandardvarietäten. Das italiano popolare ist ein von volkstümlichen Schichten umgeformtes und neu interpretiertes, unvollkommen angeeignetes Standarditalienisch. Cortelazzo 1972, 11 spricht von einem „tipo di italiano imperfettamente acquisito da chi ha per madrelingua il dialetto“. Es handelt sich um eine selbstständige, überregionale Form des Italienischen, die nur teilweise in regionalen Varietäten realisiert wird (Bochmann 1988, 280). Italiano regionale und italiano popolare wurden zunächst als Oppositionen gegenübergestellt. In neueren Untersuchungen wird nun aber das italiano popolare in die regionalitalienische Varietät eingebettet. Es wird heutzutage eher zwischen einer regionalen Varietät gebildeterer und einfacherer Bevölkerungsschichten unterschieden (D'Achille 2002, 28f). Insgesamt kann man also sowohl das italiano regionale als auch das italiano popolare als Varietäten auf einem Kontinuum zwischen Sprache und Dialekt verstehen.
Bochmann spricht im Fall Italiens von einer Standardsprache-Dialekt-Diglossie. In Italien benutzen 75% der Bevölkerung mehr oder weniger aktiv den Dialekt. Für die meisten Italiener ist der Dialekt die gebräuchlichste Varietät. Dieser Fall ist in der Romania ungewöhnlich (Bochmann 1988, 270). Die italienische Dialektlandschaft ist enorm vielseitig und die dialektalen Varietäten Italiens unterscheiden sich stark voneinander. Dies lässt sich durch geografische, historische und staatlich-politische Faktoren erklären (Bochmann 1988, 270). Bereits Dante beobachtete diese Unterschiede und erstellte in De vulgari eloquentia eine erste Klassifikation des dialektalen Italiens (Marcato 2007, 11). Die dialektale Vielfalt in Italien lässt sich folgendermaßen beschreiben:
Fra le nazione europee l’Italia gode il privilegio di essere, certamente, il paese più frazionato nei suoi dialetti (…). Ogni viaggiatore che, cominciando con il Piemonte, attraversando poi la Liguria, la Toscana, il Lazio e le province napoletane, si reca in Sicilia, si può rendere conto di questa situazione. (Rohlfs 1990, 26 - 27)
Wichtig ist es, im Zusammenhang der Diglossie von Dialekt und Standardsprache nicht grundsätzlich von konträr entgegen gesetzten Oppositionen auszugehen. Vielmehr handelt es sich um ein Kontinuum, bei dem auch andere Formen wie italiano popolare und italiano regionale eine Rolle spielen. Die Übergange zwischen Dialekt, regionalitalienischen Varietäten und Standarditalienisch sind fließend und können bei jedem Sprecher je nach Alter, Bildungsgrad und anderen Faktoren variieren (Michel 2004, 173).
Im Zusammenhang dialektaler Schriftlichkeit ist auch der von Pistolesi geprägte Begriff des parlar spedito zu nennen. Dabei handelt es sich um das schriftliche, jedoch eher nähesprachliche Italienisch „mediato dal computer“ (Pistolesi 2004), das in neueren Kommunikationsmedien verwendet wird. In dieses Italienisch werden oft bewusst dialektale oder regionale Elemente eingebaut, wobei dabei auch verschiedene Dialekte gemischt werden können. Dieses parlar spedito findet sich vor allem in Chats, E-Mails und SMS. Es umfasst „alle medial schriftlichen, interaktiv angelegten Sprachformen, die elektronisch, über eine Tastatur, mit oder ohne Hilfe des Internets, realisiert werden“ (Nicklaus 2012, 129). Häufig finden sich darin auch fremdsprachige Versatzstücke, oft beispielweise aus dem Englischen, die bedenkenlos eingebaut werden. Das parlar spedito bezeichnet nicht ausschließlich die schriftliche Verwendung von Dialekt. Darunter versteht man vielmehr eine allgemeine sprachliche Varietät, die sich im Rahmen der Chat-, E-Mail und sonstigen internetbasierten Kommunikation herausgebildet hat.
2.2. Entstehung einer dialektalen Schriftlichkeit
Dialekte werden für gewöhnlich mit gesprochener Sprache und dem Merkmal der Mündlichkeit assoziiert. In der Dialektologie finden deshalb vor allem gesprochene Dialekte Beachtung. Die italienische Sprachgeschichte zeigt allerdings, dass Dialektalität und Schriftlichkeit bereits jahrhundertelang eine Einheit bilden. Der neapolitanische Dialekt kann hierfür als Paradebeispiel angeführt werden. Bereits zum Ende des 16. Jahrhunderts entwickelte er sich zur eigenständigen Literatursprache, was anhand einer Vielzahl von Schriftstücken und Autoren belegt werden kann (Michel 2004, 1). Es ist also lohnenswert, einen Blick auf die Verschriftlichung dieser Varietät zu werfen.
Eine wichtige Entwicklung im Kontext der dialektalen Schriftlichkeit ist die Abnahme der Dialektsprecher. Durch die Ausbreitung des Standarditalienischen über die Massenmedien, in allererster Linie über das Fernsehen, kommt es zu einem Rückgang der Dialektverwendung. Auch in der Schule erleben die neuen Generationen hauptsächlich Kommunikation im Standarditalienischen. Der Dialekt nähert sich immer mehr an den Standard an, wodurch sich die dialektale Kompetenz und ihre Verwendung auf wenige Situationen reduzieren (Radtke/Tempesta 1995, 51). Ebenso werden viele frühere Funktionsbereiche des Dialektes nun durch italiano regionale bzw. italiano popolare übernommen (Bochmann 1988, 275). Durch den ständigen Kontakt mit der Nationalsprache verändern sich die Dialekte. Sie werden dadurch immer mehr italianisiert. Die in der Alltagskommunikation verwendeten Dialekte nähern sich immer weiter an die italienische Standardsprache an, ohne jedoch vollkommen in diese überzugehen. Diese Italianisierung der Dialekte erfolgt auf allen sprachlichen Ebenen, also sowohl im Lexikon als auch in der Phonetik und der Grammatik. So werden z.B. lokale Fachwörter vermehrt durch italienische Ausdrücke ersetzt. Zum anderen hat dieser ständige Sprachkontakt die Entstehung immer weiterer neuer sprachlicher Formen zwischen italianisiertem Dialekt und dialektalisiertem Standarditalienisch zur Folge (Michel 2004, 174).
Eine Umfrage des ISTAT (Istituto Nazionale di Statistica) belegt, dass das Überleben von regionalen Sprachen und Dialekten im allgemeinen Sprachgebrauch gefährdet ist. Zur Verdeutlichung sollen im Folgenden die Ergebnisse der Studie L’uso della lingua italiana, dei dialetti e di altre lingue in Italia aus dem Jahr 2012 kurz zusammengefasst werden (ISTAT 2014). Die Teilnehmer der Umfrage werden zu ihrem Sprachgebrauch im Kontakt mit der Familie, mit Freunden sowie mit fremden Personen befragt. Diese Studie wird in Italien seit über zwanzig Jahren jeweils im Abstand von ca. 5 Jahren durchgeführt. Seit der ersten Befragung im Jahr 1995 nimmt der Anteil derjenigen, die in allen drei Kontexten vorwiegend Italienisch anstatt Dialekt sprechen, kontinuierlich zu. Anhand der folgenden Tabelle wird deutlich, dass die Dialektverwendung in allen Bereichen seit 1995 stetig abnimmt. Stattdessen geben die Sprecher an, stetig mehr das Italienische zu verwenden.
Im Jahr 2012 behaupten 53,1 % der Personen zwischen 18 und 74 Jahren, in der Familie hauptsächlich Italienisch zu sprechen. Im Kontakt mit Freunden beläuft sich diese Prozentuale auf 56,4 % und im Kontakt mit fremden Personen sogar auf 84,8 %. Lediglich 9 % der 18 – 74-Jährigen geben an, in der Familie hauptsächlich den Dialekt zu benutzen. Im Jahr 1995 lag dieser Anteil noch deutlich höher bei 23,7 %. Die Studie zeigt auch, dass der überwiegende Gebrauch des Italienischen in den jüngeren Altersgruppen kontinuierlich zunimmt. Dies ist auch in der folgenden Grafik ersichtlich, die die Ergebnisse der ISTAT-Studien von 2006 und 2012 gegenüberstellt.
In allen drei Kontexten hat die Verwendung des Italienischen seit 2006 zugenommen. Die Studie belegt zudem ein Nord-Süd-Gefälle im Gebrauch des Italienischen. Demnach ist der Gebrauch des Dialektes im Süden in allen drei Kontexten höher als in Nord- und Mittelitalien. Insgesamt wird deutlich, dass in allen Kontexten und in allen Altersschichten, unabhängig vom Geschlecht der Sprecher, der ausschließliche Gebrauch des Italienischen überwiegt. Zu beachten ist allerdings, dass es sich bei diesen Angaben lediglich um Selbsteinschätzungen der Teilnehmer handelt. Außerdem stellt die Studie Standarditalienisch und Dialekt als vollkommene Oppositionen gegenüber. Viel eher ist aber anzunehmen, dass das, was die Befragten als Standarditalienisch erklären, auch von gewissen dialektalen Einflüssen geprägt ist, also eher einem italiano regionale entspricht. Dennoch liefert die Umfrage wertvolle Informationen zur Entwicklung der Verwendung von Dialekt und Standardsprache.
Auch Bianchi/Maturo 2006, 1 - 22 erhalten in einer Feldforschung, die in Neapel und Kampanien durchgeführt wurde, ähnliche Ergebnisse. Die Ergebnisse dieser Studie wurden sowohl mittels Fragebögen als auch durch Gespräche ermittelt. Die Befragten sollten angeben, in welchen Kommunikationssituationen (u.a. Schule, Familie, Arbeitsplatz) sie auf den Dialekt oder auf das Italienische zurückgreifen würden. Die fünf Abstufungen der Antwortmöglichkeiten waren dabei:
- Sempre il dialetto
- Più il dialetto che l’italiano
- Sia il dialetto sia l’italiano
- Più l’italiano che il dialetto
- Sempre l’italiano
Es zeigt sich, dass die Verwendung von Dialekt und Standardsprache je nach Generation unterschiedlich ist. So geben 30,9 % der Befragten an, dass ihre Eltern untereinander nur im Dialekt kommunizieren. Die Befragten selbst hingegen sprechen nur zu 18,3 % mit ihren gleichaltrigen Geschwistern ausschließlich im Dialekt. Auch für den Kommunikationsbereich von Schule und Arbeitsplatz zeigt sich eine Abnahme der Verwendung des Dialektes.
74,6 % der Befragten geben an, in der Schule selbst immer Italienisch gesprochen zu haben. Dadurch zeigt sich die wichtige Rolle der Schule im Prozess einer Italianisierung. In Neapel geben 68,9 % der Teilnehmer an, dass die Lehrer mit den Schülern ausschließlich auf Italienisch kommuniziert haben. In der Gesamtgruppe aus Kampanien beträgt dieser Prozentsatz hingegen nur 60,5 %. Diese Tendenz zeigt sich auch am Arbeitsplatz. Demnach verwenden in Neapel nur 3,3 % der Arbeitgeber mit ihren Angestellten ausschließlich den Dialekt. Im ländlichen Raum Kampaniens sind es hingegen 12,2 %. Insgesamt belegt die Studie, dass sich der Dialektgebrauch auf 40 – 70 % der Kommunikationssituationen beläuft. Dabei ist die Tendenz der Verwendung des Dialektes im Laufe der Generationen abnehmend. Dadurch ist insgesamt eine klare Entwicklung hin zur Italophonie ersichtlich (Bianchi/Maturo 2006, 5 - 20).
Vor dem Hintergrund dieser Zahlen, die einen Rückgang der Dialekte eindeutig belegen, ist es besonders erstaunlich, in wie vielen Bereichen sich dialektale Schriftlichkeit widerspiegelt.
Dem beschriebenen Rückgang der Dialekte gegenüber steht eine Revalorisierung, die diese erfahren. In den letzten Jahren erleben die Dialekte eine „rivitalizzazione“ (Sobrero 2006, 325). Es scheint, als würden sich die Sprecher innerhalb einer immer stärker globalisierten Welt auf ihre sprachlichen Wurzeln besinnen, aus Angst davor, diese zu verlieren. Für dieses Phänomen der Hinwendung zu lokalen Kulturen und ihrer Betonung im Zusammenhang der Globalisierung wurde im Bereich der Sozialwissenschaften der Begriff Glokalisierung geprägt (Michel 2004, 5). Featherstone 1995, 126 spricht von einem „Return to local cultures“ im Kontext einer kulturellen Diversifizierung. Dabei ist die Globalisierung ein vorantreibender Faktor. Dialekte werden häufig als persönlicher und emotionaler wahrgenommen als die Standardsprache. Zudem kann ihre Verwendung mit einem Zugehörigkeitsgefühl einhergehen, welches oft auch in Literatur, Film und Musik ausgedrückt wird.
Diese Revalorisierung der Dialekte ist aber nicht unbedingt als Maßnahme entgegen der Globalisierung zu interpretieren. Das Lokale ist nicht Gegenspieler des Globalen, sondern resultiert vielmehr daraus. So liefert das Globale den Kontext, innerhalb dessen das Lokale wiederbelebt werden soll (Michel 2004, 6). Die Wiederbelebung der Dialekte führt auch zu einer Manifestation dialektaler Sprache in schriftlichen Kontexten. Die gefährdeten Dialekte sollen bewahrt und geschützt werden und daher auch schriftlich gefestigt werden. In medialer Form bietet sich dafür insbesondere das Internet an.
Die Revalorisierung der Dialekte im Italienischen ist besonders interessant. In Form von sprachschützenden Gesetzen sollen Minderheitensprache und auch Dialekte bewahrt werden. Die beiden Gesetze 482 aus dem Jahr 1999 und 38 aus dem Jahr 2001 sollen zu einer vermehrten „valorizzazzione delle lingue e delle culture delle minoranze linguistiche“ führen (Sobrero 2005, 216). Diese Gesetze zum Schutz von Minderheitensprachen haben auch dazu beigetragen, dass die Dialekte zu einem Großteil ihre negative soziolinguistische Konnotation verloren haben (Sobrero 2005, 216). Zusammenfassend lässt sich sagen, dass trotz der beschriebenen Revalorisierung die Tendenz zu einem Rückgang der Dialekte nicht zu leugnen ist. Wie in erster Linie die beschriebenen Studien des ISTAT und von Bianchi/Maturo zeigen, werden die Kontexte, in denen Dialekt gesprochen werden, weniger.
Auch in Hinblick auf sprachtheoretische Überlegungen zu Mündlichkeit und Schriftlichkeit ist die dialekte Schriftlichkeit interessant. Welchen Einfluss hat die schriftliche Realisierung von primär mündlicher, dialektaler Sprache auf diese Konzepte? Betrachten wir die bekannte Unterscheidung des Mediums (phonisch/graphisch) und der Konzeption (gesprochen/geschrieben) der Realisierung (vgl. Koch/Oesterreicher 2011a, 3 - 14) im Hinblick auf dialektale Schriftlichkeit, ergeben sich folgende Überlegungen:
- Dialekte gelten als Merkmal der nähesprachlichen Kommunikation, die häufig face-to-face stattfindet. Sie werden zudem grundsätzlich in einem eher vertrauten Kontext (z.B. mit Freunden oder in der Familie) verwendet.
- Dialekte werden meistens mündlich und daher häufig in einem eher spontanen Kontext realisiert.
Diese Annahmen verändern sich im Zusammenhang dialektaler Schriftlichkeit grundlegend. Besonders im Zusammenhang einer dialektalen Wikipedia ist nicht davon auszugehen, dass diese Bedingungen weiterhin gelten. Der Kommunikationskontext, in dem der Dialekt nun verwendet wird, ist nicht mehr vertraut. Der Autor des Artikels kann nicht davon ausgehen, den Rezipienten zu kennen. Ebenso ist der Dialekt nun nicht mehr mündlich realisiert und der situationale Rahmen auch nicht mehr spontan: Der Autor hat Zeit, seinen Artikel zu formulieren und kann ihn auch immer wieder verändern und anpassen. Die Konzeption dieser Artikel ist also eindeutig geschrieben und das Medium der Realisierung ist graphisch (vgl. Koch/Oesterreicher 2011a, 3). Auch wenn Dialekte eigentlich als Zeichen kommunikativer Nähe gelten, können wir im Fall der dialektalen Wikipedia von einer hohen Informationsdichte und einem raschen Informationsfortschritt in den Texten ausgehen, die als Merkmale kommunikativer Distanz gelten (Koch/Oesterreicher 2011a, 12). Durch ihre Funktion als Online-Enzyklopädie kann bei der Wikipedia angenommen werden, dass bei der Entstehung der Artikel die Bedingungen konzeptioneller Schriftlichkeit gelten. Auch wenn es sich nicht um ein Lexikon im klassischen Sinne handelt, ist der Kontext eindeutig wissenschaftlich und dient dem Zweck der Vermittlung von Wissen. Wie Michel 2004, 173 anmerkt, ist dieser verschriftlichte Dialekt oft „dialektaler“ bzw. häufig auch archaischer als der gesprochene Dialekt. Dies liegt zuallererst daran, dass die geschriebenen Äußerungen in der Regel nicht spontan erfolgen. Vielmehr hat der Autor die Möglichkeit, zu überlegen und sich zurechtzulegen, was er sagen möchte und wie er es möglichst dialektal äußern kann.
Die Festsetzung von prinzipiell gesprochener Sprache wirft nun einige Fragen der praktischen Umsetzung auf. Eine grundlegende Frage ist die der Orthographie. Wie sollen mündliche Merkmale wie z.B. ein auslautendes Schwa mit einfachen Möglichkeiten (d.h. möglichst ohne Verwendung linguistischer Sonderzeichen) schriftlich ausgedrückt werden? Und inwiefern bedarf es hier der Festsetzung von Normen? Besonders durch die Voraussetzungen der Wikipedia, bei der es keine zentrale Redaktion gibt und zu der prinzipell jeder Nutzer etwas beitragen kann, erscheint es notwendig, Regeln für die Verschriftlichung dialektaler Äußerungen festzulegen. Nur so kann dieser Versuch des Dialektausbaus auf einheitliche Art und Weise erfolgen.
2.3. Internetbasierte dialektale Schriftlichkeit
Die neuen Medien und das Web 2.0 eröffnen nun ganz neue Möglichkeiten im Hinblick auf dialektale Schriftlichkeit. Die zunehmende Entstehung und Verwendung neuartiger Medien und Techniken bietet in der Grammodialektologie eine vollkommen neue Perspektive. Ein interessantes Beispiel hierfür ist ALIQUOT. Dieser interaktive dialektale Sprachatlas führt zunächst Umfragen durch und veröffentlicht deren Ergebnisse dann in Form von Karten.
ALIQUOT zeigt beispielhaft, wie das interaktive Massenmedium Internet gewinnbringend für die Varietätenlinguistik genutzt werden kann. Der Aufwand der Umfrage ist für die Teilnehmer sowie für die Durchführenden verhältnismäßig gering. Projekte wie dieses können dazu beitragen, dass Sprecher bewusst über ihren Dialekt und seine Verwendung nachdenken. Ebenso werden sprachliche Unterschiede verdeutlicht und anschaulich dargestellt.
Diese neuen Kommunikationsmedien stellen auch einen neuen Manifestationsbereich für die Dialekte dar. Berruto 2005, 137 spricht von Formen einer CMC, einer „Computer Mediated Communication“. In diesen Kommunikationsformen finden Interaktionen, die früher mündlich ausgeführt wurden, jetzt schriftlich statt. Ebenso entstehen neue, bisher unbekannte Interaktionen.
Die Bedeutung dialektaler Sprache in der Online-Kommunikation beweisen zahlreiche in Dialekt verfasste Webseiten und Interaktionsformen. Als Beispiele dafür sind dialektale Chatforen, Facebook-Seiten bzw. Gruppen sowie Blogs zu nennen. Diese dialektalen Kommunikationsformen sind in vielfältigen Kontexten zu finden. So werden beispielsweise regionaltypische Rezepte oder Sprichwörter im Dialekt ausgetauscht. Einen Großteil solcher Quellen dialektaler Schriftlichkeit machen auch die Publikationen von Mundartdichtern aus. Diese dialektale Lyrik wird häufig von Autoren verfasst, die ihren Wohnort beispielweise aufgrund eines Arbeitsplatzwechsels verlassen mussten und nun diese nostalgischen Texte anfertigen. Im Rahmen des Internets und seiner niedrigen Publikationskosten steht solchen Mundartdichtern nun die Möglichkeit offen, bei geringem Aufwand eine Vielzahl von Werken einem großen Publikum zur Verfügung zu stellen. Die Funktionen, die der Dialekt in diesen neuen Erscheinungsformen einnehmen kann, sind vielfältig. In der von Fiorentino 2005, 115 vorgeschlagenen Klassifikation werden in der Dialektverwendung die folgenden Funktionen unterschieden:
- valore reale / effettivo: Diese Verwendung entspricht der allgemein gebrauchten Sprache.
- valore espressivo / ludico: Im Sinne des Dialektes als linguistische Varietät, die eine stärkere Aussagekraft hat als die Nationalsprache.
- valore simbolico / ideologico: Gemeint ist der Gebrauch des Dialektes aus symbolischen und ideologischen Motiven insbesondere zur Hervorhebung von soziokulturellen Aspekten.
- valore museografico / folcloristico: In dieser Kategorie erfüllt der Dialekt die Funktion der Darstellung von volkstümlichen Traditionen.
Die folkloristischen Internetpublikationen der Mundartdichter ließen sich in dieser Klassifikation in der vierten Kategorie einordnen. Es ist bei dieser Kategorie von einer geringen Vitalität der dargestellten Dialekte auszugehen, da diese keine tatsächlich aktive Verwendung finden. Es handelt sich bei dieser Verwendung nicht um einen reellen Gebrauchskontext.
Durch das Internet wurde das traditionelle Textsortenspektrum dialektaler Texte, das bisher hauptsächlich Lieder und Lyrik umfasste, erweitert. Während diese bisherigen Textsorten zuallererst einen ästhetischen Anspruch hatten, werden nun auch Texte im realen Gebrauchskontext verfasst. Dazu ist auch die Wikipedia zu zählen. Durch den tatsächlichen Verwendungszweck der Informationsvergabe, den diese Texte erfüllen, lassen sie sich der ersten von Fiorentinos Kategorien, also dem valore reale / effettivo zuordnen. Dadurch ist von einer deutlich höheren Vitalität dieser Textquellen auszugehen (Fiorentino 2005, 115).
In diesen neuen Erscheinungsformen dialektaler Schriftlichkeit lässt sich deutlich eine „Tendenz zur Schaffung dialektaler Ausbauvarietäten“ sehen (Michel 2004, 6). Es gilt allerdings zu überprüfen, ob es sich bei diesen internetbasierten Quellen dialektaler Schriftlichkeit um tatsächliche Ausbauvarietäten handelt oder um „virtuelle Pseudostandardvarietäten ohne gesellschaftliche oder kommunikative Existenzgrundlage“ (Michel 2004, 12). Auf die Frage der Standardisierung wird in Kapitel 4 noch weiter eingegangen. Auch De Blasi/Fanciullo 2002, 672 merken an, dass es sich bei diesen internetgebundenen Formen der dialektalen Schriftlichkeit um eine andere Erscheinungsform des Dialektes handelt: „la presenza del dialetto in siti internet non ha punti di contatto con la spontanea adozione del dialetto che si riscontra nella realtà cittadina“.
Durch die neuen Medien können nun prinzipiell alle Nutzer Texte veröffentlichen und redigieren. Darin liegt einerseits enormes Potenzial, das zum Sprachausbau verwendet werden kann. Andererseits gelten die allgemeinen Risiken dieser Kommunikationsformen im Internet auch für die dialektale Schriftlichkeit. Fehlerhafte Informationen können sich nun viel leichter verbreiten. Im Zusammenhang dieser Arbeit soll untersucht werden, inwiefern die Verschriftlichung des neapolitanischen Dialektes in Form der Wikipedia zum Ausbau beitragen kann.
3. Dialektraum Neapel und Kampanien
3.1. Historische Entwicklung des Sprachraums
Die Geschichte Neapels ist von jahrhundertelanger Fremdherrschaft bestimmt. Die bewegte Vergangenheit der Stadt spiegelt sich auch in ihrem Dialekt wider. Die Sprachen der verschiedenen Besetzer und Eroberer Neapels haben im Vulgärlatein bzw. im italiano volgare ihre Spuren hinterlassen. Noch heute ist eine Vielzahl von Lehnwörtern aus dem Spanischen, Französischen und Katalanischen Zeugnis der jahrhundertelangen Herrschaft verschiedener Eroberer, unter der das Gebiet stand. Das ursprünglich griechische und römische Neapel wird zwischen dem sechsten und elften Jahrhundert von Byzantinern und Langobarden regiert. 1265 wird das Gebiet von den Anjous erobert und Neapel wird zur Hauptstadt und zum Zentrum des gesamten kontinentalen Süditaliens. Während dieser Zeit ist Neapel einem enormen Einfluss des Französischen ausgesetzt. Später war Neapel Teil des Königreichs von Aragon und stand unter spanischem Einfluss. Zu Anfang des 16. Jahrhunderts wurde das Gebiet zu einer Provinz unter spanisch-habsburgischer Herrschaft und Kampanien wurde von spanischen Vizekönigen verwaltet. Durch deren Herrschaft von 1503 bis 1707 lässt sich der deutliche Einfluss des Kastilischen auf das Napoletano erklären (De Blasi/Librandi 1995, 175 - 176). Die Questione della lingua, also die Suche nach einer gesamtitalienischen Schrift- und Literatursprache, betrifft in diesem Zeitraum auch das Königreich Neapel. Die italienische Sprache wurde im 17. Jahrhundert durch das Vocabolario degli Accademici della Crusca, das 1612 erschien, kodifiziert. In diesem Zusammenhang wurde seitdem vermehrt auch über die regionale Prägung im täglichen Sprachgebrauch nachgedacht (D'Achille 2002, 28). Eine Varietät, die zwischen Italienisch und Dialekt liegt, lässt sich in Kampanien bereits durch Quellen aus dem 16. Jahrhundert belegen. Diese Quellen unterscheiden zwischen einer Umgangssprache und einer Sprache, die sich am literarischen Italienisch orientiert. Während die Adeligen und ein Anteil gebildeter Bürger sich eines parlar politamente bedienten, sprachen die übrigen Schichten, also das „einfache Volk“ weiterhin ihre „niedrigere“ Sprache. Diese entwickelte sich, wohl aufgrund möglicher Interferenzen mit dem Italienischen, in eine dem Italienischen entgegengesetzte Richtung weiter (De Blasi/Fanciullo 2002, 664 - 668).
Von großer Bedeutung für die Entwicklung des Dialektes ist auch die französische Herrschaft über Neapel. Im achtzehnten Jahrhundert wurde Neapel Teil des Königreichs beider Sizilien und unterstand den Bourbonen. 1861 wurde es schließlich von Garibaldi erobert und in den neu gegründeten Nationalstaat Italien eingegliedert. Während und nach der Zeit des Risorgimento veränderte sich die Sprachsituation in Italien grundlegend. Die Mehrheit der Bevölkerung konnte zu diesem Zeitpunkt weder lesen noch schreiben und kommunizierte ausschließlich im Dialekt. Im Zuge der Gründung eines italienischen Nationalstaates sollte nun das Italienische, das bis dahin nahezu ausschließlich als Schriftsprache fungierte, zur Nationalsprache werden. Mithilfe der Bildungspolitik sollten die Dialekte zugunsten einer gemeinsamen Sprache, die vom gesamten italienischen Volk gesprochen wurde, zurückgedrängt werden. Besonders durch die Einführung einer allgemeinen Schulpflicht, die ab 1877 zunächst nur für die Grundschule galt, sollte der Gebrauch des Dialektes eingeschränkt werden. Es herrschte eine gewisse Dialektfeindlichkeit, da die Dialekte als Hauptursache für die hohe Analphabetenrate galten. Diese lag in den 1860-er Jahren bei 78 % (Michel 2011, 55 - 57). Die Lehrer sollten ausschließlich in der Standardsprache mit den Schülern kommunzieren, und der Dialekt sollte „ausgemerzt“ werden. Eine Aufwertung erfuhren die dialektalen Varietäten erst wieder zu Beginn des faschistischen Regimes. Durch die Schulreform des Bildungsmininsters Giovanni Gentile im Jahr 1923, die Riforma Gentile, sollten die Dialekte zum festen Bestandteil der Grundschulbildung werden. In Form von Übersetzungsübungen und dialektalen Wörterbüchern sollte die Mundart zum Studienobjekt der Schüler werden. Das faschistische Regime änderte danach allerdings seinen Kurs und begann zunehmend, die Dialekte aus allen kulturellen Bereichen zu verdrängen, um so einer einheitlichen nationalen Kultur auf der Basis einer Nationalsprache Platz zu machen. Auch in der Nachkriegszeit wurde die dialektale Realität weiterhin zugunsten einer gesamtitalienischen Nationalsprache reduziert (Michel 2011, 58 - 59).
Das Neapolitanische verfügt über eine einzigartige Literaturgeschichte. Der erste bekannte Text im Napoletano ist l’Epistola napoletana von Giovanni Boccaccio, der sich auf die Zeit um 1139 festlegen lässt (De Blasi/Fanciullo 2002, 652). Giambattista Basiles Lo cunto de li cunti, ist eine Sammlung von 49 neapolitanischen Erzählungen und gehört zu den bedeutendsten Werken des Seicento. Ebenso wie in Boccaccios Dekameron sind auch diese Erzählungen in eine Rahmenhandlung gebettet. Ein weiteres bedeutendes Werk ist Vaiasseide von Giulio Cortese. Der Dialekt dieser beiden Schriftsteller wurde bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts als Modell verwendet (De Blasi/Fanciullo 2002, 656). Im 17. und 18. Jahrhundert wurden viele Werke sowohl aus der klassisch-antiken als auch aus der toskanischen Literatur des Spätmittelalters und der Renaissance ins Neapolitanische übersetzt, so. z.B. Gerusalemme liberata (1689) und Pastor fido (1628). Diese Übersetzungen dienten u.a. der stilistischen Übung sowie der Konfrontation von sprachlichen und kulturellen Aspekten (Michel 2004, 170 - 171). Sie belegen zudem die damalige Bedeutung des Neapolitanischen. Einen bedeutenden Aufschwung zu einer literarischen Varietät erlebte das Napoletano nach der Vereinigung Italiens u.a. durch die musikalische Lyrik Salvatore Di Giacomos und das dialektale Theater Raffaele Vivianis und Eduardo de Filippos (Radtke 1988, 653). De Giacomo war um einen lyrischen Stil bemüht, an dem sich auch wichtige Vertreter der dialektalen Lyrik im 20. Jahrhundert orientierten, so zum Beispiel auch Salvatore Cerino und Giuseppe Guizzi. Im Zuge einer neueren Literaturströmung versuchten die Autoren später vermehrt, einen möglichst authentischen Dialekt zu verwenden. Zu diesen dialektalen Autoren gehört auch Michele Sovente, der für seine Lyrik 1998 den Premio Viareggio della Poesia erhalten hat (De Blasi/Fanciullo 2002, 659). Auch Elemente des Films prägen das allgemeine Bild des Dialektes, so z.B. die Filme des Komikers Totò oder Serien und Filme zur Camorra.
3.2. Heutige Situation
Neapel ist heute mit knapp einer Million Einwohner die größte Stadt des Mezzogiorno und gilt als eine der dialektalen Metropolen Italiens. Auch wenn die Stadt auf den ersten Blick recht einheitlich wirken mag, zeigen sich im Inneren enorme Unterschiede. Diese machen sich auch in den sprachlichen Gepflogenheiten deutlich. Auf der einen Seite zeigt der Dialekt hier eine stark ausgeprägte Vitalität. Andererseits ist bei vielen Bewohnern zu beobachten, dass sie nur selten zum Dialektgebrauch neigen (de Blasi 2006, 219). Der beschriebene Rückgang der Dialekte, der sich u.a. in den Untersuchungen des ISTAT gezeigt hat, spiegelt sich also auch in Neapel wieder. Allerdings beschreibt de Blasi die Situation des Napoletano als besonders. Anders als andere Varietäten verfügte diese in der Vergangenheit stets sowohl über eine Verbreitung im realen Gebrauch, als auch über eine Verwendung im literarischen Bereich sowie im Film und in der Musik (de Blasi 2012, 150 - 151). Auch verfügen die Sprecher in Neapel in der Regel über ein klares Sprach- und Dialektbewusstsein, welches sich in der Debatte um das Dialektsterben als positives Zeichen werten lässt.
I parlanti, pur usandoli a volte in modo intercambiabile, hanno consapevolezza delle differenze che li contraddistinguono, cioè sanne se stanno parlando in italiano o in napoletano, tanto che esiste l’avverbio napulitanamante usato talvolta da qualcuno per qualificare il proprio modo di parlare. Tale consapevolezza è, tra l’altro, un ulteriore indizio di vitalità, poiché le lingue sono definitivamente in crisi (e cominciano a morire) quando i parlanti credono di parlare una lingua, ma in realtà ne stanno parlando un’altra. (de Blasi 2012, 136)
Im Ethnologue wird dem Neapolitanischen, das hier gemeinsam mit seiner Nachbarregion als „Napoletano-Calabrese“ klassifiziert wird, die Statusstufe 5 zugeschrieben:
Blue = Developing (EGIDS 5) — The language is in vigorous use, with literature in a standardized form being used by some though this is not yet widespread or sustainable.
Es ist aus der Klassifikation des Ethonologue nicht ganz ersichtlich, auf welche „literature in a standardized form“ dieser sich bezieht. Auf der Skala von 0 – 10 des Ethnologue drückt 0 die höchste Vitalität aus und 10 bezeichnet eine vollkommen ausgestorbene Sprache. Die neapolitanische Varietät befindet sich demnach also im Mittelfeld.
Der Ethonologue geht im Jahr 2002 von einer Anzahl von etwa 5 700 000 Sprechern des Napoletano aus (https://www.ethnologue.com/language/nap).
Das Neapolitanische lässt sich in der Klassifikation nach Geckeler und Kattenbusch in der zweiten Dialektgruppe der „Mittel- und Süditalienischen Dialekte“ unter II.B „Die Dialekte der Abruzzen, des Molise, Nordapuliens, Kampaniens und Lukaniens (Basilicata)“ einordnen (1992, 22). Grundsätzlich kann man davon ausgehen, dass das Neapolitanische in Kampanien eine Hegemonialstellung einnimmt. Es drängt so die anderen eigenständigen Dialekte Kampaniens immer weiter zurück (Radtke 1988, 654).
Es scheint im Internet ein durchaus weit verbreiteter Irrglaube zu existieren, wonach der Begriff Napoletano als Überbegriff für alle süditalienischen Dialekte verwendet wird. Dies wird anhand dieser Karte deutlich. Im Artikel zum Dialetto napoletano in der italienischsprachigen Wikipedia findet sich so zum Beispiel direkt zu Beginn ein Hinweis, der auf die angebliche Doppeldeutigkeit des Namen hinweist: „Disambiguazione – Se stai cercando le varietà italiane meridionali delle lingue romanze, vedi Dialetti italiani meridionali.“ (https://it.wikipedia.org/wiki/Dialetto_napoletano)
In der Dialektologie ist eine solche Regelung allerdings nicht bekannt (Krefeld 2019). Radtke 1988, 653 beschreibt zwar, dass das Kampanische seit jeher mit der neapolitanischen Prestigevarietät gleichgesetzt wird, eine Gleichsetzung mit allen süditalienischen Dialekten wird aber nicht beschrieben.
Im weiteren Verlauf des Wikipediaartikels wird allerdings eine augenscheinlich korrekte Definition gegeben:
Il napoletano (napulitano) è una variante diatopica del gruppo italiano meridionale (…) delle lingue romanze parlata a Napoli e in aree della Campania non molto distanti dal capoluogo.
Auch wenn sich Wikipedia nicht als wissenschaftliche linguistische Quelle eignet, ist es im Zusammenhang dieser Arbeit doch interessant zu sehen, welche Definition der Varietät darin vorgenommen wird. Insbesondere für die spätere Frage nach dem Dialektstandard, der der neapolitanischen Wikipedia zugrunde gelegt wird (s.Kapitel 4.3.), wird diese Definition relevant sein.
In der Soziolinguistik finden sich einige weitere interessante Aspekte. Die wohl wichtigste und umstrittenste Frage in diesem Zusammenhang ist: Handelt es sich beim Napoletano um einen Dialekt oder um eine Sprache? Diese Frage spiegelt sich bereits im Namen wider. So ist zum Großteil die Rede von der lingua napoletana. Auch berühmte Autoren, so z.B. Benedetto Croce, Ferdinando Russo und Salvatore di Giacomo sprechen dagegen vom dialetto napoletano. Viele Sprecher des Napoletano sind aber fest davon überzeugt, dass es sich bei ihrem Idiom um eine Sprache handelt. Ebenso wird es häufig fälschlicherweise als Weltkulturerbe der UNESCO bezeichnet. In einem Artikel auf der Webseite des Comitato della Salvaguardia dei Patrimoni Linguistici wird deshalb klargestellt:
Per quanto riguarda il napoletano, contrariamente a ciò che titolano alcuni siti e persino quotidiani nazionali come Libero, esso non è stato riconosciuto patrimonio dell’Umanità: infatti, non risulta essere inserito nell’elenco dei Patrimoni Orali e Immateriali dell’UNESCO. Ma attenzione! E’ vero che sia il napoletano che il siciliano sono lingue riconosciute dall’UNESCO e da altri enti linguistici internazionali. (Delfino 2016)
Die Seite erklärt zudem, dass mit Napoletano oft nicht ausschließlich die Varietät Neapels gemeint ist. Der Begriff wird also nicht nur wie bereits beschrieben im Internet sondern auch von offiziellen Institutionen wie der UNESCO für die Gesamtheit der mittel- und süditalienischen Dialektgruppe verwendet:
In realtà, l’UNESCO – e gli enti che ad esso fanno riferimento – adoperano napoletano e siciliano come sinonimi di quelli che nella tradizione della dialettologia italiana sono definiti rispettivamente dialetti meridionali/alto-meridionali e dialetti meridionali estremi“. Col termine napoletano, va detto, non si vuole intendere che le altre varietà alto-meridionali derivino dal dialetto napoletano, ovvero il dialetto parlato nella città di Napoli. Tanto meno si vuole dare al napoletano un ruolo di superiorità nei confronti delle altre parlate. Il napoletano, quindi, non “rivendica” nessun tipo di predominio sull’abruzzese, sul lucano, sull’ascolano e sul dialetto barese. Semplicemente, questi dialetti hanno così tante caratteristiche comuni che possono essere considerate dialetti in un’unica lingua, il napoletano appunto. Il nome di lingua napoletana è legato sia alla tradizione letteraria e musicale della città campana, sia ai lunghi secoli in cui la regione era governata dal regno di Napoli. Ma questo fa parte di un lontano passato… Napoli non è più una capitale, e il dialetto napoletano non influenza più gli idiomi del Meridione continentale.
Rimane il problema di trovare un nome comune per tutti perché ad esempio un barese generalmente non accetterebbe di auto-definirsi “di lingua napoletana”: la denominazione dell’UNESCO è stata fatta non prendendo in considerazione i campanilismi locali. Sono stati proposti nomi alternativi a “lingua napoletana”, ad esempio italiano meridionale, napoletano-calabrese e il medievaleggiante volgar pugliese, ma non sono di uso comune. (Delfino 2016)
Diese gemeinsame Gruppierung („questi dialetti hanno così tante caratteristiche comuni che possono essere considerate dialetti in un’unica lingua“) entbehrt nicht nur wie bereits erwähnt einer sprachwissenschaftlich-dialektologischen Grundlage, sondern würde auch bei den Sprechern auf deutliche Kritik stoßen. Kein Kalabrese oder Pugliese wäre wohl damit einverstanden, das von ihm verwendete Idiom als Napoletano zu bezeichen. Auch Iandolo 2016, 12 ist in seinem Urteil deutlich. Obwohl er dem neapolitanischen Idiom aus struktureller Sicht den Status einer Sprache zuspricht, muss es funktional und wissenschaftlich gesehen als Dialekt eingestuft werden. Der Dialekt von Neapel ist also kein von der UNESCO klassifiziertes Weltkulturerbe. Er wurde lediglich von der UNESCO als vom Aussterben bedrohte Sprache eingestuft. Der Begriff Sprache ist in diesem Zusammenhang irreführend, da der Umgang der UNESCO mit den Begriffen Sprache und Dialekt nicht mit dem uns geläufigen übereinstimmt. Die UNESCO „ha una cultura linguistica diversa dalla nostra, perché si riferisce alla prospettiva linguistica anglo-americana, (..) secondo cui un dialetto non ha una sua specificità grammaticale e storica, ma è solo un modo corrotto e sbagliato di parlare una certa lingua (Iandolo 2016, 14).“
4. Die neapolitanische Wikipedia
Bei der Betrachtung der dialektalen Version der Wikipedia ist es zunächst lohnenswert, einen Blick auf den generellen Umgang der Wikipedia mit Sprachen und Dialekten zu werfen. Wie Krefeld 2019 bemerkt, ist dieser Umgang von widersprüchlichen Tendenzen geprägt:
Einerseits wird völliger Individualismus propagiert, der die Freiheit des Einzelnen und ein – gewissermaßen – anarchisches Kooperationsprinzip zur grundlegenden Maxime erhoben hat:‚L’enciclopedia libera e collaborativa. […] Wikipedia è un’enciclopedia online, collaborativa e gratuita.’ (http://it.wikipedia.org/wiki/Pagina_principale) Andererseits wird eine recht umfangreiche, aber doch begrenzte Zahl von Versionen in unterschiedlichen ‚Sprachen‘ angeboten: ‚Disponibile in oltre 280 lingue, […] Wikipedia è liberamente modificabile: chiunque può contribuire alle voci esistenti o crearne di nuove.’ (it..wikipedia)‘
Ebenso ist unklar, was als Sprache gilt. Grundsätzlich macht die Wikipedia keinen Unterschied zwischen Sprache, Dialekt und Regionalsprache. Umfang und Aktivität der Wikipedien weisen keine direkte Korrelation mit den Sprecherzahlen auf (Krefeld 2019). Die Festlegung der Sprachräume folgt zudem nicht den staatlich-juristischen Grenzen. Es ist also unklar, welche Kriterien angelegt werden um zu entscheiden, ob und wo eine neue sprachliche Version der Wikipedia entsteht.
Die Dialektwikipedien in den italoromanischen Varietäten weisen im Vergleich der romanischen Varietäten die größte Anzahl an dialektalen Einträgen auf. Besonders stark vertreten sind dabei u.a. das Lombardische, das Neapolitanische (das im Zusammenhang dieser Arbeit näher untersucht werden soll), das Sizilianische und das Piemontesische (Michel 2008, 182).
4.1. Zielsetzung
Die nap.Wiki hat das Ziel, eine verschriftlichte und vereinheitlichte neapolitanische Sprache zu fördern: „Tenimmo comme n’obbiettivo ncopp’a nap.wiki d’avanzà na lengua napulitana scritta e unificata“
(https://nap.wikipedia.org/wiki/Aj%C3%B9to:Comme_traducere_n%27articulo).
Durch die Verschriftlichung des Dialektes soll dazu beigetragen werden, eine einheitliche Version des Napoletano voranzutreiben. Es handelt sich also um den Versuch eines internetbasierten schriftlichen Ausbaus der dialektalen Varietät. Dieser Ausbauversuch basiert auf der ständigen Mitgestaltung der Plattform durch die Nutzer. Der Dialekt wird, in diesem Fall durch das Ziel der Wissensvermittlung, in einen reellen Gebrauchskontext gestellt. Im Gegensatz zu dialektalen Lyrikwebseiten, die eher einem ästhetischen oder unterhaltendem Zweck dienen, wird Wikipedia mittlerweile von einem großen Anteil der Internetnutzer täglich verwendet. Dadurch kann zudem ein moderneres Erscheinungsbild der Dialekte entstehen, als das zuweilen altbackene, folkloristische Image der bisherigen Dialektwebseiten. Es ist selbstverständlich fraglich, inwiefern die dialektalen Varianten der Online-Enzyklopädie wirklich eine Alternative zu den viel umfangreicheren und detaillierteren Wikipedien der Standardvarietäten darstellen.
Die Nutzer werden dazu aufgerufen, sowohl ihr dialektales als auch ihr Sachwissen miteinander zu teilen, indem sie Artikel für die nap.Wiki verfassen. Es wird dabei betont, dass „noch kein Meister vom Himmel gefallen ist“. Besonders aufgrund der Tatsache, dass Napoletano nicht in der Schule unterrichtet wird, wird augenscheinlich ein geringer Maßstab angelegt. Vielmehr suggerieren die Betreiber der Seite hier das Motto: „Dabei sein ist alles“ sowie „Übung macht den Meister“:
È semprece: nisciuno è nato mparato e ‚o nnapulitano nun vene nzegnato â scola, ma se nun s’accummencia a scrivere nun se pô manco mparà. Allora ca aspiette? Cundivide chello ca saje cu tutto ‚o munno.‘ (https://nap.wikipedia.org/wiki/Paggena_prencepale)
Es wird also keinesfalls Anspruch auf vollkommene Richtigkeit gestellt, wenn ein Nutzer einen Beitrag leisten möchte.
4.2. Aufbau
Aufbau und Layout der neapolitanischen Version der Wikipedia gleichen den Wikipedien in der Standardsprache, beispielsweise der italienischen oder der deutschen Variante.
Am 21.1.2019 enthielt die nap.Wiki 14 576 Artikel. Sie befindet sich damit im Gesamtrang aller Wikipedien nach Artikelanzahl zu diesem Zeitpunkt an Platz 122. (https://meta.wikimedia.org/wiki/List_of_Wikipedias). Die Version in Napoletano existiert bereits seit dem 25.09.2005 (https://meta.wikimedia.org/wiki/Wikimedia_projects).
Die folgende Tabelle dient der Veranschaulichung der Größe der neapolitanischen Wikipedia im Vergleich mit den Versionen in Standardsprache in Englisch, Deutsch und Italienisch. Ebenso werden zum Vergleich die Daten der dialektalen Wikipedien in Bairisch, Sizilianisch und Venetisch angegeben. Untersucht werden dabei die folgenden Kategorien:
- Artikelanzahl
- Gesamtrang nach Artikelanzahl im Vergleich mit anderen Wikipedien
- Insgesamt: Diese Zahl setzt sich aus der offiziellen Anzahl der Artikel der jeweiligen Wikipedia sowie den „Nicht-Artikeln“, also den Nutzerseiten, Diskussionsforen, Bildern, „Projektseiten“, Kategorien etc. zusammen
- Administratoren:
- Nutzer: Anzahl insgesamt registrierter Nutzer. Diese müssen weder jemals einen Artikel verfasst haben noch derzeit aktiv mitarbeiten.
- Aktive Nutzer: registrierte Nutzer, die in den letzten 30 Tagen mindestens eine Bearbeitung vorgenommen haben
- „Tiefe“: Dieser von der WikiMedia entwickelte Index (Bearbeitungen/Artikel) x (Nicht-Artikel / Artikel) x (1 − Stub-ratio) soll den ungefähren qualitativen Wert der Wikipedia erfassen. Dabei bezieht er sich darauf, wie oft diese bearbeitet und aktualisiert wird und nicht auf die wissenschaftliche Qualität der Artikel.
Sprache (Gesamtrang) |
Artikel | Insgesamt (Artikel + User-Seiten) | Adminis-tratoren | Nutzer | Aktive Nutzer | Tiefe |
‚Nnapulitano‘ (122) |
14 582 | 26 754 | 3 | 20 681 | 20 | 17 |
Englisch (1) | 5 811 200 | 47 226 474 | 1184 | 35 776 030 | 140 172 | 947 |
Deutsch (4) | 2 275 984 | 6 386 896 | 191 | 3 132 462 | 20 755 | 94 |
Italienisch (8) | 1 508 795 | 6 113 728 | 111 | 1 788 433 | 8925 | 157 |
Bairisch (104) | 27 731 | 102 781 | 6 | 45 180 | 65 | 50 |
Sizilianisch (105) | 26 062 | 55 239 | 8 | 31 615 | 41 | 16 |
Venetisch (136) | 11 383 | 35 071 | 3 | 22 777 | 33 | 74 |
Quelle: https://meta.wikimedia.org/wiki/List_of_Wikipedias (Stand: 21.1.2019)
Anhand der Tabelle wird deutlich, dass die dialektalen Versionen Napoletano, Bairisch, Sizilianisch und Venetisch erwartungsgemäß im Vergleich mit den Versionen in der Standardsprache nach allen Parametern deutlich kleiner sind. Dennoch umfassen sie eine große Zahl von Artikeln und registrierten Nutzern. Auffällig ist aber, wie gering die Anzahl der aktiven Nutzer und Administratoren in den dialektalen Wikipedien ist. Auch wenn für alle Dialektwikipedien eine große Anzahl an Nutzern registriert ist, sind nach den Parametern der WikiMedia nur sehr wenige davon tatsächlichin in der Plattform aktiv. Für die neapolitanische Wikipedia wird eine Anzahl von nur 20 aktiven Nutzern angegeben. Auch der Tiefen-Index liegt mit 17 vergleichsweise sehr niedrig, was auf wenige Aktualisierungen und Bearbeitungen schließen lässt. Dies ist ein erster Hinweis dafür, wie wenige Personen diese Versionen tatsächlich aktiv nutzen und gestalten.
Alle Artikel in der neapolitanischen Version der Wikipedia sind augenscheinlich im Dialekt verfasst. Um welchen Dialektstandard es sich dabei handelt, soll später noch untersucht werden. Die Artikel entstammen vielen verschiedenen Themenbereichen aus den acht verschiedenen Rubriken Giugrafia, Storia, Tecnica, Succità, Sport, Religgione, Cultura e arte und Scienzia. Allerdings ist nur ein Bruchteil der Artikel den Kategorien zugeordnet. Der Großteil ist unkategorisiert, obwohl er sich leicht einer der Kategorien zuweisen ließe.
Die Rubriken Chiàcchiera und Circulo laden zur Interaktion ein. Ähnlich eines Forums, wird an dieser Stelle über verschiedene Fragen diskutiert, die den Dialekt und seine Umsetzung in der Wikipedia betreffen. Hier bietet die Plattform der Nutzergemeinschaft einen Treffpunkt des Austauschs. In einem Beitrag fordert ein Mitglied zum Beispiel die Ersetzung von nnapulitano durch napulitano:
Dieser Beitrag zeigt eine fortgeschrittene sprachwissenschaftliche Kenntnis des Dialektes, über die der Nutzer verfügt. Die Beschreibung des Phänomens der phonosyntaktischen Verstärkung ist detailliert und korrekt. Anders als in den Artikeln finden sich im Circulo auch Beiträge, die nicht im Dialekt, sondern im Standarditalienischen verfasst wurden. Es erweckt den Anschein, als ob die Nutzer dauerhaft daran arbeiten würden, das Projekt zu verbessern. Dafür diskutieren die Mitglieder über linguistische Fragen und bringen Verbesserungsvorschläge an. Ebenso findet man Ermutigungen wie die folgende, die an die Nutzergemeinschaft gerichtet wurde.
4.3. Standard
Im folgenden Kapitel soll überprüft werden, auf welchem Dialektstandard die neapolitanische Wikipedia basiert und welcher Anspruch auf Standardisierung erhoben wird, wenn ein Nutzer einen Artikel beitragen möchte. Wie bereits deutlich wurde, ist eine Standardisierung problematisch, aber unumgehbar.
Die Nutzer werden auf den Seiten der Wikipedia immer wieder ermutigt, an der Online-Enyklopädie mitzuwirken. Auch die Hilfe-Seiten erklären Schritt für Schritt, wie man etwas beitragen kann.
Man findet in dieser Sektion detaillierte Beschreibungen, mit welchen Klicks man einen Artikel schreiben oder modifzieren kann. So können auch Nutzer, die technisch wenig versiert sind, aber vielleicht über ein ausgeprägtes Dialektwissen verfügen, einen Beitrag leisten. Ferner findet man übersichtliche Hilfeseiten zu Orthographie und Grammatik. Grundlegende Züge der Grammatik des Napoletano werden hier anschaulich dargestellt. Beispielsweise werden die bestimmten Artikel im Neapolitanischen im Vergleich mit denen im Italienischen aufgelistet:
Diese metasprachlichen Einträge sollen den Nutzern dabei helfen, Einträge auf Neapolitanisch zu verfassen. In einem anderen dieser Einträge wird erklärt, was ein Schwa ist und wie es im Neapolitanischen transkribiert wird: „In napulitane ‚a schwa vène trascritte cu’e vvucale a, e, o“. Wenn jemand etwas beitragen möchte, hat er auch die Möglichkeit einen Artikel aus einer anderen Wikipedia (beispielsweise aus der standarditalienischen Version) zu übersetzen. Dadurch können auch Nutzer mitarbeiten, die z.B. nicht über ausreichend Fachwissen verfügen, um selbst einen Artikel zu schreiben. Die Hilfe-Seiten enthalten dafür auch ein alphabetisches Wörterverzeichnis der gängigsten neapolitanischen Ausdrücke und eine Liste von Links zu weiteren Online-Glossaren, die den Nutzern helfen können. Hierbei ist aber auffällig, dass einige der Links nicht funktionieren. Insgesamt zeigen diese ausführlich gestalteten Seiten aber deutlich, dass den Besuchern der Seite eine klare Hilfestellung gegeben wird. Dadurch ist es deutlich wahrscheinlicher, dass Dialektsprecher an der Plattform mitgestalten wollen.
Im Hilfe-Artikel zum Thema Standard liest man Folgendes:
Tutte l’articule, e sta wikipedia s’hanna scrivere dint’a na variante sòra d‘ ‚o napulitano. Ccà se può scrivere n‘abbruzzese, mulisano, e pure dint‘ ‚e variante lazziale, campane, lucane, pugliese o calabbrese.
Tutte sti variante regionale song’eguale, e ‚a Wikipedia napulitana apprezza ‚a diverzetà dialettale.Pure si nu cuofeno e paggene dint’a sta Wikipedia so‘ scritte ’n napulitano ‚e Napule (‚a forma muderna d‘ ‚e siecule XX e XXI). Ccà putite scrivere ’n tutt‘ ‚e variante ‚e sta lengua si ‚e canuscite.“ (https://nap.wikipedia.org/wiki/Wikipedia:Variante)
Demnach wird also eine sehr tolerante Definition des Napoletano angewandt: Die Artikel können auch in „n‘abbruzzese, mulisano, e pure dint‘ ‚e variante lazziale, campane, lucane, pugliese o calabbrese“ verfasst werden, obwohl diese streng genommen ganz eigene, andere Varietäten sind. Auch wenn diese Varietäten über viele ähnliche Dialektmarker wie beispielsweise progressive Assimilationserscheinungen (Kattenbusch 1992, 31) verfügen und der Dialektgruppe der Mittel- und Süditalienischen Dialekte zugeteilt werden, sind sie dennoch eindeutig als eigenständige Dialekte zu unterscheiden (Kattenbusch 1992, 22). Die nap.Wikipedia zeigt in diesem Fall also jene bereits beschriebene Ansicht, in der alle süditalienischen Dialekte unter dem Sammelbegriff Napoletano zusammengefasst werden. Diese Herangehensweise der Wikipedia ist verwunderlich, da es wie bereits erwähnt in der Dialektologie keine Regelung gibt, nach der das Napoletano als Dachsprache bzw. Oberbegriff für die gesamte betroffene Dialektgruppe gelten würde (Krefeld 2019). Im Hinblick auf Ausbau und Standardisierung des Dialektes ist diese Konzeption also problematisch.
Zudem widerspricht diese fehlende Definition eines tatsächlichen Standards der Zielsetzung des Vorantreibens einer „lengua napulitana scritta e unificata“. Inwieweit ist es möglich, eine einheitliche Version des Dialektes von Neapel zu fördern, wenn gleichzeitig alle süditalienischen Varietäten in einen Topf geworfen werden?
Der Hilfe-Artikel zur Standardisierung definiert anschließend den „Standard napulitano ‚e Napule'“ folgendermaßen:
‚O napulitano ‚e Napule è ogge na lengua ca nun ave standard. ‚A base letteraria moderna crisciuta dint‘ ‚a primma metà d‘ ‚o siecolo XX è chilla c’ancora ogge è diffusa pe‘ bbìa d‘ ‚e canzune, ‚e fatiche tiatrale e ncopp‘ ‚a TV. È facilmente ricanusciuta sta lengua comme scritta ‚a Salvatore di Giacomo, Ferdinando Russo e Giovanni Capurro ecc, e fosse chista ‚a proposta ‚e standard ca s’avess’ausà ccà.
Weil das heutige Napoletano angeblich nicht standardisiert ist, wird als Standard also zunächst die literarische Version der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts vorgeschlagen, die u.a. von Salvatore di Giacomo verwendet wurde. Dieser Anspruch auf Standardisierung ist aber wenig verbindlich, da direkt im Anschluss die weiteren möglichen Dialektvarianten angeführt werden, in denen die Artikel auch verfasst werden können. Es wird also erneut auf die bereits erläuterte gemeinsame Gruppierung aller süditalienienischen Dialekte zurückgegriffen. Es finden sich dafür auch Beispielsätze für die einzelnen Varietäten:
Die Nutzer dürfen die Artikel in all diesen Dialektformen verfassen. Sie werden allerdings gebeten, innerhalb eines Artikels nur eine Dialektvariante zu verwenden: „Pe‘ mutive ‚e coerenza, n’articolo s’avesse ‚a scrivere finalmente dint’a n’uneca variante“. Es wird dabei auch nicht der Anschein erweckt, es handle sich bei einer dieser Varietäten um eine präferierte Standardvarietät. Vielmehr wird immer wieder betont, dass es sich bei all diesen Varietäten um gleichwertige „Schwestervarietäten“ des Neapolitanischen handelt : „variante sòra d‘ ‚o napulitano“, „Tutte sti variante regionale song’eguale, e ‚a Wikipedia napulitana apprezza ‚a diverzetà dialettale“.
Die Betreiber der Seite bitten die Nutzer, ihre Artikel entsprechend der verwendeten Dialektvarietät zu kategorisieren:
Allerdings zeigt fast keiner der Artikel in der Wikipedia wirklich eine Kategorisierung der Dialektvarietät an. Es ist also aus den Artikeln nicht ersichtlich, um welche Varietät es sich darin handelt. Dies ist im Kontext von Ausbau und Standardisierung problematisch.
Es ist insgesamt fraglich, inwieweit ein Standard überhaupt durchgesetzt werden kann. Allgemein ist die Mitarbeit bei der Wikipedia vollkommen freiwillig. Die Artikel werden ggf. höchstens von anderen Mitgliedern oder den Administratoren kontrolliert. Für die gesamte nap.Wiki gibt es lediglich 3 Administratoren. Es erscheint wenig wahrscheinlich, dass diese alle Artikel darauf überprüfen können, ob ein einheitlicher Dialektstandard eingehalten wird. Die Nutzer werden lediglich gebeten, die Vorgaben einzuhalten. Anderenfalls wird damit gedroht, dass die Administratoren „zornig“ werden: „sinnò ll’amministrature s‘ ’ncazzano cu vuje“ (https://nap.wikipedia.org/wiki/Aj%C3%B9to:Comme_traducere_n%27articulo).
Infolge der bisherigen Beobachtungen ist also davon auszugehen, dass nicht lediglich eine Standardvarietät des Dialektes zu finden ist, sondern eine Vielzahl verschiedener Standards (bzw. vollkommen verschiedener, ganz anderer Dialekte) miteinander konkurrieren. Dies wird auch aus einem Beitrag im Circulo deutlich, in dem ein verärgertes Mitglied genau diese Ungenauigkeit kritisiert.
IL DIO MAIALE A mio parere il napoletano della wikipedia dovrebbe essere il napoletano che si parla a Napoli al giorno d’oggi. Non il napoletano precedente all’unificazione di Italia, ne tantomeno le sue varianti di altre province. Una cosa è il napoletano, ben altro è il salernitano, il casertano o il beneventano. Per non parlare poi di ulteriori varianti come il Puteolano, che è a mio parere una lingua a se, per costrutto, termini e pronuncia. La mia proposta è di eliminare tutto cio che non è napoletano moderno da questa wikipedia e confinare arcaismi e altri dialetti in sezioni apposite. Onestamente da napoletano non mi identifico minimamente in questa wikipedia e credo nessuno riesca a farlo.
(https://nap.wikipedia.org/wiki/Chi%C3%A0cchiera:Paggena_prencepale)
Es wird deutlich, dass der Nutzer keineswegs mit der präsentierten Form des Dialektes als Napoletano einverstanden ist. Als grundlegendes Problem sieht er nicht nur die ungenaue bzw. schlichtweg falsche Definition des Dialektes Napoletano, die die Wikipedia vorgibt. Ebenso kritisiert er Archaismen und empfindet den präsentierten Dialekt als veraltet. Auch wenn die Wikipedia bei ihrem Anspruch auf Standard vom Standard des 20. und 21. Jahrhundert ausgeht („‚a forma muderna d‘ ‚e siecule XX e XXI“), zeigt die Reaktion des Nutzers, dass das nicht unbedingt zutrifft. Denkbar wäre auch, dass diese archaischen Elemente direkt aus der dialektalen Literatur übernommen wurden, aber nicht Bestandteil der gängigen mündlichen Kommunikation sind oder es jemals waren. Wie Michel bemerkt, führt die hohe Literarizität des Neapolitanischen häufig zu einem Verlust dialektaler Authentizität (2004, 173). Es kann davon ausgegangen werden, dass dies auch in diesem Fall zutrifft.
Weiterhin schreibt das Mitglied:
questa wikipedia di napoletano ha veramente poco. A mio parere necessita di una profonda revisione a partire dal titolo. Bemmenut, onestamente a Napoli io non l’ho mai sentito in 40 anni, neanche da mio nonno. Forse nell’interland, oppure è un arcaismo, non so, ma onestametne non corrisponde ad una lingua viva come il napoletano. Il titolo corretto a mio parere è: Benarrivat‘ a‘ wikipedia do‘ napulitan‘. Quel „ncopp’a“, vuol dire sopra come complemento di luogo, non di argomento. Discutere „n’copp a nu fatt'“ può anche essere usato, ma è sicuramente più comune, moderno e napoletano discutere „e nu‘ fatt'“.
Oppure „Bemmenuto dint“â Wikipedia napuletana“. Ma „ncopp“â“ no mme pare troppo sbagliato…
Das Urteil des Nutzers ist vernichtend. Demnach ist die sprachliche Repräsentation des Dialektes fehlerhaft und bildet nicht den tatsächlich gesprochenen Dialekt Neapels ab.
Ci posso anche stare che si è voluto racchiudere in un contenitore più dialetti, ma mi sembra di sminuire l’importanza degli altri chiamandoli tutti genericamente napoletano. Napoletano, Molisano, Calabrese, Lucano, Pugliese, Abruzzese, Siciliano non sono assolutamente lingue uguali, ne si può dire che le altre sono forme dialettali del napoletano. Io sono napoletano e se sento parlare gli altri dialetti citati, raramente riesco a capirli. Ci sono rare assonanze e utilizzano costrutti e sopratutto vocaboli completamente diversi. Queste lingue sono vive e in continua evoluzione e se pur hanno un antichissima radice comune, sono cresciute e maturate assumendo una quasi totale autonomia. […] Il Salernitano, il Casertano, Il Beneventano, l’Avellinese hanno suoni e termini già profondamente lontani dal napoletano. (::) Io limiterei questa attualmente quasi inutile wiki alla sola Campania e escluderei altre regioni, che si vuole forzatamente ed erroneamente includere. Diamo un messaggio chiaro al mondo per favore: iIl napoletano NON è La lingua del sud Italia, è solo una delle tante.
Dieser Aufruf zu einer genaueren und richtigeren Definition erfolgt vollkommen berechtigt. Der Versuch andere Dialekte zwingendermaßen miteinzubeziehen ist besonders vor dem Hintergrund der Wikipedia als Maßnahme zum Ausbau und zur Erhaltung des Napoletano kontraproduktiv. Es scheint unmöglich, einen einzelnen Dialekt in authentischer Weise zu repräsentieren, wenn dieser bereits ungenau bzw. fehlerhaft definiert wird. Die Wikipedia wird durch diese unpräzise Definition zu einem kollektiven Ausbauversuch aller süditalienischen Varietäten, bei dem man damit rechnen muss, dass die einzelnen Varietäten vollkommen durcheinander gemischt werden. Ein individueller Ausbau des Dialektes von Neapel ist vor diesem Hintergrund wohl nicht möglich. Ähnlich sinnlos wäre es, verschiedene süddeutsche Dialekte wie Fränkisch, Schwäbisch und Bairisch in einer Version der Wikipedia zu gruppieren. Dies würde voraussichtlich zu ähnlichen Reaktionen der Mitglieder der Sprechergemeinschaften führen.
Wie der Nutzer bereits vorschlägt, sollten diese unterschiedlichen Sprachräume in einer jeweils eigenen Variante der Wikipedia vertreten werden. Diese Herangehensweise ist zudem widersprüchlich, weil andere italienische Dialekte, beispielsweise Piemontesisch, Ligurisch, Sizilianisch, Venetisch und Lombardisch über jeweils eigene bedeutende Wikipedien verfügen und nicht in einer gemeinsamen norditalienischen Dialektgruppenvariante zusammengefasst werden. Auffällig ist dabei auch, dass deutlich mehr nord- und zentralitalienische Dialektgruppen in der Online-Enzyklopädie repräsentiert werden als süditalienische. Die beiden norditalienischen Wikipedien des Piemonts und der Lombardei gehören nach Artikelanzahl zu den am besten ausgebauten Exemplaren. Auch Michel beschreibt allgemein für die dialektale Schriftlichkeit der neuen Medien ein deutliches Nord-Süd-Gefälle. Demnach ist der Ausbau der einzelnen Varietetäten je nach Region unterschiedlich stark ausgeprägt. In einigen Zentren in Norditalien ist durch das Internet bereits einiges an dialektaler Sach- und Gebrauchsprosa entstanden. Im Süden Italiens dominiert jedoch weiterhin die traditionelle Dialektdichtung (Michel 2004, 6). Dieser These würde auch die Realität der Wikipedien entsprechen. Die neapolitanische scheint gemeinsam mit der sizilianischen die einzige ernstzunehmende süditalienische Dialektwikipedia zu sein. Es existieren zwar theoretisch Versionen für „Abbruzzo“, „Calavria“, „Lazio“, „Molise“ und „Puglia“, all diese befinden sich aber noch in ihren vollkommenen Grundzügen. Die Version für Apulien begrüßt auf der Startseite zugleich mit „Bemmenute ncopp’â Wikipedia napulitana“.
Kein Bewohner Apuliens würde sich wohl damit identifizieren wollen. Der Umgang der Wikipedia mit Sprachen, hier insbesondere mit den süditalienischen Dialekten, spiegelt also nicht die komplexe außersprachliche Realität wider. Ebenso wenig repräsentiert der momentane Stand der süditalienischen Dialektwikipedien das Sprecherbewusstsein. Es wird zudem erneut deutlich, dass der Umgang der Wikipedia nicht geografischen Kriterien wie z.B. den Regionen folgt.
Auch andere Nutzer reagieren im Forum ähnlich:
In diesem Beitrag findet sich auch ein für das parlar spedito typische Code Switching in Form von gemischten dialektalen und standarditalienischen Elementen (Nicklaus 2012, 129).
Interessant ist auch der Eintrag zur „Lengua napulitana“ in der neapolitanischen Wikipedia. Stolz wird hier erwähnt, dass die ISO das Napoletano als „na vera „lengua“ (ISO 639: nap) einstuft. Es folgt allerdings gleich eine Einschränkung:
Chesta idea nun è ‚a stessa pe tutte ‚e lenguiste, cierte diceno mmece ca cu ttutte ‚e ddifferenze ca ce stanno nfra chisti dialette e p“o fatto ca nun ce sta nisciuna standardizzazione nun se pô parlà ‚e na „lengua napulitana“ e parlano mmece ‚e nu cuntinuo ‚e „dialette taliane merediunale ntermedie“. ‚O 14 ‚e ottovre 2008 ‚a Reggione Campania cu nu DDL ha dechiariato ca ‚o nnapulitano è na lengua e ca va prutetto e nzegnato. (https://nap.wikipedia.org/wiki/Lengua_napulitana)
Dieser Artikel spiegelt ein Sprecherbewusstsein wider, das von einem Großteil der Sprecher des Neapolitanischen geteilt wird. Der Artikel greift zudem erneut die bereits erwähnte Verwendung von Napoletano als Überbegriff für alle süd-meridionalen Dialekte auf:
O nnapulitano è na lengua ca se parla ’n Campania e all’ati parte r“o Sud-Italia. Soletamente, però, so‘ cchiammate accussí tutt‘ ‚e dialette ca se parlano ô Sudd cuntinentale (Campania, Abruzzo, Lucania, nord d‘ ‚a Calavrea, nord d‘ ‚a Puglia, Molise, sudd d‘ ‚o Lazzio e na pparte d‘ ‚e Marche)
Interessant ist auch, dass in diesem Artikel, wie auch in manchen anderen Artikeln in der neapolitanischen Wikipedia, der Leser direkt angesprochen wird: „Pe vvedé ‚e ddifferenze putite leggere ccà abbascio“. Diese direkte Leseransprache, die eigentlich typisch für nähesprachliche Kommunikation ist, findet man wohl weder in einer klassisch gedruckten Enzyklopädie noch in der standardsprachlichen Wikipediaversion.
Es ist nicht ganz klar, wie aktiv die nap.Wiki derzeit betrieben wird. Betrachtet man beispielsweise die Startseite, fällt auf, dass der „Ll’artículo d“o mese“ seit Monaten der gleiche ist und sich nicht monatlich ändert, wie man annehmen würde. In anderen Wikipedien, z.B. der deutschen, gibt es diese monatliche Rubrik gar nicht. Stattdessen findet man dort täglich einen neuen „Artikel des Tages“. Selbstverständlich kann man nicht erwarten, dass die dialektale Version ebenso aktiv betrieben wird wie die Standardversion, da sie über ganz andere Voraussetzungen verfügt. Wenn man allerdings ernsthaft einen Ausbauversuch durch die dialektale Wikipedia vornehmen möchte, sollten den Besuchern beider Seiten ähnliche Nutzungsbedingungen geboten werden. Ansonsten ist es fraglich, warum jemand überhaupt die dialektale Version wählen sollte. Auch die Nutzer der nap.Wiki machen im Forum darauf aufmerksam, dass andere dialektale Wikipedien deutlich aktiver betrieben werden.
Es ist in der Tat fragwürdig, ob die Wikipedia derzeit eine tatsächliche Alternative zur Version in Standarditalienisch darstellt. Ruft ein Nutzer beispielweise in der nap.Wiki die Seite zu Laco (also it. lago: See) auf, besteht der Eintrag aus wenigen Sätzen.
Die Informationen darin sind zudem wohl den meisten Nutzern ohnehin schon bekannt. Der vergleichbare Artikel in Italienisch ist dagegen um ein Vielfaches länger und enthält eine enorme Fülle wissenschaftlicher, in diesem Fall physisch-geographischer, Informationen in enormer Detailliertheit, Fotos, etc.
Möchte ein Nutzer also wirklich an brauchbare Informationen gelangen, wird er wohl auf die Standardversion zurückgreifen. Ein großer Anteil der Artikel in der Datenbank der nap.Wiki besteht aus lediglich einem oder wenigen Sätzen. Den Nutzern wird also momentan nicht das geboten, weswegen sie üblicherweise eine Online-Enzyklopädie besuchen würden. Es kann also noch nicht von einem reellen Gebrauchskontext gesprochen werden, in den der Dialekt gestellt wurde. Es entsteht eher der Eindruck, dass es sich bei den Nutzern dieser Plattform derzeit zum Großteil um Dialektliebhaber, Sprachschützer oder Aktivisten handeln, die diesen Aufwand betreiben. Es könnte nun angemerkt werden, dass sich die Seite derzeit noch im Aufbau befindet. Allerdings zeigt die Entwicklung der Artikelzahl seit 2014 nur einen geringen Anstieg von 14113 (Krefeld 2019) auf die momentanen 14582 Artikel.
Auch die Statistiken der Wikimedia zeigen keinen großen Zuwachs im Verlauf der letzten Jahre. Die durchschnittliche Anzahl der monatlichen Seitenaufrufe ist seit 2016 nahezu unverändert geblieben:
Auch der in Kapitel 4.2. bereits beschriebene Tiefen-Index der Wikimedia liegt für die neapolitanische Version bei lediglich 17 und lässt auf eine verhältnismäßig geringe Aktivität der Nutzer schließen.
Abschließend sollen nun einige Überlegungen zum Sprachausbau erläutert werden, um diese dann auf die nap.Wiki anwenden zu können. Dadurch soll weiterhin untersucht werden, inwiefern die Wikipedia als sinnvolle Maßnahme des Sprachausbaus gewertet werden kann.
Unter dem Sprachausbau versteht man das „sukzessive Vorrücken einer Sprachform in mehrere Funktionsbereiche“. Kriterien für einen erfolgreichen Ausbauprozess sind dabei:
- Die zunehmende Verschriftung bis hin zu einer Schriftsprache
- Das Vorhandensein einer selbstständigen Literatur
- Vorhandensein von Sachprosa (Domänen der kommunikativen Distanz)
- Existenz einer anerkannten orthographischen Norm, also eines Standards
- Offizieller Status als National- oder Amtssprache
Diese Kriterien sind für uns in zwei Zusammenhängen relevant. Auf der einen Seite geben sie uns einen Anhaltspunkt, über den Status des Napoletano als Dialekt bzw. Sprache nachzudenken. Das Vorhandensein einer selbstständigen Literatur belegen für das Napoletano seit Jahrhunderten eine Vielzahl von Autoren. Aktuelle Entwicklungen wie der Premio Viareggio, den Michele Sovente 1998 erhalten hat, zeigen auch heutzutage noch die Relevanz der dialektalen neapolitanischen Literatur. Wie in Kapitel 2.3 deutlich wurde, erstreckt sich die Literatur im Dialekt auch auf die neuen Medien. Dieses Kriterium ist also eindeutig mit Ja zu beantworten. Die Frage nach dem Vorhandensein von Sachprosa ist hingegen nicht so einfach zu beantworten. Auch wenn wohl einige Fälle davon vorhanden sind, so kann insgesamt davon ausgegangen werden, dass diese eher eine Ausnahme darstellen. Auch auf das letzte Kriterium wurde bereits eingegangen. Obwohl es von den Sprechern des Napoletano selbst oft anders wahrgenommen und dargestellt wird, hat diese Varietät keinen offiziellen Status als National- oder Amtssprache. Sie wurde lediglich von der UNESCO als vom Aussterben bedrohte Sprache klassifiziert. Insgesamt wurde aber deutlich, dass das Neapolitanische eine Vielzahl der Kriterien erfüllt und über eine fortgeschrittene Ausbaustufe verfügt.
Zum anderen können wir einige dieser Kriterien aber auch direkt auf das Projekt der dialektalen Wikipedia anwenden. Anhand dieser Kriterien wird deutlich, dass die Wikipedia aus theoretischer Sicht enormes Potential zum Sprachausbau aufweist. Sie bietet die Möglichkeit der zunehmenden Entstehung von Sachprosa, auf die nahezu jeder Mensch zu allen Zeiten ortsunabhängig zugreifen kann. Die Voraussetzungen der Wikipedia erfüllen das Kriterium der zunehmenden Verschriftung. Auch die Tatsache, dass im Chiácchiera-Bereich zum Teil schriftlich im Dialekt kommuniziert wird, belegt dieses Kriterium. Das zweite Kriterium kann aufgrund der Tatsache, dass die Wikipedia als Plattform für Sachprosa gestaltet ist, nicht erfüllt werden und wird daher zurückgestellt. Das dritte Kriterium wiederum trifft zu, solange wir uns auf die Artikel konzentrieren. Die Texte im Forum können nicht ausschließlich als Sachprosa eingestuft werden können. Es handelt sich dabei eher um eine interessante Mischung aus Nähe- und Distanzsprache, bei der die Nutzer auch zu Code-Switching zwischen Dialekt und Standardsprache neigen. Diese Texte ließen sich wohl am ehesten mit dem anfangs erläuterten Begriff des parlar spedito bezeichnen. Die Artikel können dagegen eindeutig als Sachprosa gewertet werden. Betrachtet man die Themen, so handelt es sich zu einem großen Teil eindeutig um kulturkundliche und wissenschaftlich-technologische Themenbereiche. Diese Textsorte weist auf eine fortgeschrittene Ausbaustufe hin (Kabatek/Pusch 2009, 228). Der Zustand dieser Artikel ist allerdings in den meisten Fällen dürftig, da sie oft nur eine sehr geringe Informationsmenge enthalten und aus wenigen Sätzen bestehen. Das nächste Kriterium offenbart die größte Schwäche der Wikipedia. Wie bereits beschrieben wurde, ist die Definition des neapolitanischen Dialektes, die der Wikipedia zugrunde gelegt wird, nicht mit einem plausiblen Ausbauversuch des Napoletano vereinbar. Dies zeigten auch die kritischen Reaktionen verschiedener Nutzer. Die fehlende Existenz einer anerkannten orthographischen Norm führt dazu, dass der Dialekt nicht in authentischer Weise repräsentiert werden kann.
5. Reaktionen der Dialektsprecher
Um der Frage nach der Authentizität des verwendeten Dialektes nachzugehen, soll im Folgenden überprüft werden, wie die Sprechergemeinschaft auf die Version der Wikipedia reagiert. Mittels eines Fragebogens soll zum einen ermittelt werden, wie die Sprecher grundsätzlich der Idee einer dialektalen Wikipedia gegenüberstehen. Zum anderen soll herausgefunden werden, inwieweit sie die in der Wikipedia verwendete Form des Dialektes für authentisch halten.
5.1. Methodik
Die Umfrage ist in Form eines Online-Fragebogens durchgeführt worden. Dieser Fragebogen wurde über Facebook in zahlreichen Gruppen gepostet, die sich mit dem Napoletano befassen. Beispielweise wurde der Umfragelink in den Gruppen „Napule dint O core“, „Scugnizzi & Scugnizze“, „IMPARIAMO A SCRIVERE IL NAPOLETANO“, „Nustalgia e Napul’“, sowie „Napoletani in Germania“ veröffentlicht. Desweiteren habe ich einige meiner Bekannten aus Neapel gebeten, den Link an ihnen bekannte Sprecher des Dialektes zu verbreiten, um so weitere Teilnehmer zu erhalten. Bei den Befragten handelt es sich zum Großteil um Bewohner Mittel- und Süditaliens. Einige Teilnehmer leben auch in München und sind Mitglied einer der zahlreichen Gruppen, in denen sich Heimwehgeplagte außerhalb von Neapel vernetzen. Nicht alle Teilnehmer sind gebürtige Neapolitaner oder Personen, die derzeit in Kampanien leben. Es ist aber bei nahezu allen Befragten von einer zumindest passiven Kenntnis des Dialektes auszugehen. Im Folgenden soll der Fragebogen kurz erläutert werden. Zu Beginn des Fragebogens wurden die Teilnehmer gebeten, sich auf den Seiten der nap.Wiki umzusehen, um sich so ein wenig damit vertraut zu machen. Da die meisten Nutzer die Plattform vermutlich noch nicht kennen, soll so sichergestellt werden, dass die Teilnehmer zutreffende Aussagen machen können.
Die erste Frage soll zunächst klarstellen, ob der/die Befragte die neapolitanische Wikipedia bereits kennt bzw. überhaupt weiß, dass eine solche existiert.
Mit der zweiten Frage soll herausgefunden werden, wie der/die Befragte prinzipiell der Idee solch einer dialektalen Version als Maßnahme zur Erhaltung des Dialektes gegenübersteht. Hierbei wurden bewusst zunächst nur die beiden Optionen ‚La ritengo un ottima idea per conservare il Napoletano‘ und ‚Non mi sembra una buona idea‘ zur Auswahl gestellt, um eine möglichst klare Antwort von den Teilnehmern zu erhalten. Es wurde zusätzlich ebenfalls die Antwortmöglichkeit ‚altro (specificare)‘ angeboten, die aber voraussichtlich wenige nutzen werden.
Die dritte Frage behandelt die sprachliche Umsetzung der nap.Wiki. Dabei soll herausgefunden werden, inwieweit eine Akzeptanz der Sprechergemeinschaft besteht und inwieweit der präsentierte Standard als authentisch empfunden wird.
In der vierten Frage soll überprüft werden, ob die/der Befragte die Wikipedia aktiv nutzen bzw. auch selbst mitgestalten und bearbeiten würde. Die Konzeption dieser Frage war insofern schwierig, als dass man bei den meisten Umfrageteilnehmern nicht von einer genauen Kenntniss der Struktur und Funktionsweise der neapolitanischen Wikipedia ausgehen konnte.
In den Fragen 5-8 werden schließlich statistische Daten wie der Wohnort, der Heimatort sowie das Geschlecht der Teilnehmer/innen ermittelt. Insgesamt haben 28 Teilnehmer/innen im Zeitraum von knapp drei Wochen an der Umfrage teilgenommen.
5.2. Ergebnisse
Betrachtet man die Ergebnisse der Umfrage, fällt zunächst auf, dass nur wenige Teilnehmer überhaupt von der Existenz einer neapolitanischen Variante der Wikipedia wussten. Lediglich 18 % geben an, diese Plattform bereits vor der Umfrage gekannt zu haben.
Die bedeutende Mehrheit der Teilnehmer steht der prinzipiellen Idee einer solchen Wikipedia aber durchaus positiv gegenüber. 96 % der Befragten halten eine neapolitanische Wikipedia grundsätzlich für eine gute Idee, um den Dialekt zu bewahren.
Nur eine Befragte hält diese Maßnahme für keine gute Idee. Sie kommentiert ihre Antwort wie folgt: „A che servirebbe? solo ai napoletani. Capisco che il dialetto è tradizione ma non per tutti il suo uso spropositato è motivo di orgoglio o di vanto. Molti la vedono come ignoranza, cioè che si ricorre al dialetto perché non si sa parlare la lingua attuale cioè l’italiano. Molti anche considerano il dialetto una lingua per persone di basso rango e/o grezze.“
Anders als die anderen Umfrageteilnehmer sieht die Befragte einen weiteren Ausbau des Napoletano nicht als erstrebenswert an. Sie ist der Meinung, dieser Dialekt werde aufgrund des ausgeprägten Sprecherbewusstseins bereits in übertriebener Weise gebraucht. Die Befragte stammt aus der Provinz Bari in der Region Apulien. Es wäre daher durchaus möglich, dass ein Teil der gezeigten Ablehnung gegenüber dem Napoletano daher rührt, dass Apulien als benachbarte Region häufig fälschlicherweise zum neapolitanischen Sprachraum gezählt wird. Damit wären die Sprecher beider Idiome aber wohl nicht einverstanden. Ein gewisser Inferioritätskomplex, wie er von Lüdtke 1956, 126 beschrieben wird, könnte hier einen Einfluss haben. Mit Ausnahme dieser Anwort sind allerdings alle Befragten der Meinung, die dialektale Wikipedia sei eine sinnvolle Maßnahme, um das Neapolitanische zu schützen.
Während die Teilnehmer die prinzipielle Idee der Wikipedia sehr positiv bewerten, ist dies für die sprachliche Umsetzung nur bedingt der Fall. 21 % der Teilnehmer/innen sind der Meinung, der Dialekt werde auf authentische Weise repräsentiert. Fünf Teilnehmer geben an, sie können dies aufgrund mangelnder Dialektkenntnisse nicht beurteilen („non so“, „Non capisco così bene il napoletano come per saperlo“, „non saprei, non sono napoletana“). Der Großteil, nämlich 46 % der Befragten wählten die Antwort „Buona parte della lingua napoletana è rappresentata in modo autentico“.
Lediglich 14 % Prozent der Teilnehmer glauben, dass der präsentierte Dialekt nicht authentisch ist. Dieses Ergebnis ist zum einen in Anbetracht der weiter oben beschriebenen Beiträge im Circulo überraschend, in denen Dialektsprecher die sprachliche Gestaltung als vollkommen misslungen und unauthentisch beschrieben haben. Zum anderen überrascht auch vor dem Hintergrund der ungenügenden Definition von Standards die geringe Anzahl derer, die eine vollkommen ablehnende Haltung zeigen. Es ist möglich, dass viele Teilnehmer der Umfrage die mittlere Antwort gewählt haben, weil sie einen Kompromiss darstellt.
Betrachtet man nun die vierte Frage zur Bereitschaft der Nutzung bzw. Mitgestaltung der nap.Wiki, so zeigt sich eine deutliche Bereitschaft, aktiv an der Plattform mitzuwirken.
42 % der Befragten wären bereit, selbst einen Artikel zu schreiben. Ebenso geben 42 % der Teilnehmer an, sie würden Beiträge im Forum verfassen. Der Anteil von Personen, die geantwortet haben, dass sie die Wikipedia selbst nutzen würden, erscheint mit 23 % Prozent vergleichsweise gering. Es ist überraschend, dass keiner der Befragten mehrere der Antwortoptionen gewählt hat, obwohl dies durch die Antwortmöglichkeiten in der Umfrage möglich gewesen wäre. Zwei Teilnehmer haben diese Frage sogar übersprungen, ohne sie zu beantworten. Wahrscheinlich hätte es in diesem Zusammenhang geholfen, bei der Konzeption der Umfrage die Teilnehmer direkt in der Fragestellung noch einmal explizit darauf hinzuweisen, dass sie mehr als eine Antwort wählen können. Da diese Frage die einzige war, bei der die Nutzer die Möglichkeit hatten, mehr als eine Antwort zu geben, wäre solch ein Hinweis wohl sinnvoll gewesen. Eine andere mögliche Ursache für dieses Ergebnis ist, dass der Informationsgehalt der Artikel nicht ausreicht. Besonders im Vergleich mit der Standardversion kommen dem Nutzer nur ein Bruchteil der Informationen zu, wenn er sich für die dialektale Version entscheidet. Für den Zweck der Informationsbeschaffung, dem eine Enzyklopädie wie Wikipedia dient, erscheint es daher verständlich, dass die Nutzer die Version vorziehen, die ihnen Wissen in größerem Umfang zur Verfügung stellt.
Die letzten drei Fragen geben nähere Informationen zur Teilnehmergruppe der Umfrage. Dabei wurde zunächst ermittelt, wo die Personen derzeit leben.
Der Anteil von Personen, die derzeit in Neapel oder der direkten Umgebung wohnen, liegt bei unter 11 %. Weitere 11 % geben an, in Kampanien zu leben. 39 % der Befragten leben in einer anderen Region Italiens. 39 % wählten die Antwortoption ‚altro’. Es ist davon auszugehen, dass es sich bei einem Großteil der Personen dieser letzten Kategorie um Personen aus Neapel handelt, die derzeit in Deutschland oder anderswo im Ausland leben. Dies ließe sich durch die Auswahl der Facebookgruppen erklären, in denen der Umfragelink gepostet wurde (z.B. “, „Nustalgia e Napul’“ und „Napoletani in Germania“). Es kann allerdings dennoch davon ausgegangen werden, dass es sich bei diesen Personen um Sprecher des Dialektes handelt, die diesen auch pflegen, da sie in solchen Gruppen aktiv sind und diese zu einem großen Teil in Dialekt kommunizieren.
Anschließend wurde gefragt, aus welchem Ort die Teilnehmer ursprünglich stammen.
Zwölf Teilnehmer/innen geben als ursprünglichen Herkunftsort Neapel bzw. das nahe Umland an (u.a. Caserta, Pomigliano D’Arco, Ercolano etc.). Neun Teilnehmer/innen kommen ursprünglich aus Apulien, der Großteil davon aus Bari. Ein/e weitere/r Befragte/r kommt aus Palermo. Drei Teilnehmer/innen kommen aus München, ein/e weitere/r aus Spanien.
48 % der befragten Personen geben an, weiblich zu sein, 48 % männlich. Ein/e Befragte/r hat die Option ‚altro’ gewählt.
Insgesamt lassen sich nach Durchführung der Umfrage die folgenden Ergebnisse festhalten:
- Nur sehr wenigen Personen war die Wikipedia bereits bekannt.
- Fast alle Umfrageteilnehmer stehen der prinzipiellen Idee der Dialektwikipedia allerdings sehr positiv gegenüber.
- Der Großteil der Befragten halten den präsentierten Dialektstandard mit Einschränkungen für repräsentativ und nur ein kleiner Prozentteil stimmt dem nicht zu.
- Nur ein vergleichsweise geringer Anteil der Befragten gibt an, dass er die neapolitanische Version der Wikipedia auch tatsächlich selbst nutzen würde. Im Vergleich dazu sind es deutlich mehr Befragte, die selbst einen Artikel oder eine Beitrag im Forum schreiben würden.
- Insgesamt lässt sich die befragte Teilnehmergruppe aufgrund der statistischen Gegebenheiten wie Herkunftsort und Geschlecht als repräsentativ werten.
6. Fazit
Im Verlauf der Arbeit wurde deutlich, dass die prinzipielle Idee einer dialektalen Wikipedia enorm vielversprechend ist. Es werden die Vorteile der digitalen Medien zugunsten eines Sprachausbaus eingesetzt, indem der Dialekt in einen reellen Gebrauchskontext gestellt wird. Die dialektale Wikipedia kann zudem eine eigene Gemeinschaft darstellen, in der diejenigen Sprecher, die sonst nicht die Möglichkeit hätten, ihren Dialekt zu verwenden, diesen in einem neuen Zusammenhang benutzen können. Auch entsteht so die Möglichkeit, das bisweilen altmodische Image der Dialekte zu modernisieren. Die Bewertung der Chancen und Risiken der neuen Medien hat ergeben, dass eine Standardisierung des Dialektes einen grundlegenden Schritt in einem internetbasierten Ausbauversuch darstellt. Wie sich aber im Verlauf der Arbeit gezeigt hat, ist die Umsetzung einer solche Standardisierung problematisch. In der praktischen Analyse der Wikipedia wurde deutlich, dass die nap.Wiki nur einen bedingten Anspruch auf Standardisierung stellt, dessen Überprüfung schwierig ist. Insbesondere die zugrundegelegte Definition des Napoletano als Überbegriff für alle süditalienischen Dialekte, stellt für einen einheitlichen Sprachausbauversuch ein enormes Problem dar. Dies wurde auch anhand gezeigter Nutzerreaktionen ersichtlich, die mit dem präsentierten Standard nicht einverstanden sind. Es wurde zudem deutlich, dass man bei der neapolitanischen Wikipedia aufgrund ihrer mangelhaften Vitalität derzeit nicht von einem tatsächlichen Gebrauchskontext ausgehen kann.
Die Reaktionen der Sprechergemeinschaft sind insgesamt positiv ausgefallen. Die Umfrage hat ergeben, dass die neapolitanische Wikipedia zwar nur wenigen bereits bekannt war, deren prinzipielle Idee aber sehr positiv bewertet wird. Der repräsentierte Dialektstandard wurde für großteils authentisch befunden, was in Anbetracht der vorher gezeigten Nutzerreaktionen im Forum überraschend ist. Zudem zeigt sich bei den Nutzer/innen in der Umfrage eine deutliche Bereitschaft, auch selbst aktiv an der Plattform mitzuwirken.
Insgesamt entsteht bei der neapolitanischen Wikipedia an vielen Stellen der Eindruck eines Work-In-Progress. Es ist allerdings fraglich, inwieweit momentan wirklich von einer bedeutenden Nutzermenge daran gearbeitet wird. Zum derzeitigen Stand handelt es sich zwar um ein vielversprechendes Projekt, von einem tatsächlich erfolgreichen Ausbauversuch kann allerdings noch nicht die Rede sein. Die Ergebnisse der Umfrage zeigen aber eine hohe Akzeptanz und Teilnahmebereitschaft von Seite der Nutzer, also ideale Voraussetzungen um einen Ausbau durch die Wikipedia weiter voranzutreiben.
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