Stilistische und sozio-indexikalische Funktionen von Argot in französischen Rapsongs
1. Einleitung
Die französische Sprache besteht ebenso wie viele andere Sprachen aus unterschiedlichen Varietäten. Trotz der strengen Sprachpolitik Frankreichs drängen zahlreiche Neuigkeiten ins Französische, die von heutigen Generation relativ stark unterstützt werden. Diese sprachlichen Veränderungen werden außerdem durch die Massenmedien, bestimmte gesellschaftliche Ereignisse und offene Grenzen vorangetrieben. Deswegen bleibt das Problem der Varietäten in Frankreich bis heute im Zentrum des Interesses der Sprachwissenschaftler. Der Argot gilt in der französischen Sprache als einer der Aspekte, der entweder kritisch gesehen oder einfach vernachlässigt wird, wie es im 19. Jahrhundert der Fall war. Die Argotforschung hat lange Zeit eine gewisse Außenseiterrolle gespielt, weil diese wenige interessiert hat und als nicht relevant angesehen wurde. Die Sprache entwickelt sich aber rasant und passt sich an die heutige Realität an. Das Streben bestimmter gesellschaftlicher Gruppen in ihrem sprachlichen Gebrauch einzigartig zu sein, hat dazu geführt, dass sich sogenannte Geheimsprachen, Gruppensprachen und Slang herausgebildet haben. Der französische Argot wird in vielen Aspekten unseres Lebens verwendet. Interessant ist, dass viele es einfach nicht merken. Genau dieser Punkt hat meine Aufmerksamkeit gewonnen und war einer der Gründe, warum die Betrachtung des Argot als einer Form der französischen Umgangssprache zum Ausgangspunkt und zu einem der zentralen Gegenstände dieser Arbeit geworden ist. Darüber hinaus soll das Augenmerk darauf gelegt werden, dass der Argot und der französische Rap in einer besonderen Beziehung stehen. Dieses provokative Musikgenre wurde in der neuen Geschichte von Frankreich zu einem weltbekannten Phänomen in der Musikindustrie. Die französischen Rapper haben durch ihre besondere Art und Weise zu rappen und bestimmte Themen zu behandeln eine wichtige Rolle bei der Gestaltung der französischen Jugendsprache gespielt. Es ist vielleicht schwer zu begreifen, aber der Rap ist eine echte Schatzkammer für die sprachwissenschaftliche Forschung in Bezug auf Argot. Der Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit liegt ausdrücklich darauf, welche stilistische und sozio-indexikalische Funktionen der Argot in französischen Rapsongs spielt.
Spricht man über Argot, wird oft Verlan als Synonym verwendet. Der Verlan ist eine der häufigsten Sprachformen, die im französischen Rap zu treffen ist. Um diese Aussage bestätigen zu können, wurde der Verlan ebenfalls einer eigenen Untersuchung gezogen. Für viele bleibt der Verlan eine unverständliche Forme des Französischen, sodass es für wichtig befunden wurde, sich damit zu befassen, um eine Klarheit in der Verbindung zwischen Argot und Verlan zu erschaffen. Dadurch ist ein Dreieck entstanden, in dem Argot als erste und der Verlan als zweite theoretische Grundlage dienen, die im Rahmen der französischen Raptexte analysiert werden.
Die Ausgangshypothese dieser Arbeit ist damit verbunden, dass ein Zusammenhang zwischen der Thematisierung von Aggressivität und Gewalt und dem Argot besteht. Zu vermuten ist, dass der französische Rap durch Verwendung von Argot als Aggressivitätsquelle bezeichnet werden kann. In Bezug auf den Verlan wird davon ausgegangen, dass er in den französischen Raptexten eine expressive Rolle einnimmt und dadurch ermöglicht, eine breite Palette an Themen anzusprechen.
Folgende Hypothesen werden im Laufe der Arbeit untersucht: Dadurch, dass der Rap allgemein als aggressiv, abwertend und rebellisch bezeichnet wird, wurde entschieden, darüber zu diskutieren, ob der französische Rap Gewalt als Hauptthema impliziert und durch Verwendung von Argot gewalttätige Ausdrücke in seinen Texten versprachlicht. Der Rap ist keine in Frankreich entstandene Musikrichtung, deswegen wird vermutet, dass eine im Vergleich zu andere Formen von Argot hohe Anzahl von Anglizismen in den französischen Raptexten verwendet wird. Die weitere Erforschung erfolgt in Bezug auf Verlan. Es soll festgestellt werden, ob sich die französischen Rapsongs durch einen sehr hohen Anteil an verlanisierten Wörtern kennzeichnen und ob diese als abwertend und aggressiv in den Texten konnotiert werden. Am Ende soll darüber diskutiert werden, ob bestimmte feste Regel und Voraussetzungen gibt, die ein Wort zum Verlan machen können.
Im ersten Kapitel der vorliegenden exemplarischen Analyse sollen die theoretischen Grundlagen zu Argot und Verlan dargestellt werden. Dieses Kapitel wird in zwei theoretische Blöcke geteilt. Der eine wird dem Argot und der andere dem Verlan gewidmet. Als problematisch erweist sich die Definition der beiden zentralen Begriffe. Aus diesem Grund wird zuerst ein Definitionsüberblick zusammen mit den relevantesten Aspekten der Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte des Argot und des Verlan dargestellt. Der Argot-Übersicht widmet sich anschließend seinen funktionalen Kategorien und Funktionen. Im zweiten theoretischen Block wird über die sogenannten Codierungsregeln des Verlan gesprochen. Im folgenden Kapitel soll ebenfalls über soziale und gesellschaftliche Hintergründe diskutiert werden, die dazu beigetragen haben, dass Argot und Verlan an Popularität in der französischen Gesellschaft bzw. unter den Jugendlichen gewonnen haben und zum Gegenstand der Varietätenforschung geworden sind. Im Anschluss daran wird ein kurzer Überblick über die Rap-Theorie präsentiert. In dem Teil wird ein Ausblick darauf gegeben, was Rap genau bedeutet und was seinen Aufschwung in Frankreich gefördert hat. Daran schließt sich die Diskussion über den Stellenwert von Aggressivität und Gewalt in Raptexten. Um das Kapitel abzuschließen, werden sprachliche Besonderheiten des französischen Rap angesprochen. Der aktuelle Forschungsstand soll den Übergang von dem theoretischen Teil der Arbeit zum Methodenteil bilden, in dem die zentralen Fragestellungen und gestellte Hypothesen ausformuliert werden und in dem erklärt wird, welche Raptexte die Basis dieser Korpusanalyse gebildet haben und wie dabei vorgegangen wurde. Im Fokus des letzten Kapitels stehen die Darstellung und die Interpretation der gewonnenen Ergebnisse. Diese werden auch in zwei Blöcken behandelt: zuerst werden die Ergebnisse in Bezug auf Argot und seine Funktionen in den Raptexten diskutiert und als letztes werden die Befunde in Bezug auf Verlan betrachtet. Im Fazit werden die wichtigsten Punkte und Ergebnisse dieser Arbeit angesprochen und zusammengefasst. Es soll abschließend ein wissenschaftlicher Ausblick für eine weitere Forschung gegeben werden.
Damit positioniert sich die vorliegende Arbeit im Forschungsbereich Varietätenlinguistik bzw. Argot als eine exemplarische Analyse der französischen Rapsongs und erstrebt mit ihrem theoretischen Hintergrund sowie mit dem methodischen Ansatz eine Forschungslücke in Bezug auf die Rolle des Argot in Rap zu füllen und weitere mögliche Forschungsaussichten in der Schlussfolgerung aufzuzeigen.
2. Theoretische Grundlagen der Analyse
2.1. Was ist Argot?
Unsere Existenz hängt zu großen Teilen von der Kommunikation ab. Ohne zu kommunizieren können keine Kontakte aufgenommen und erhalten werden, keine Kompromisse und Optionen diskutiert und keine Kooperation zwischen Menschen gestaltet werden. Kommunikation funktioniert nicht ohne Sprache. Gleichzeitig existieren keine feste Standardregeln für Kommunikation. Natürlich wissen die meisten Menschen, wie eine höfliche Diskussion gestaltet werden sollte, trotzdem gibt es nicht den einen richtigen Kommunikationsrahmen für alle Situationen. Oft spielen gesellschaftliche Merkmale wie Herkunft, Bildung und Milieu eine wichtige Rolle, die ihre eigenen Regeln für eine erfolgreiche Kommunikation stellen. Dies gilt insbesondere für die französische Sprache.
Der Varietätenraum der französischen Sprache ist sehr breit. Es existieren wenige romanische Sprachen, die so viele Varietäten wie das Französische haben. Nach Coseriu (Coseriu 1988, 280) besteht jede historische Sprache aus drei unterschiedlichen Varietäten: diatopische Varietäten konzentrieren sich hauptsächlich auf den geographischen Unterschieden einer Sprache, während die diastratischen Unterschiede schichtenspezifische Besonderheiten und Merkmale in den Vordergrund stellen; letztendlich befassen sich die diaphasischen Varietäten mit situationsbedingten Ausdrucksweisen bzw. mit den Sprachstilen. Alle diese Aspekte können auf die französische Sprache bezogen werden. Das ist der Grund, warum Argot eine relevante Rolle im Französischen spielt. In vielen Quellen zum Thema Argot wird hervorgehoben, dass der Argot keine Sprache, sondern eine Lexik ist. Im Folgenden möchte ich deswegen auf diesen Aspekt näher eingehen und den Begriff verdeutlichen. Außerdem wird über die funktionale Kategorien gesprochen, die ein bestimmtes Wort zu einem Argot-Wort machen können. Dieses Kapitel soll erklären, was der Argot bedeutet und welche Aspekte dieses sprachlichen Stils des Französischen von Bedeutung sind.
2.1.1. Definitionsüberblick
Wenn wir über Argot sprechen, meinen wir damit in erster Linie standardmäßig die Bezeichnung für einen historischen Soziolekt des Französischen. Gemäß des Wörterbuchs Le Grand Robert wird dieser folgendermaßen definiert: „usage langagier propre à un milieu de malfaiteurs, destiné à l’origine à garantir la discrétion des échanges, et comprenant, soit un lexique particulier, soit des procédés traitant les mots connus de tous“ (Robert 2008). Dass der französische Argot die Geheimsprache von Bettlern und Gaunern war, ist eine Deutung, die bei dem Definieren des Begriffs am häufigsten in Betracht gezogen wird, denn diese abwertende Konnotation des Argot ist bis heute präsent in der Einstellung der Leute in der Frankophonie. Diese Definition geht auf das 17. Jahrhundert zurück und wird heutzutage oft als umstritten gesehen. Die französische Linguistin und Romanistin Denise Françoise, die in den 1980-er Jahren das Centre d’Argologie gegründet hat, war der Meinung, dass man sich von dieser Definition des trennen muss, „car elle ne recouvre pas la multiplicité des formes que celui-ci (argot) a pu prendre au cours des siècles. On constate, en effet, que ces formes se développent dans toutes les communautés qui […] cherchent à affirmer la solidarité de leurs membres ou […] la connivence des initiés“ (François 1975, 5). Durch Verwendung von Argot in den literarischen Werken wurde dieser im Laufe des 19. Jahrhunderts popularisiert. Die neue Generation von jungen Immigranten in den 1980-er Jahren und die Bildung von „argot des jeunes de banlieues“ hat dem französischen Argot ein neues Leben gegeben. Dieser Punkt wird im Weiteren näher behandelt. Interessant wäre eine weitere Definition des Begriffs näher zu betrachten. Le Grand dictionnaire, Linguistique et Sciences du langage definiert den Argot als „sozialen Dialekt“, „système de signes et de règles syntaxiques utilisé dans un groupe social donné ou par référence à ce groupe“ (Dubois 2007, 48). Die Soziolinguistik bzw. der Begriff Soziolekt ist in dem Fall von großer Bedeutung und wird als „la variété de langue parlée par une communauté, un groupe socio-culturel […] ou une classe d’âge“ (Bavoux 1997, 265) betrachtet. Wie man merkt, ist der Argot eng mit der sozialen Entwicklungen verbunden und wird zum wichtigen Untersuchungsgegenstand der Soziolinguistik, weil genau die sozialen Bedingungen bestimmter Gruppen ihren sprachlichen Gebrauch bewirken. Deswegen muss die Argot-Lexik im Zusammenhang mit der sozialen Situation der Sprecher untersucht werden.
Der Argot-Begriff ist relativ komplex. Man stößt beim Definieren auf unterschiedliche Deutungen. In der Sprachwissenschaft existieren zwei Argotvorstellungen : Einerseits befasst man sich mit dem Argot als einem Teil der français populaire, der überregional auftritt; andererseits wird unter Argot eine historisch gewachsene „Gruppensprache derer, die nach Beruf, sozialem Status, Sitte, Moral oder Gesetz am Rand der Gesellschaft leben“ (Müller 1975, 161), verstanden. Sieht man vom Argot als reiner langue des malfaiteurs ab, so ist er als ein Vokabular zu verstehen, das sprachhistorisch von gesellschaftlichen Randgruppen in die Massen als feste Sprachform angenommen wurde und im heutigen Französischen als sozial niedrigste Varietät im français populaire markiert wird (Radtke 1982, 162). Wenn diese Definitionsrichtung erweitert werden darf, kann hinzugefügt werden, dass der Argot einen bestimmten Fach- und Sonderwortschatz darstellt, die nur in kleineren Gruppen verwendet wird. Will man sich also mit dem Argot befassen, muss man primär mit Wortschatzforschung arbeiten, vor allem weil „der Argot keine Sprache an sich ist, sondern ausschließlich durch lexikalische Charakteristika beschrieben werden kann“ (Radtke 1982, 151).
Außerdem ist es wichtig, die Bemerkung von Edgar Radtke zu erwähnen, dass der Argot und die Volkssprache aus sprachhistorischer Sicht wenige Gemeinsamkeiten und Berührungspunkte aufweisen (Radtke 1982, 162). Dadurch, dass die Dialekte im Französischen bei der Entwicklung der Sprache ihre wichtige Rolle verloren haben, dient der Argot in der Volkssprache als expressive Quelle und verankert sich hauptsächlich in den Vororten von Großstädten, wo die Bevölkerung mehr zur starker Expressivität neigt, während die Dialekte ausschließlich an das geographische Prinzip angelehnt sind. „Kein anderes Land in der Romania hat seine Dialekte so konsequent in den Regionalsprachen ausgehen lassen und kann gleichzeitig auf eine massive Expandierung des Argot in die Umgangssprache verweisen wie Frankreich“ (Radtke 1982, 162).
Jean-Pierre Gaudaillier befasst sich hauptsächlich mit dem französischen Argot und betont, dass jede Gesellschaft mit bestimmten Normen, Regeln und Tabus konfrontiert wird, die der Mehrheit in erster Linie durch Sprache vermittelt werden (Goudaillier 2002, 2). Er vertritt die Meinung, dass es unvorstellbar ist, dass der Mensch oder eine Gruppe von Menschen nicht versuchen, diese Regeln durch ihren besonderen sprachlichen Gebrauch zu umgehen. Die Präsenz des Argot im Französischen lässt sich einerseits dadurch erklären, dass die Teilung der Gesellschaft in Frankreich in Arme und Reiche immer vorhanden und sehr auffällig war. Die Angehörigen der königlichen Familie hätten Sprache nie auf dieselbe Art und Weise verwendet, wie beispielsweise die Einwohner der ärmsten Viertel. Deswegen ist es offensichtlich, dass sich der Argot in der französischen Gesellschaft herausgebildet und sich im Laufe der Sprachgeschichte verstärkt hat.
Die Pariser Banlieue können als heutiges Symbol des sprachlichen Widerstandes in Frankreich bezeichnet werden. Die Sprachwissenschaftler unterstreichen, dass die Einwohner von „quartier défavorisés“ oder, anders gesagt, von armen Vierteln seit langer Zeit eine besondere Form der französischen Sprache verwenden, die manche als „mots des racaille“ bezeichnen. Die Bezeichnung „les racailles“ ist eine in der französischen Gesellschaft tief verankerte und aktiv verwendete Bezeichnung der Jugendlichen aus den Banlieues. Diese Bezeichnung steht vor allem für die Sprechweise und den Kleidungsstil nach amerikanischem Gangsta-Vorbild. Zur Verbreitung dieses Begriffes hat der ehemalige französische Präsident Nicolas Sarkozy beigetragen, weil er dieses Wort regelmäßig in seinen Auftritten und Kommentaren gegen Unruhen in Paris in 2015 verwendet hat. Diese Variätet des Französischen ist nichts anderes als „argot des cités“ oder „argot de banlieue„, die Gaudaillier wie „la manifestation contemporaine la plus importante d’une variété de français, qui au cours des dernières décennies […] a perdu tout d’abord son caractère rural, par la suite toute indexation ouvrière, […], pour devenir le mode d’expression de groupes sociaux insérés dans un processus d’urbanisation“ bezeichnet (Goudaillier 2002, 6). Diese Sprecher leiden unter schweren Lebensbedingungen und finanziellen Schwierigkeiten und bringen ihre Probleme und Ängste durch besondere Sprechweise zum Ausdruck und greifen deswegen zum Argot.
Will man den Überblick der Sprachebenen des Französischen erstellen, muss hervorgehoben werden, dass der Argot bzw. français argotique den niedrigsten Rang besetzt:
- français standard
- français courant
- français familier
- français populaire
- argot
Dieser Definitionsüberblick muss sich noch einem weiteren Aspekt widmen. Die oben erwähnten Punkte beziehen sich auf argot sociologique, d. h. auf Argot von bestimmten kleineren Gruppen mit kriminellem oder schwierigem sozialen Hintergrund. Le Petit Robert stellt in diesem Zusammenhang zwei unterschiedliche Erklärungen bzw. Interpretationen des Argot dar: einerseits ist er mit der Sprache der Bettler und Kriminellen verbunden; andererseits aber ist Argot „langage particulier à une profession, à un groupe de personnes, à un milieu fermé“ (Robert 2008). Die argot de metiers müssen bei diesem Thema deswegen ebenfalls erklärt werden. Hier werden solche Begriffe wie Argot und Jargon oft als Synonyme verwendet. Ist das richtig? Auf der einen Seite verkörpern die beiden einen sozialen Kommunikationsprozess innerhalb einer Gruppe (Sourdot 2011, 14). Es bestehen aber grundlegende Unterschiede zwischen diesen zwei Begriffen. Jargon ist in einem beruflichen bzw. professionellen Milieu essentiell und ist von Beruf zu Beruf unterschiedlich. Nur die Spezialisten dieser Berufsgruppe im bestimmten Kontext verstehen, was genau gemeint ist. Außerdem erfüllt Jargon eine „fonction économique„, da er dazu beiträgt, das Gespräch abzukürzen bzw. beschleunigen, was im Falle der Argot eher nicht der Fall ist. Dadurch werden viele Wörter des Standartfranzösischen verkürzt und das Vokabular erweitert.
2.1.2. Funktionale Kategorien von Argot
Nachdem der Argot-Begriff erklärt und die Idee dargestellt wurden, dass er keine Sprache ist, sondern sich hauptsächlich auf die Lexik bezieht, ist es Zeit darüber zu sprechen, wie Argot in der Sprache bzw. in Texten zum Ausdruck gebracht wird. Der Argot ist ein Mittel der Expressivität und Affektivität bei seinen Sprechern. Diese Analyse orientiert sich in erster Linie an der Klassifikation von Jean-Pierre Goudaillier (Goudaillier 1997, 17-18), der von zwei Verfahren spricht, die im Französischen ein Wort zu einem Argot machen. Procédés semantique beziehen sich hauptsächlich auf l’emprunt bzw. die Entlehnung aus anderen Sprachen oder aus dem Sprachgebrauch einer anderen Person, der Metapher und der Metonymie, und außerdem aus dem vieil argot français stammender Wörter. Procédés formels bzw. formels de création lexical befassen sich mit Verlan, mit der Wortverkürzung bzw. troncation, die sich in apocope und aphérèse unterteilt, sowie der resufixation. Es ist bemerkenswert, dass ein und dasselbe Wort durch mehrere Verfahren verändert werden kann.
Die Entlehnungen bzw. emprunt stammen aus allen möglichen Sprachen der Einwanderergemeinschaft. Das erklärt die große Anzahl von Arabismen (heps – prison, maboul – fou, soua – femme), Afrikanismen (go – fille), Anglizismen (biatch – bitch, prostituée, cash – argent, dealer – revendeur de drogue, flipper – avoir peur) oder regionale Spezifitäten wie im Norden und Süden Frankreichs (blème – problème, mia – beau gars, gadji – fille, femme au Sude de la France). Das Wörterbuch Argot & français populaire unterscheidet außerdem sources étrangères wie mec – chef, homme (arg. ital.), sources provinciales wie gueuler– crier, chanter (sources technique) und wie trimer – cheminer, travailler et ancien français. Die Metapher wird in dem semantischen Verfahren der Argot-Lexik sehr beliebt und weit verbreitet. In diesem Fall ist der Kontext von sehr großer Bedeutung, weil die Interpretation des metaphorischen Wortes ohne den Kontext nicht möglich ist. Diese metaphorische Bedeutung ist oft in einem Argot-Wörterbuch codifiziert. Zum Beispiel, können in einem französischen Raptext die Polizisten wie arhnouch, die Brust einer Frau wie ananas, eine Frau wie souris bezeichnet werden.
Die Metonymie ist ebenfalls sehr beliebt unter den Argot-Sprechern. Sie ist eine rhetorische Stilfigur, bei der ein sprachlicher Ausdruck nicht in seiner eigentlichen wörtlichen Bedeutung, sondern in einem übertragenen Sinn gebraucht wird: wie bleu (policier, flic), populace (peuple), casquette (contrôlleur) u. a.
Ob ein Wort als vieil argot français gilt, soll einem Wörterbuch entnommen werden: caisse (voiture), daron (père), sape (vêtement), taf (travail), tune (argent). Oft bilden diese Wörter die Basis für verlanisierte Wörter.
Laut der Theorie bildet troncation oder die Wortverkürzung nach Verlan die zweitgrößte Gruppe der lexikalischen Verfahren in Argot. Zwei Aspekte der Wortbildung, apocope und aphérèse, bereichern die argotische Lexik durch Bildung von neuen Wörtern. Eine Apokope bedeutet den Wegfall der Sprachlaute am Wortende: dèg (dégoutânt), biz (business), téç téci – Verlan von, während als Aphärese in der Sprachwissenschaft die Tilgung eines Lautes oder einer Silbe am Wortanfang bezeichnet wird: blème (problème), caille (racaille), rien (algérien), zik (musique). Meist wird am Beginn eines Wortes ein Vokal, ein Diphthong oder eine ganze Silbe weggelassen. Eine weitere Möglichkeit der Bildung eines Argot-Wortes bildet redoublement hypocoristique après aphérèse. Diese Methode erinnert an die Sprache eines Kindes, wenn es die Silben eines Wortes wiederholt, so dass dadurch ein neues Wort entsteht. Im Argot können solche Fälle getroffen werden wie dicdic (indicateur de police), fanfan (enfant), ziczic (musique), zonzon (prison).
Die Resufixation stellt ein typisches Argotverfahren dar, wo neue Wörter durch solche Suffixe wie –asse– wie ‚conasse‘, –os– wie ‚crados‘, –ard– wie ‚conard‘, –ax– wie ‚bombax‘ etc. gebildet werden.
Der Verlan bildet die bedeutendste Gruppe des französischen Argot. Dadurch, dass die Begriffe bzw. Verlan und Argot oft als Synonyme verwendet werden, habe ich es für bedeutend gefunden, die Analyse ebenfalls auf Verlan alleine zu konzentrieren und nach seine Definitionen und Bildungsbesonderheiten zu suchen. Über das Verhältnis zwischen Argot und Verlan wird ebenfalls diskutiert. Im Anschluss an dieses Unterkapitel werden die relevantesten Aspekte zum Thema Verlan behandelt.
2.1.3. Funktionen von Argot
Nach der Erklärung des Argot und seiner funktionalen Kategorien, wäre es interessant zu überlegen, welche Funktionen Argot im Sprachgebrauch spielt. Warum tendieren junge Leute dazu, sich mit Argot auszutauschen und dadurch besonders zu klingen? Eine der interessantesten Fragen bei diesem Thema besteht darin, in welchem Milieu der Argot am häufigsten verwendet wird. In der Regel wird davon ausgegangen, dass diese Lexik in erster Linie für die Einwohner der Banlieues mit Migrationshintergrund kennzeichnend ist. Eine klare Zusammenfassung der Orte, wo der Argot und auch der Verlan am meisten verwendet werden, hat Paul in seiner Arbeit dargestellt (Paul 1985, 38). Er geht von sechs Institutionen aus: die Schule bzw. collèges, das Gefängnis, die Kasernen, der öffentliche Verkehr, die Straße, das Ghetto. Es sind dabei solche Kategorien wie soziale Herkunft, sprachliche Kompetenz, Beruf, Ausbildung, Alter, Geschlecht und Beziehung mit der externen Welt von Bedeutung (Lefkowitz 1991, 59). Das soziale Leben und das Milieu, in dem man aufgewachsen ist, spielen eine entscheidende Rolle bei der Verwendung von Argot und seiner Kategorien, wie es aus den oben erwähnten Punkten zu entnehmen ist.
Zu den relevantesten Funktionen von Argot gehören die indentitäre, die ludische und die kryptische Funktionen. Die identitäre Funktion betont, dass die Sprache der Integration einer Person in die Gesellschaft dient. Das heißt, um sich mit anderen assoziieren zu können, muss man ihre Sprache beherrschen und mit diesen Leuten auf einer eigenen expressiven Welle sein. Außerdem vermittelt man durch seine Sprache seine eigene Identität. Der Argot hilft durch seinen expressiven Charakter und seinen breiten Raum an möglichen Ausdrucksweisen die Sehnsucht nach Eigenständigkeit und dem „anders sein“ zum Ausdruck zu bringen. Diese Funktion kann am Beispiel von Verlan besser erklärt werden. Der Verlan wird als ein natürliches Sprachverhalten empfunden, anders ausgedrückt, als ein zweites identitäres Sprachsystem (Kundegraber 2008, 32). Aus der Analyse von Befragungen, die Kundegraber in seiner Studie zum Verlan durchgeführt hat, konnte erschlossen werden, dass der Verlan als jugendsprachlicher Identitätscode (code d’identification) definiert wird. In seinen Überlegungen kommt Jean-Louis Calvet zu dem Fazit, dass der Verlan ursprünglich ganz bewusst kreiert wurde, um eine Differenz zu schaffen, und dass es eher um eine bewusste Abgrenzung gegenüber der Hauptsprache ging (Calvet 1994, 26-28).
Die ludische Funktion wird von vielen Sprachwissenschaftlern als grundlegende Funktion des Argot bezeichnet (Bachmann/Basier 1984, 172) und ist hauptsächlich mit einem Sprachspiel verbunden. Man muss sehr motiviert sein, um neue eigene Wörter zu gestalten, die wenige kennen und die einem von den Eltern nicht beigebracht wurden. Genau deswegen haben viele Schüler ihre eigene Art und Weise, um untereinander über Schule und Lehrer zu sprechen. Außerdem ist diese Funkion sehr oft in der Werbung zu treffen, wo das Sprachspiel die Aufmerksamkeit der Zuschauer oder Käufer aktiv gewinnt.
Die kryptische Funktion geht davon aus, dass etwas in der Ausdrucksweise und der Darstellung unklar und daraus schwer zu deuten ist, was große Schwierigkeiten beim Verstehen bereiten kann. Zum Beispiel, solche Verlan-Wörter wie meuf, teuf, keuf haben ihren kryptischen Charakter verloren, weil jeder sie kennt und weil diese jetzt sogar in den Wörterbüchern zu finden sind. Sie werden von allen verstanden und von vielen verwendet.
2.2. Verlan als Technik von Argot
Was ist Verlan? Diese Frage stellen sich viele Leute, die dieses Wort zum ersten Mal hören und keine Sprachwissenschaft studiert haben. Eine Silbenumstellung? Wozu dient diese Technik in einer Sprache? Was ist das Besondere bzw. Komplizierte daran? Diese Fragen stellen sich selbst französischsprachige Muttersprachler, sobald man fragt, ob sie etwas über den Verlan in der französischen Sprache wissen. Man hört ebenfalls folgende Meinungen: Es ist eine Form von Jugendsprache, bei der Silben umgestellt werden; der Verlan verunstaltet die französische Sprache und wird nur von den Racailles verwendet; das ist eine Methode, bei dem ein Wort verändert wird bzw. die Silben, die innerhalb eines Wortes wandern; es ist eine Kunst des Sprechers, eine neue Form eines bestimmten Wortes zu erstellen, ohne sich lange darüber Gedanken zu machen. In diesem Kapitel wird versucht, den Verlan von verschiedenen Seiten darzustellen und erklären, warum es schwierig ist, eine einheitliche Definition zu formulieren. Außerdem wird die Definition präsentiert, auf die sich diese Arbeit stützt. Von Relevanz ist ebenfalls die historische Entwicklung und die Entstehung dieses sprachlichen Phänomens, deswegen wird ein kurzer Überblick über die signifikantesten Punkten bei der Entstehung und der Entwicklung des Verlan beschrieben.
2.2.1. Historischer Überblick über die Entstehung von Verlan
Die Sprachwissenschaftler betonen, dass es relativ schwer ist das exakte Entstehungsdatum des Verlan zu definieren. Es ist aber sicher, dass dieses Sprachspiel im Französischen immer präsent war und mit der Zeit noch mehr Anhänger gewonnen hat, die diese besondere sprachliche Technik zunehmend schätzen und sie aktiv in den Sprachgebrauch aktiv einbeziehen. Die Anfangsgeschichte des Verlan geht bis ins Mittelalter zurück. In der Ausdrucksweise von dem französischen Schriftsteller und Gelehrten Furetière können die definitiven ersten Zeichen des Gebrauchs von Verlan beobachtet werden: “On dit, c’est verjus ou ju-vert pour dire c’est la même chose (Article Verjus, 1690)” (Furetière 1978). Im Werk “Dictionnaire des Argot” von Gaston Esnault (Esnault 1965) bezieht sich der Autor bei den Überlegungen über die mögliche Entstehung des Begriffs bereits auf das 16. Jahrhundert. Grund dafür sind historischen Auszüge aus den Quellen mit Beweisen, dass die königliche Familie Bourbons damals spöttisch als Les Bonbours bezeichnet wurde (Esnault 1965). Calvet nennt ein anderes Beispiel bzw. Sequinzoil (Calvet 1994): Dieser Verlan wurde in der zweiten Mitte des 18. Jahrhundert für die Bezeichnung von Louis XV. verwendet. Es besteht sogar eine Hypothese, dass der Nachname eines der einflussreichsten Philosophen und Schriftstellern Frankreichs Jean Marie-Arouet bzw. Voltaire mit sich eine verlanisierte Form darstellt: Airvault war die Bezeichnung eines kleinen Marktplatzes der Stadt Poitier, wo sich die Familienresidenz des Schriftstellers befand, was durch Silbendrehung Air-vault den Verlan Vaultair gegeben hat.
Zwischen dem 17. und 19. Jahrhundert kann man vor allem in den Werken von poetes libertins, die sich durch Themen der Sexualität kennzeichnen, weitere Spuren der vermehrten Verwendung des Verlan beobachten. In einem Brief „Lettre de la Hyène“ (1842) geschrieben von einem Sträfling im 19. Jahrhundert wird die Hafenstadt an der südfranzösischen Mittelmeerküste Toulon als Lontou verwendet. An dieser Stelle kann die Vermutung, dass der Verlan eine von der modernen Gesellschaft entwickelte sprachliche Technik ist, abgelehnt werden. Die oben genannten historische Ereignisse und Fakten beweisen, dass verlanisierte Wörter lange vor dem XX. Jahrhundert bekannt, präsent und aktiv verwendet worden sind. Es kann sogar darüber diskutiert werden, ob das XX. Jahrhundert als „boom-Epoche“ von dem Verlan bezeichnet werden sollte.
Lange Zeit ist der Verlan in Vergessenheit geraten und befand sich deshalb nicht im Mittelpunkt der Verwendung und der sprachwissenschaftlichen Forschung. Erst in den 50-er Jahren des XX. Jahrhunderts wurde der Begriff (à) l’envers wie [veʁlã], geschrieben wie vers-l’en von Esnault, verlen von Auguste le Breton und als verlan von den anderen Sprachwissenschaftlern benutzt. Es wird behauptet, dass der französische Schriftsteller und Lexikograf Auguste (Montfort) Le Breton (Le Breton 1953) zum ersten Mal zu der Zeit verlanisierte Wörter in seinem Roman „Du rififi chez les hommes“, erschienen im Jahr 1953, verwendet hat. „Verlen avec e comme envers et non verlan avec a comme ils l’écrivent tous… Le verlen, c’est nous qui l’avons crée avec Jeannot de Chapiteau, vers 1940-1941, le grand Toulousain, …“ (Le Breton 1953). Dieser Schriftsteller war außerdem dadurch interessant, dass er seinen Roman ausschließlich auf Argot geschrieben hat. Viele seiner Werke sind verfilmt worden und haben damit einen wichtigen Platz in der französischen Filmgeschichte erworben. Um das Verständnis des Textes für seine Leser zu erleichtern, hat Le Breton ein Wörterbuch mit Argot-Wortschatz aus seinem Roman vorgelegt. Viele seine Argot– bzw. Verlan-Wörter gelten heute als veraltet, bleiben aber expressiv und zitierfähig. Durch seine Bücher hat le Breton Argot bzw. Verlan zum Zentrum der Aufmerksamkeit der Sprachwissenschaft der Epoche gemacht und dadurch die Diskussion über dieses Phänomen gefördert.
Es ist deutlich, dass der Verlan in seiner Existenz bestimmte Wellen der Interesse erlebt hat. In den 1970-er Jahren hat das merkwürdige Sprachspiel durch die neue Genre in der Musik und der Kinematografie einen neuen Aufschwung bekommen, wobei Persönlichkeiten wie der Sänger Renaud Séchan und der Regisseur Claude Zizi deren Beitrag zum neuen Anstieg von Verlan geleistet haben (Kundegraber 2008, 22-23). Renaud Séchan belebte den Verlan mit seinem Lied „Laisse béton“ (in dem ein Verlan von dem Verb ‚tomber‘ ist) wieder und hat damit zu neuen Überlegungen in der Sprachwissenschaft beigetragen. Der Filmemacher und Szenarist Claude Zizi mit der Komödie über die Polizei „Les Ripoux“ und Josiane Balasko’s „Les Keufs“ machen das Publikum auf die Silbenumstellung in den Filmnamen aufmerksam. Claude Zizi verwandelt das Adjektiv zu einem Verlan ripoux und erschafft damit eine metaphorische Beschreibung von einem korrumpierten Polizisten, die sich in der französischen Gesellschaft verankert und bis heute in bestimmten Sozialgruppen aktiv verwendet wird. Die Verwendung von diesem Verlan in dem Filmtitel machte das Wort weltbekannt. Das Phänomen hat in der Öffentlichkeit und der Forschung mit dem Erscheinen des ersten wissenschaftlichen Artikels über die Problematik mit dem Verlan im Jahre 1984 unter dem Titel “Le Verlan: Argot d’école ou langue de keums” von Bachmann und Basier (Bachmann/Basier 1984) noch mehr an der Bedeutung gewonnen.
Durch die steigende Popularität von Hip-Hop auf den Pariser Straßen in den 1980-er Jahren nahm auch das Interesse der jungen Generation an der besonderen Ausdrucksweise zu. Die ersten französischen Rapper sprachen mit ihrer Musik und ihren Texten neue, aber immer noch kleinere Gruppe von Leuten an. In den 1990-er Jahren kann von einer ersten Verlan-Generation gesprochen werden, die sich mit den Liedern von der Rapgruppe NTM („Nique ta mere“) aus St. Denis, einem Vorort von Paris, identifizieren. Durch die besondere Wortstruktur in ihren Liedern zeigten die Sänger ihren Zorn und ihre Frustration über soziale Ungerechtigkeit und unterstreichen ihre soziale Herkunft. Viele junge Leute haben sich seitdem mit den Liedern dieser Rapgruppe identifiziert, wodurch sich die Verwendung von verlanisierten Wörtern in die Masse verbreitet hat.
Heutzutage stößt man relativ oft auf den Verlan: In der Musikindustrie ist der Verlan natürlich weit mehr verbreitet als im literarischen Milieu. Zahlreiche moderne Rap-Bands und einzelne Sänger greifen zu dieser sprachlichen Technik, um den Unterschied zu den anderen zu betonen und ihre Texte einzigartig zu machen. Das heißt aber nicht, dass der Verlan in anderen Bereichen unseres Lebens nicht präsent ist. In Frankreich greifen auch Politiker in ihren Reden ab und zu zum Verlan, um näher zu der jüngeren Generation zu gelangen, und geraten dabei aber selber in die Kritik. Diese Entwicklung hat dazu geführt, dass es notwendig wurde, den Verlan zu lexikalisieren, zu erklären und zu definieren.
2.2.2. Definitionsüberblick
Der Verlan gilt als eine Kodierungstechnik von Argot. Er ist ein Teil der Geheimsprache, in der hauptsächlich die Silben eines Wortes in umgekehrter Reihenfolge gesprochen werden. Es handelt sich um ein sprachliches Phänomen, dass in Paris entwickelt worden ist und zu deren Verbreitung unterschiedliche Faktoren wie Politik, soziale Realität und Medien beigetragen haben. Er wird außerdem als „language game”, „la langue des jeunes“, „français des cités“, „registre de français, un argot“, „la langue de racaille“ bezeichnet.
Heutzutage sind zahlreiche Definitionsmöglichkeiten des Verlan zu finden. Le Petit Robert definiert Verlan als „Argot conventionnel consistant à inverser les syllabes de certains mots (ex. laisse béton pour laisse tomber, féca (café), tromé (métro), ripou (pourri), et, avec altération, meuf pour femme)“ (Robert 2008). Im Dictionnaire de l’argot français et de ses origines interpretiert Jean-Paul Colin Verlan als „type de transformation verbale argotique consistant à inverser l’ordre des syllabes, parfois des phonèmes, parfois de segments plus longs, dans un mot“ (Colin/Mével 1999, 843). Sherzer versteht unter Verlan “a subcategory of speech play in the form of a play language involving syllables inversion, and varying in complexity according to the members of syllables in this word (l’envers – versl’en – verlan)” (Scherzer 1976, 19-36). Bachmann und Basier bezeichnen ihn als “jeux argotique” (Bachmann/Basier 1984, 171). Für Esnault ist Verlan “déformation orales des mots par l’inversion de leurs syllabes” (Esnault 1965, 633). Caradec geht ebenfalls von einem Sprachspiel aus und grenzt Verlan folgendermaßen ein: “jargon revenu á la mode, qui consiste à retourner le mot `a l’envers`, syllabe par syllabe”: brelica pour ´calibre´, chicha pour `haschisch´, laisse béton pour `laisse tomber`” (Cadarec 1977, 13). Das Sprachspiel Verlan wird von Guiraud als „code argotique“ definiert.
Die bisherigen Studien zum Verlan beschränken sich hauptsächlich auf dessen Entstehungsort, die Banlieue von Paris, und bezeichnen den Verlan als sprachliche Technik einer Unterschicht bzw. als Teil der französischen Jugendsprache. Die von Angela Kundegraber durchgeführte Untersuchung zur französischen Jugendsprache im Jahr 2007 ermöglicht der Forschung den Einblick in die Verbreitung des Verlan im Süden von Frankreich bzw. in Montpellier (Kundegraber 2008) zu erschaffen. Die zweijährige qualitative Feldforschung hat Veränderungen auf lexikalischer, morphologischer, syntaktischer und phonologischer Ebene beweisen können. Während der Studie hat die Forscherin ihre eigene Definition des Verlan entwickelt, weil es, ihrer Meinung nach, in der sprachwissenschaftlicher Forschung keine einheitliche Definition des Begriffes vorhanden ist, sondern nur ein Aspekt dieses Phänomens hervorgehoben wird. Sie ordnet den Verlan dem Inresolekt zu, der sich aus zwei Begriffen „Inversion“ und „Resolekt“ zusammensetzt. Die erste Komponente „Inversion“ bezieht sich auf das Grundprinzip von Verlan bzw. auf die linguistische Komponente der Silben- und Buchstabenverdrehung (Kundegraber 2008, 15-16). Es ist wichtig zu betonen, dass grundsätzlich die Wörter verlanisiert werden, die kurz und bündig sind bzw. aus einer Silbe bestehen und die, abhängig von dem Sprecherkreis, Sinn in ihrer Verwendung machen. Der Begriff „Risolekt“ ist von Thierrie Panier adaptiert worden und bezeichnet “das klar definierte Kommunikationsnetz, das Feld des Sprechers” (Panier 2003, 6). Je weiter sich der Verlan-Sprecher von seinem eigentlichen Umfeld entfernt, umso artifizieller, vulgärer und inadäquater wird die Verwendung (Kundegraber 2008, 17). Solche Merkmale wie soziales Alter, Qualität/Quantität der Äußerung, Kontext und Inversion spielen auch eine wichtige Rolle bei der Definition des Verlan. Der Verlan ist ein sprachliches Phänomen des Argot, das oft schockierend wirkt und unangemessen zu sein scheint. Es muss zu einem bestimmten Kontext passen, ansonsten kann die Äußerung durch Verwendung von einem Verlan als eine bewusste Provokation gesehen werden.
Es sollte auch nicht unerwähnt bleiben, dass die Soziolinguistik sich viel mit Verlan befasst und ihn aus der soziolinguistischen Sicht definiert. Vivienne Méla ist der Meinung, dass diese Art von sprachlicher Codierung eines Wortes „une révolte linguistique“ (Méla 1991) darstellt und verkörpert damit den sprachlichen Zusammenhalt von denen, die diese Ausdrucksweise verstehen und selber nutzen. Der Verlan ist ein soziales Phänomen, der die Sprachkultur und -gewohnheit seiner Sprecher repräsentiert. In dem Artikel „Le verlan ou le langage de miroir“ hebt Méla hervor, dass der Verlan „symbolise un certain nombre de petites et de grandes ruptures – entre jeunes et moins jeunes, sages et moins sages, marginaux et conformistes, et pour beaucoup, entre français et moins français“ (Méla 1991, 94). Dazu stellen Bachmann und Basier (Bachmann/Basier 1984) die identitäre Funktion des Verlan zur Diskussion. Sie sind der Meinung, dass der Verlan seinen hauptsächlich aus dem Ausland stammenden Sprechern hilft, deren Identität schneller zu bestimmen bzw. zu entdecken und sich leichter an den Lebensbedingungen der Banlieue zu gewöhnen. Sie erklären, dass „la juxtaposition des migrations, la communauté de situation entre Français et étrangers, dans l’exclusion comme dans la révolte, tout cela concourt à une recherche d’identité que marque le langage“ (Bachmann/Basier 1984, 183). Die soziokulturellen Unterschiede und die Erfahrungen aus den anderen Kulturen machen ihren eigenen Einfluss bei dem Kontakt mit der französischen Kultur bzw. mit der französischen Sprache, so dass bestimmte Wörter in den aktiven Sprachgebrauch aus der Herkunftssprache übernommen oder neue Wörter gestaltet werden. Diese Unterschiede bilden die Grundlage für die Kreativität der Sprecher und schaffen die Freiheit, aus den existierenden Wörtern neue eigene zu kreieren. Dadurch können eigene Wünsche zum Ausdruck gebracht werden und die eigene Identität gestaltet werden, da diese nicht durch eine andere Sprache ersetzt wird und verloren geht.
Bachmann und Basier vergleichen den Verlan mit der Musik: „Il y a une musique, il faut que ça sonne bien, que ça reste dans le crâne“ (Bachmann/Basier 1984, 176). Der Verlan ist tatsächlich eine Art des musikalischen Sprachspiels. Aber die Regeln dieses Spiels sind nicht einfach. Versucht man eine Systematisierung der Verlan-Wörtern zu bilden, fällt auf, dass bestimmte Regeln verfolgt werden müssen, damit ein Verlan Sinn macht. Im Anschluss werden die grundlegende Codierungsregeln von einem Verlan dargestellt.
2.2.3. Codierungsregel von Verlan
Bevor zu der eigentlichen Analyse überzugehen, ist es notwendig über die Codierungsmöglichkeiten dieser Technik zu diskutieren. Nathalie Lefkowitz in ihrer Studie „Talking Backward, Looking Forwards“ (Lefkowitz 1991) und Vivienne Méla im Artikel zum Thema „Verlan 2000“ (Méla 1997) bieten eine ausführliche Erklärung der Codierungsregeln des Verlan. Im Weiteren wird ein Überblick dargestellt.
Die vorliegende Arbeit und die durchgeführte Analyse stützen sich hauptsächlich auf die Codierungsregeln, die Vivienne Méla in der Analyse von 350 Verlan-Wörtern hat herausbilden können, die aus den Befragungen von den jungen Leuten aus den nördlichen und nord-westlichen cité von Paris stammen. Dabei konzentriert sich die Sprachwissenschaftlerin ausschließlich darauf zu verstehen, auf welche Weise die verlanisierten Wörter gebildet sind und wie genau die Struktur dieser Wörter sein muss, um sie zu einem Verlan zu verwandeln. Diese Übersicht von den Bildungs- bzw. Codierungsmöglichkeiten eines Wortes d. h. die Methoden, mit denen ein Wort zu einem Verlan verändert werden kann, finde ich persönlich deutlich und verständlich dargestellt, so dass sich eine oft mysteriöse Veränderung eines Wortes zu einem Verlan einfach und schnell erklären lässt. Méla geht in ihrer Klassifizierung Schritt für Schritt vor und ordnet jeden Verlan-Fall einem bestimmten Codierungstyp zu. Dadurch bilden sich vier Bildungsmöglichkeiten bzw. Codierungswege eines Wortes zu einem Verlan: Silbenumstellung dabei können vier Untertypen herausgebildet werden – zweisilbige, dreisilbige Wörter, einsilbige geschlossene und einsilbige geöffnete Wörter, die Tronkation bzw. die Wortverkürzung, die Reverlanisation bzw. Verlan von Verlan und unregelmäßige Bildungsfälle.
Das Wort „Verlan“ ist selbst eine Kreation aus der Umstellung der Silben, denn es ist aus dem Wort l’envers gebildet. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass diese Art von Bildung der verlanisierten Wörter am häufigsten verwendet wird. Auf diese Weise bilden sich mater bzw. téma, vétrou bzw. trouvé, painco bzw. copain. Aber alles ist nicht so einfach wie es zu sein scheint. Nicht jedes Wort kann durch diese Bildung zu einem Verlan werden. Die Silbenstruktur spielt eine ausschlaggebende Rolle dabei, wie ein Verlan gebildet wird, weshalb es wichtig ist eine kleine Übersicht zu erstellen.
Die zweisilbigen Wörter bilden die Mehrheit der Verlan-Fälle. Méla betont, dass „la régle de verlanisation s’applique à 70% des mots [ … ] qui peuvent être traités comme des dyssilabes“ (Méla 1997, 21). In den meisten zweisilbigen Wörtern, die verlanisiert werden, ist die erste Silbe geöffnet. Die einfachste Regel, die für die zweisilbigen Wörter verwendet wird, lautet: Der Konsonant, der dem ersten Vokal folgt, gilt immer als Ausgangspunkt des neuen veränderten Verlan-Wortes. Die Formel sieht folgenderweise aus: C1-V1-C2-V2. Die Schreibweise von einem verlanisierten Wort stellt mit sich eine neue phonetische Form des veränderten Wortes dar (Sloutsky/Black 2008, 316). Im Fall, dass mehrere Konsonanten eine Silbe bilden, folgt die Transformation demselben Prinzip.
französisches Wort | Verlan |
zone | né-zo |
bonhomme | nom-bo |
musique | sique-mu |
basket | sket-ba |
cité | té-ci |
In den einsilbigen geöffneten Wörtern werden die am Anfang stehenden Konsonanten an das Ende der verlanisierten Form gestellt: chat → ach, fou → ouf. Diese Art des Verlan stellt ein Verlan ortographique dar. Bei den einsilbigen geschlossenen Wörtern ist wichtig, dass diese am Ende einen Konsonant oder einen Konsonant gefolgt von einem „e-muet“ haben. Um die zweite Silbe in einem Verlan zu bilden, wird „e-muet“ einfach ausgesprochen. Dadurch wird ein einsilbiges Wort zu einem zweisilbigen Verlan.
französisches Wort | Verlan |
noir [nwaʁə] | renoi [ʁεnwa] |
mére [mεrə] | remé [rœmε] |
grave [gravə] | vegra [vœgra] |
star [starə] | resta [rœsta] |
Vivienne Méla behauptet, dass es sehr wenige dreisilbige verlanisierte Wörter gibt, und unterstreicht, dass der Verlan dazu neigt vielsilbige Wörter allgemein durch kürzere zu ersetzen: So wird das Wort pantalon nicht verlanisiert, stattdessen wird das familiäre Argot futal verwendet, das zu talfu wird. Eine der Tendenzen bei solchen Wörtern ist die Transformation von dreisilbigen in zweisilbige Verlan– Wörter, zum Beipiel, batterie [batRi] –triba [tRiba]. Es wird dadurch ermöglicht, dass e-Schwa wegfällt. Bei der näheren Betrachtung der dreisilbigen Wörtern sind drei Möglichkeiten der Transformation zu beobachten: als erstes ist es üblich, dass ein dreisilbiges Wort ab dem zweiten Konsonant zu einem Verlan transformiert wird: ciG²arette – Garetsi, riG²olo – Golori. Außerdem sind Veränderungen ab dem dritten Konsonant oft zu sehen: veriT³é – T³évéri. Als dritter Transformationstyp von dreisilbigen Wörtern gilt die Veränderung ab dem dritten Konsonant aber in umgekehrter Reihenfolge: portuG³ais – G³aistupor.
La troncation bzw. die Wortverkürzung ist auch eine beliebte Methode, die für die Bildung des Verlan verwendet wird. Es handelt sich dabei aber um keine spezifische Wortbildungmethode, die nur für diese linguistische Form angewendet wird. Verkürzte Argot sind von französischen Sprechern sehr beliebt: prof, fac, gym, dégueu. Wichtig ist zu sagen, dass diese Art von Transformation bei der Verlan-Bildung hauptsächlich bei zweisilbigen Wörtern durchgeführt wird (Méla 1997, 25). Viele zweisilbige Wörter werden nach der Verlanisierung zu einsilbigen Wörtern:
flic → fli-que [flikə] →[kœf] keuf
femme → fa-meu [famə] →[mœf] meuf
père → pe-reu [pεRə ] → [Rœp] reup
mec → meque [mεkə] → [kœm] keum
Laut Méla “ il est intéressant de voir que les variantes pleines ou tronquées varient selon les époques. Il y a dix ans on entendait [trome], [sœby], [zarbi], qui sont maintenant remplacés le plus souvent par [trom], [sœb] et [zarb] tandis que [kœm] a retrouvé sa forme non tronquée [kœme]“ (Méla 1991, 25).
Sloutsky und Black behaupten, dass dadurch, dass der Verlan durch die Gewöhnung an seine Existenz seinen außergewöhnlichen Charakter verliert und er als Folge weniger markant wird (Sloutsky/Black 2008, 318). Das ist der Grund warum bereits verlanisierte Wörter wieder neu verändert werden, um den bestehen Verlan-Wörtern neue moderne Attraktivität zu verschaffen. Nach dem neuen Codifizierungsprozess bereits bestehender Verlan-Wörter kommt man zu dem folgenden Ergebnis: flic → keufli → keuf → feukeu → feuk. Es ist auch wichtig zu erwähnen, dass die Technik der Reverlanisierung bis jetzt auf kleiner Menge der Wörter angewendet worden ist.
Die letzte Bildungsmöglichkeit des Verlan ist eng mit der Phantasie der Sprecher verbunden. Es geht grundsätzlich um die Schreibweise der einsilbigen Wörtern. Obwohl die Konzentration bei der Umformung eines Wortes zu einem Verlan in erster Linie auf den phonetischen Aspekten liegt, gibt es auch Fälle, wo eher die Ortographie entscheidend ist. Eine kleine Anzahl von einsilbigen Wörtern wird durch die Inversion eines Konsonanten im Wortanlaut und eines Konsonanten, der am Wortende nur in der schriftlicher Form erscheint, gebildet. Beispielweise, das Wort cul, das normalerweise der Regel nach wie [yk] kodiert wird, hat auch eine andere Version wie [lyk]; neben dem Nomen con und seinem Verlan [õk] stößt man oft ebenfalls auf [nok]. Es gibt weitere Beispiele, die interessant sind. Wichtig ist aber zu zeigen, dass entscheidend hier eher die Phantasie ist, die es ermöglicht, mit mehreren Variationen eines Wortes zu spielen.
2.3. Soziale und kulturelle Hintergründe
In der vorliegenden Arbeit sollen nicht nur Argot und Verlan analysiert werden, sondern auch in welchen Kontexten diese in den französischen Rap-Liedtexten verwendet wird: Ist es eher ein neutraler Kontext, so dass in Liedtexten keine frechem und groben Wörter und Ausdrücke im Zusammenhang mit Argot und Verlan vorkommen, oder tragen diese Wörter eher eine negative Konnotation. Um diesen Punkt besser zu verstehen, lohnt es sich die sozialen und kulturellen Ereignisse in Frankreich 20 Jahre vor dem Jahr 2000 zu schildern, die zu der Verbreitung von argotischer und verlanisierter Lexik beigetragen haben
Das Jahr 1968 ist in der Geschichte von Frankreich zur Ikone der Protestbewegung in der ganzen Welt geworden. In Paris herrschten bürgerkriegsähnliche Zustände. Der Konflikt zwischen Pariser Studenten und Universitätsleitung um das Recht auf freie Meinungsäußerung entwickelte sich zu einer der größten Studentenbewegung, die sich über das ganze Land verbreitete. Die erwähnten Ereignisse haben in den 70-er Jahren spätere Arbeitslosigkeit, Inflation und wirtschaftliche Krise provoziert. Wachsender Feminismus und Jugendbewegung haben vieles in der Einstellung der damaligen jungen Generation verändert.
In den 80-er Jahren führte die französische Regierung die Politik von Zuwanderung und Migration durch, was mit sich eine neue Migrationswelle ins Land brachte. Im Pariser und Lyoner Vororten entwickelten sich neue Gruppierungen von Migranten, die im Hintergrund von sozialen und wirtschaftlichen Ereignissen aufwachsen und ihr neues Zuhause aufzubauen versuchten. In dieser Zeit ist der zunehmende Erfolg der rechtsextremistischen Bewegung, insbesondere des „Front National“ zu beobachten. Zahlreiche drastische Vorfälle in Paris und Lyon in den 90-er Jahren zeigten die Wut von jungen Immigranten, die sich mit dem Leben ohne Studium und Arbeit haben abfinden mussten.
Unter diesen Umständen entsteht eine neue Generation, die in den Jahren 2000 in Frankreich eine neue sprachliche Realität bzw. neue Kultur von Sprache und Ausdrücken entwickelt. Genau in diesen Vororten wird Argot zu einer Art von Selbstidentifikation und Möglichkeit sich von den oberen Schichten (anderen) zu trennen. „Aujourd’hui, les jeunes qui emploient `le langage des cités` – scandé, rythmé – sont souvent de nationalité française, issus de l’immigration. Ils parlent français à l’école, la langue de leur pays d’origine chez eux et la langue de la rue avec leurs amis“ (Nathanson 2007). Die oben beschrieben Ereignisse haben dazu geführt, dass seit dem Jahr 2000 im kulturellen Leben von Frankreich ein neues stark ausgeprägtes Musikgenre entstanden ist: Der Rap wird zum Hauptträger des Argot in der Musikindustrie dieser Epoche, wo die Sänger ihre Gedanken, Gefühle und Unzufriedenheit mit der sozialen Realität und der Ungerechtigkeit, ihren Zorn und ihren Ärger zum Ausdruck bringen. Der Argot und der Verlan machen die Raptexte markanter und unvergesslicher, helfen außerdem dabei die brennenden Probleme der Gesellschaft indirekt anzusprechen.
3. Kurzer Überblick über den Rap
In diesem Kapitel wird zuerst zusammenfassend präsentiert, was genau Rap bedeutet, was diese Musikrichtung von den anderen unterscheidet, warum Rap als eher aggressiv bezeichnet und von vielen Leuten als unsympathisch angenommen wird. Als nächstes werden die wichtigsten Punkte der Geschichte des Rap in Frankreich dargestellt und die Gründe für den Aufschwung des Rap unter den Jugendlichen in der französischen Banlieue erklärt. Im Weiteren möchte ich auf die existierenden Stereotype über den Rap eingehen, über den Zusammenhang von Aggressivität und Gewalt und Rap sprechen und abschließend über die sprachlichen Besonderheiten diskutieren. Ich glaube, dass dieser kurze theoretische Überblick über die Rolle von Rap in der Gesellschaft und in der Sprachwissenschaft und seine aktuelle Entwicklung bei der Interpretation von Argot im französischen Rap helfen kann.
3.1. Was ist Rap?
Nachdem die sprachwissenschaftlichen theoretischen Grundlagen dieser Analyse dargestellt und erklärt wurden, ist an der Stelle die Musikrichtung zu definieren, deren Lieder die Basis dieser Analyse gebildet haben.
Was genau bedeutet Rap? La mode, la révolte sociale, la violence? Aus dem Englischen übersetzt bedeutet das Wort „Plauderei, Unterhaltung“ und wird als „ein rhythmischer, markanter und meist schneller Sprechgesang in der populären Musik“ (Duden) definiert. J. Lapassade und Ph. Rousselot haben den Rap Anfang der 1990-er Jahren als „la diction, mi-parlée, mi-chantée, de textes élaborés, rimés et rythmés, qui s’étend sur une base musicale produite par des mixages d’extraits de disques et autres sources sonores“ (Lapassade 1996) beschrieben. Es ist interessant, dass oft darauf aufmerksam gemacht wird, dass für den Rap in erster Linie die Sprache bzw. der passende Sprachausdruck von Bedeutung ist, während die Musik ausschließlich den Rhythmus und die Dynamik zu fördern hilft. Der musikalische Hintergrund in einem Rap-Lied hilft die stilistischen Besonderheiten expressiver zu machen und die für den Rapper wichtigsten Wörter hervorzuheben. Calvet beschreibt den Rap folgendermaßen: „le rap se caractérise pour être une sorte de tapis rythmique sur lequel est scandé un texte“ (Calvet 1994). Der französische Rap ist ein „expressives Zuhause“ der jungen Migranten, denn darin finden sie einen Weg, ihre Gefühle frei zum Ausdruck zu bringen. Isabelle Marc-Martinez betont in ihrer durchgeführten Analyse der Raptexte, dass der Rap Teil der modernen zeitgenössischen Kunst ist, weswegen alle Aspekte der heutigen sozialen, politischen und kulturellen Entwicklung bei der Analyse des Rap mitberücksichtigt werden müssen (Marc-Martinez 2008, 16). Diesen Punkt haben der Argot und der Rap gemeinsam. Es ist deswegen wichtig, den historischen Hintergrund der Geburt des Rap zu kennen und zu verstehen, denn alle diese Aspekte sind eng miteinander verbunden und können einander gleichzeitig beeinflussen. In einigen Quellen wird darauf aufmerksam gemacht, dass der Rap ohne den Beitrag der Migrationswelle in den 1980-er Jahren keine Popularität in Frankreich hätte bekommen können (Bazin 2008, 273). Die Rapper spielen die Rolle der „porte-parole du ghetto ou de la banlieue dans laquelle il vit“ (Boucher 1998, 150). Wie Cyril Trimaille seinerseits betont,“le rôle informatif du rap apparaît comme central dans la construction du message, et détermine en grande part les contenus très contextualisés des discours“ (Trimaille 1999, 39). Der Rap ermöglicht es, die ganze Palette an Themen präsentieren und ansprechen zu können, weil es keine Grenzen in der Wortauswahl gibt. Die Rapper haben die Freiheit, all ihre Gedanken und Emotionen im Rahmen eines Liedes zu präsentieren. Jeder Raptext präsentiert eine Zusammenstellung von unterschiedlichen Themen, die implizit oder explizit angesprochen werden. Deswegen fällt es manchmal schwer, das Hauptthema eines Raptextes festzustellen, weil oft mehrere Themen miteinander verknüpft sind.
3.2. Aufschwung von Rap in Frankreich
Der Rap wurde in den USA in den 1970-er Jahren geboren und hat im Laufe der 1980-er Jahre auch in Frankreich seine Anhänger gefunden. Seit mehr als 20 Jahren besetzt der französische Rap den zweiten Platz in den weltweiten Rap-Charts nach den USA. Der Geburtsort des amerikanischen Rap waren die Straßen der Ghetto-Viertel von New York, wo die jungen Leute die Hip-Hop Kultur als Quelle der Inspiration und als Hilfe bei der Entwicklung der eigenen Persönlichkeit sahen. Der Rap war eine neue Musikrichtung, die Leute miteinander verband und die zeigte, dass es sich lohnt, zusammen zu halten und seine Wurzeln zu schätzen, sich gegen die Ungerechtigkeit zu äußern und für seine Rechte zu kämpfen. Er hat vielen ermöglicht eine Gemeinschaft zu finden, in der man verstanden wird, weil dort man mit denselben Problemen konfrontiert ist (Rose 1984, 1-99). Die Amerikanisierung der neuen Generation französischer Jugendlichen begann in den 1980-er Jahren: Ihre Klamotten, ihr musikalischer Geschmack, Essgewohnheiten und Interessen – das alles war durch inspiriert. In dieser Zeit wurde Hip-Hop zu einem neuen Trend, der mit der Zeit auch Europa stark beeinflusst hat.
In Frankreich haben die Medien bzw. Radio und Fernsehen viel zu der Verbreitung von Rap in der Gesellschaft beigetragen. Genau das bildet den großen Unterschied zwischen der Geschichte der Verbreitung von Rap in Frankreich und in den USA. Der Rap ist auf den amerikanischen Straßen entstanden, in Frankreich aber ist er durch die Medien aufgebracht worden. Die Hip-Hop Welle wurde stark durch Radiosender wie Europe 1 gefördert, die zahlreiche Veranstaltungen in Bataclan oder in Trocadero organisierten, um mehr junge Öffentlichkeit ansprechen zu können. Diese bekannten Pariser Plätze sind zum Ort der Präsentation des Talentes von jungen Menschen geworden. „Jusqu’en 1984, le rap était pourtant l’affaire des initiés des banlieues, de ceux qui avaient voyagé aux État-Unis, des élus qui étaient entrés dans le mouv'“ (Marc-Martinez 2008, 66). Während der 1980-er Jahre hat der Rap angefangen, sich als eine populäre Richtung in der Musik und in der Kultur in Frankreich zu positionieren. Der Rap stellte sich gegen die Medien, der Vermittlungsquelle von abwertenden Stereotypen über die Einwohner der Banlieues und wurde dadurch sofort von vielen als Rebell und Gegner der aktuellen Realität empfunden.
Seitdem der Rap nach Frankreich eingewandert ist, gibt keinen Bereich, der davon unbetroffen geblieben ist. Diese Musikrichtung hat viele Bereiche unseres Lebens bzw. Politik, Medien, Bildung betroffen und zum Nachdenken über die Realität angeregt. Isabelle Marc Martínez ist der Meinung, dass „le rap est entré dans les moeurs musicales et culturelles des Français“ (Marc-Martinez 2008, 63). Ende der 1980-er Jahren entstehen französische Rap-Gruppen, die vieles in der Formation der zukünftigen Rap-Generation bestimmt haben. Die NTM, Assassin, Ministère AMER und IAM sind die größten Repräsentanten der ersten Welle der französischen Rap-Kultur, die provokative Ereignisse mit seinen Liedern kreiert haben, aber dadurch nur noch mehr Interesse des Publikums geweckt haben. Die französische Musikindustrie und Vertreter der französischen Kultur konnten nichts anderes tun, als den Rap massenhaft zu fördern, weil dieser neue Stil der verbalen rebellischen Expressivität zur Stimme der jungen Generation der Epoche geworden war. Somit gab es die Möglichkeit, die Menschen aus cités und Banlieues in die Gestaltung der Rap-Kultur einzubeziehen. Die Repräsentation von Rap in cinéma français darf ebenfalls nicht ohne Aufmerksamkeit bleiben. Der Einfluss des Filmes „La haine“ von Matthieu Kassovitz, der 1995 die wichtigste Auszeichnung des Filmfestivals von Cannes, die Goldene Palme gewonnen hat, hatte nicht nur in der Öffentlichkeit, sondern auch in der Sprachwissenschaft seinen Einfluss gefunden: Zahlreiche Studien sind zu diesem Film durchgeführt worden, im Zusammenhang mit dem Thema Argot, Verlan und natürlich der Rolle von Rap in der Gesellschaft ( vgl. Fievet und Podhorna-Policka (Fievet/Rodhorna-Policka 2008) ).
Bis heute erlebt der französische Rap zahlreiche Kritik und wird von vielen konservativen Franzosen negativ betrachtet. Auch wenn er schwere Zeiten überlebt hat, ist er sowohl in der französischen Kultur als auch in seinem Herkunftsmilieu fest verankert. Im Anschluss möchte ich kurz über den Stellenwert von Gewalt und Aggressivität in den Raptexten sprechen, um die Frage beantworten zu können, ob diese als zentrale Themen der Raptexte bezeichnet werden können.
3.3. Gewalt und Aggressivität in Raptexten
In der dargestellten Übersicht zum Rap wird unterstrichen, dass der Rap mehrere Themen in einem verbinden und gleichzeitig ansprechen kann. Die Vermutung, dass der Rap ausschließlich aggressive Kontexte präsentiert, kann als umstritten bezeichnet werden. Zwar werden solche Themen wie familiäre Probleme oder Konfrontationen mit der Polizei durch Aggressivität zum Ausdruck gebracht, es geht allerdings nie um die reine Aggression in sich. Betrachten wir zunächst die allgemeinen Themen, die in Raptexten vorkommen:
- Schicksal von einem Rapper bzw. Rap-Gruppe
„Tes cours de break, de jazz ou de krump, ça vient de la rue.
Les meilleurs dribbles et les meilleurs dunks, ça vient de la rue.
Les vêtement que les jeunes se déchirent, ça vient de la rue.
L’évolution de la la langue française, ça vient de la rue …“
(IAM – Ça vient de la rue, 2007)
- Konfrontationen mit dem Alltag und der Realität (Polizei)
„Faites pas chier, dites plutôt au keufs de me laisser passer …“ (Sexion d’Assaut – A bout du souffle, 2011)
- Träume und Hoffnungen
„Il me manquait un repère, un père derrière moi. J’ai fermé les yeux et j’imaginais ton visage …“
(Sniper – Repère, 2002)
- Herkunft und Migrationsproblematik
„Demande aux tits-pe qui barodent dans les tier-quar. J’ai rien de ssé-ca, je me casse …“
(Stromae – AVF, 2013)
- Aggressivität und Kriminalität
„Batârd tu es quoi qu’tu fasse, Dieu n’ta pas attribué de race …“ (Booba – Petite Fille,2017)
- Drogen und Geld
„Qu’est-ce que j’fais dans la vie, tu veux savoir? On fait d’la trap mon pote, on vend d’la dope mon pote …“
(Niska – Cjasse à l’homme, 2016)
- Familiäre Probleme, Familie und Liebe
„Ta mère est une fleure rare t’abreuves pas ton amour,
L’en priver c’est la tuer donc n’abrège pas son compte à rebours …“
Sexion d’Assaut – Avant qu’elle parte (2012)
Der Rap ist in der Gesellschaft als provokatorisch, unhöflich und gewaltig angesehen. Oft wird dem Rap vorgeworfen, Jugendliche zu Aggressivität, Ungehorsam und Aufstand aufzurufen. Von einigen wird er sogar als rassistisch betrachtet. Der Rap kann als „culture hors la loi“ bezeichnet werden. Die Rapper benutzen die Angst von Gegnern der Rap-Kultur und, wie Isabelle Marc Martínez betont, „les attaques verbales servent ainsi à effrayer le bourgeois“ (Marc-Martinez 2008, 51). Das Publikum zu beängstigen gelingt den Rappern relativ gut, denn in der Geschichte des französischen Rap sind zahlreiche Konfrontationen von Rap-Gruppen mit der Polizei oder der Regierung anzutreffen. Die Darstellung der Polizei in Rapsongs ist beispielsweise immer ausschließlich mit Negativität verbunden. Die Polizei wird allgemein als der größte Feind betrachtet, weil viele Repräsentanten der Rap-Kultur aus ungünstigen Vierteln stammen, in denen es oft zu Auseinandersetzungen mit der Polizei gekommen ist und die über deren Erfahrungen in ihren Raptexten berichten. Im Jahr 1995 nach einer öffentlichen Aufführung, bei der die Band ihr Lied „J’appuie sur la gachette“ präsentiert hat, leiteten Behörden und Polizei ein Verfahren gegen die Gruppe ein, in dem der NTM vorgeworfen wurde, dass die Band zur öffentlichen Verachtung der Polizei aufrufe und dadurch öffentliche Gewalt ausübe. Der Strafverfahren endete allerdings mit einem Freispruch. Nach diesem Ereignis wurde lange darüber diskutiert, dass die Menschenrechte und das Recht auf freie Meinungsäußerung in Frage gestellt worden waren. Diese Situation führte dazu, dass das Interesse an der Rap-Kultur rasant stieg. Es fällt vielleicht schwer zu glauben, aber diese Oppositionstimmung gegen die Behörden ist eine bewusst gewählte Einstellung in dem Rap-Performace. Spezialisten der Rap-Theorie sind der Meinung, dass negative Äußerungen oft keine Anreize zur Aggressivität, sondern eine bewusst gewählte rebellische Repräsentation der angesprochenen Themen sind. Die Rapper nutzen in erster Linie die mündliche Darstellung, weil diese ihnen erlaubt, sich frei zu äußern, ohne jeglichen Regeln zu folgen. Hugues Bazin erklärt, „le rappeur ne parle pas « mal » à cause de l’ignorance des règles. Les gros mots, l’argot ou le verlan, le choix et l’articulation des mots obéissent au contraire à un ordonnancement étudié“ (Bazin 2008, 221). Der Rap sieht als seine Aufgabe die Unzufriedenheit mit der Realität und Ungerechtigkeit durch freche aggressive Worte zu vermitteln. Genauso wie die Pop-Kultur das Glücklichsein und Themen der Liebe durch positive Musik oder das Leid gebrochener Herzen durch langsame traurige Melodien darstellt, sieht der Rap es als seine Aufgabe, die Unzufriedenheit mit der Realität und der Ungerechtigkeit durch freche aggressive Worte zu präsentieren. Meiner Meinung nach, fasst Isabella Marc Marténez diesen Punkt in Ihrer Interpretation am besten zusammen: „En conséquence, de par son esprit contestataire, transgresseurs, de révolte symbolique, de par ses attitudes agressives et ses sujets provocateurs ou violents […] nous pouvons définir l’ésthétique rap comme une esthétique de la violence“ (Marc-Martinez 2008, 54). Die mündliche Performance der Rapper ist das, was den Rap von anderen Musik-Genre unterscheidet und was vielleicht als die stärkste Seite des Rap bezeichnet werden kann.
Diese theoretische Interpretation der Stelle bzw. Funktionen von Aggressivität und Gewalt in Raptexten ist leider nicht allen bekannt, weswegen „le rap est considéré par certains comme une forme légitime d’expression; d’autres le jugent comme une dangereuse incitation à la violence, d’autres encore comme un fait sociologique intéressant; mais peu sont encore ceux qui songent au rap comme forme artistique“ (Marc-Martinez 2008, 70). In der Kunst kann man seine Gedanken und Gefühle so zum Ausdruck bringen, wie es einem gefällt. Der Rap hat den Weg der verbalen aggressiven Emotionalität gewählt, deswegen ist es unmöglich zu erwarten, dass dieser Aspekt irgendwann aus der Rap-Performance verschwindet.
3.4. Sprachliche Besonderheiten des französischen Rap
Die Sprache der französischen Raptexte wird oft ebenfalls der Kritik unterstellt. Es wird den Rappern vorgeworfen, den grammatischen Regeln der französischen Sprache nicht zu folgen. Dies ist tatsächlich der Fall: Die Sprache des französischen Rap kennt keine Grenzen und keine sprachliche Vorschriften. Es handelt sich um eine absichtliche Wahl einer sprachlichen Form, die sich komplett von allen möglichen Normen unterscheidet, und die durch die Virtuosität der Rapper gefördert wird. Es muss aber hervorgehoben werden, dass diese bewusste Veränderung der französischen Sprache in den Raptexten eigentlich ein klarer Beweis dafür ist, dass die Rapper sich mehr als gut mit dem Französischen auskennen. Durch ihre Veränderungen und Kreationen heben sie ihre Zugehörigkeit zu der französischen Sprache hervor und bereichern sie dadurch auf eine bestimmte Art und Weise. „La langue des rappeurs est bien du français, mais un français métissé, imprégné des échos de cultures différentes, non pas une matière inaltérable, mais ductile“ (Marc-Martinez 2008, 76). Es besteht die Vorstellung über die französische Sprache, dass diese über eine festgeregelte Struktur verfügt, gegen die auf keinen Fall verstoßen werden darf. Die Sprache der französischen Rapper beweist aber, dass dies gar nicht der Fall ist. Man kann mit der französischen Sprache spielerisch und kreativ. Ich bin außerdem der Meinung, dass eine sehr gute Kenntnis Standardregeln von Nöten ist, um mit einer Sprache spielen zu können. Die französischen Rapper suchen nach einer freien und kreativen Verwendung des Französischen, die die Sprache der Banlieues und cités mit aufnimmt. Diese findet seinen Ausdruck in der Verwendung von Verlan, von Anglizismen und Arabismen, von lokalen sprachlichen Merkmalen und Neologismen. Allgemein ausgedrückt ist der Argot genau die Quelle, aus der französische Rapper ihre Kreativität schöpfen. Es geht um eine semantisch und stilistisch bereicherte französische Sprache, „manié avec une conscience artistique ostensible“ (Marc-Martinez 2008, 78).
4. Aktueller Forschungsstand
Im Rahmen dieser Studie stehen drei große theoretische Blöcke bzw. Argot, Verlan und Rap. Es macht definitiv Sinn, sich kurz den aktuellen Forschungsstand anzuschauen, um begründen zu können, warum die Fragestellungen dieser Arbeit für sprachwissenschaftliche Forschung interessant und relevant sind.
Die wissenschaftliche Erforschung der französischen Umgangssprache und des Argot hat relativ früh angefangen und geht auf das 19. Jahrhundert zurück (vgl. Siede 1885 (Siede 1885), Bauche 1920 (Bauche 1920)). Die wichtigsten älteren Arbeiten zum Argot sind bei Radtke (Radtke 1982) und Schmitt (Schmitt 1990) zusammengestellt. Ein umfassender Überblick über die Gegenwartsforschung des Argot hat Reinhard Kiesler in seinem Artikel ausführlich diskutiert (Kiesler 1994). Es wird über Rolle des Argot in der Diastratik des Französischen gesprochen (Radtke 1982). Während der Recherche der Theorie zum Argot ist mir aufgefallen, dass der Argot regelmäßig zum Gegenstand von Studien im Bereich der Soziolinguistik wird (vgl. Calvet (Calvet 1994), Scherzer (Scherzer 1976), Sloutsky und Black (Sloutsky/Black 2008)). Kleinere Analysen der unterschiedlichen Argot-Typen und deren Rolle in der französischen Musik sind ebenfalls durchgeführt worden (Trollvin 2017). Es ist aber zu merken, dass sich nur wenige Studien mit Argot der französischen Raptexten befassen.
Im Bereich des Verlan beschäftigt man sich mit Besonderheiten dieser Jugendsprache vor allem in Bezug auf die regionale Unterschiede. Die Studie von Angela Kundegraber hat viel dazu beigetragen, um den Einblick in die Verbreitung des Verlan im Süden von Frankreich bzw. in Montpellier zu erschaffen. Ihre zweijährige qualitative Analyse zur französischen Jugendsprache im Jahr 2007 hat Veränderungen auf lexikalischer, morphologischer, syntaktischer und phonologischer Ebene beweisen können. Die vorliegende Arbeit nimmt diese Befunde als Basis. Natalie Lefkowitz hat sich ebenfalls der Studie zum Verlan gewidmet, nachdem sie im Jahr 1986 feststellen konnte, dass die Schüler eines der prominentesten Pariser Gymnasien Lycée Henri IV die Sprache von Moliere gar nicht in dem Niveau nutzen, wie sie sich immer vorgestellt hat. Die amerikanische Forscherin konnte ihre Schüler kaum verstehen, so dass diese Verwirrung in ihrer Doktorarbeit zum Verlan den Ausdruck gefunden hat. In ihrer Doktorarbeit wurde theoretische und soziolinguistische Relevanz des Verlan hervorgehoben und durch Befragungen der Pariser Schüler die Tendenzen der modernen französischen Sprache in Bezug auf normative und umgangssprachliche Merkmale behandelt.
Einige Studien sind bereits im Zusammenhang mit Rap durchgeführt worden und widmen sich in erster Linie der Revolution in der Musikwelt, die der Rap mit seiner Entwicklung bewirkt hat (vgl. Christian Béthune (Béthune 1999), Georges Lapassade (Lapassade 1996)). Die Wissenschaftler <wie Manuel Boucher (Boucher 1998) haben in ihren Studien die soziologische Wichtigkeit des Raps unterstrichen. Die textuelle Analyse von Raptexten und deren Einfluss auf unsere Gesellschaft ist bei wissenschaftlichen Analysen dieser Art sehr beliebt. Eine sehr interessante Studie hat Isabelle Marc Martínez durchgeführt, in der sie sich mit der ästhetischen und literarischen Seite von Raptexten aus den Jahren 1990-1995 befasst hat (Marc-Martinez 2008). Ihrer Meinung nach ist Rap nichts anderes als „une expression artistique“ und dass es von der Relevanz ist, die unterschiedliche poetische Funktionen der Raptexte zu betrachten.
Es bleibt aber offensichtlich, dass bis jetzt ausschließlich der Rap aus den 1980-er und 1990-er Jahren im Mittelpunkt der Analysen stand. Es gibt bisher kaum Studien, die sich mit modernen Texten der französischen Rap-Industrie befasst haben. Das Ziel der vorliegenden Analyse besteht deswegen darin, sich den Liedern der letzten 20 Jahren zu widmen und die Tendenzen im sprachlichen Gebrauch des Argot dieser Epoche festzustellen. Selbstverständlich können im Rahmen dieser Arbeit nicht alle Raptexte aus dieser zeitlichen Periode analysiert werden. Die zwanzig ausgewählten Texte sind die repräsentativsten und die bekanntesten aus der Epoche. An deren Beispiel soll ein Überblick über die aktuelle sprachliche Situation in Bezug auf die Verwendung der Argot-Lexik in den modernen französischen Raptexten dargestellt werden. In den Jahren 2000-2020 hat sich vieles verändert. Die neue Internet Generation bzw. Generation Z oder Zoomer unterscheidet sich sehr von den Millenials bzw. von der Generation, die im Zeitraum der frühen 1980-er bis zu späten 1990-er geboren und aufgewachsen ist. Dieser Generationswechsel hat sich auf die französische Sprache ausgewirkt, was in den Raptexten gut nachvollziehbar ist. Der Rap, der in seiner Expressivität sehr hart klingt und zu Beleidigung neigt, ist heute eher zu Mainstream geworden. Gleichzeitig ermöglicht diese Tatsache, ein breites Publikum anzusprechen.
Die dargestellten Daten zeigen, dass die zahlreichen Studien zu allen drei theoretischen Bereichen dieser Arbeit durchgeführt worden sind. Offen bleiben aber die einzelnen Spezifikationen, solche wie die Stelle des Argot und des Verlan im heutigen französischen Rap. Deswegen ist diese Analyse von Relevanz, weil sie eine breitere Aussicht darauf gibt, warum Argot und französischer Rap zusammengehören, welche Stelle Verlan in französischen Rapsongs besitzt und warum Rap nicht als negativ konnotiert werden soll. Diese Punkte werden im Zusammenhang mit den modernen französischen Raptexten interpretiert, was die wissenschaftliche Lücke in dem Bereich füllen kann, weil die gefundenen Texte noch keiner Untersuchung gezogen wurden. Mit dem ausgewählten Thema möchte ich außerdem zeigen, dass Argot nicht nur mit dem Verlan assoziiert werden soll, sondern dass es auch andere Formen der argotischen Lexik gibt, welche in Rap der neuen Generation verwendet werden. Ich möchte erklären, dass diese sprachwissenschaftliche Aspekte unser Leben und unser sprachliches Verhalten bewirken und verändern.
5. Methodenkapitel
Im folgenden Kapitel soll dargestellt werden, wie der Korpus bestimmt und ausgewählt worden ist, wie die Analyse aufgebaut und wie dabei vorgegangen worden ist. Außerdem wird erklärt, wie und aus welchem Grund diese folgenden sprachlichen Kategorien als Analysekategorien gebildet worden sind. Im Weiteren werden die Probleme aufgezeigt, auf die ich während der Recherche und der Analyse gestoßen bin und abschließend das gesamten Vorgehen bei der Analyse erläutert.
5.1. Ausformulierung der Fragestellung und Hypothesen
Bei der Formulierung der Fragestellung war klar, dass das ausgewählte Thema zahlreiche Möglichkeit für die Analyse anbietet. Deswegen war es sehr wichtig für mich, genau zu bestimmen, was ich bei diesem Thema analysieren will und welche Aspekte unter die Lupe genommen werden sollen. Aus dem theoretischen Teil haben sich zwei Analyseblöcke herausgebildet, für die getrennte Fragestellungen formuliert wurden. Auf diese Weise lassen sich die wichtigsten Aspekte am besten analysieren und präsentieren. In erster Linie ist es von Bedeutung herauszufinden, ob ein Zusammenhang zwischen der Thematisierung von Gewalt und Aggressivität einerseits und der Verwendung von Argot in den französischen Raptexten aus den Jahren 2000-2020 andererseits besteht. Das Thema „Gewalt und Aggressivität“ ist eines der beliebtesten Themen der bisher durchgeführten Untersuchungen von französischen Raptexten. Es ist aber zu betonen, dass sich diese Studien in erster Linie mit den Rap-Werken aus Frankreich aus den 1980-er und 1990-er Jahren befasst haben, d. h. mit der ersten Welle von Rap in Frankreich. Es ist noch nicht klar, ob diese Analyse von ausgewählten Raptexten aus den letzten zwanzig Jahren die bisher gewonnenen Ergebnisse beweisen oder widerlegen wird. Es steht aber außer Zweifel, dass die Fragestellung die bestimmte aktuelle Situation der sprachlichen Gebrauchs von Argot in den Raptexten der neuen Generation darstellen wird. Um diese Befunde zu unterstützen habe ich mich dafür entschieden, zwei Hypothesen zu stellen. Die erste Hypothese steht eng in Verbindung mit der ersten Fragestellung und lautet: „Der französische Rap impliziert Gewalt als Hauptthema und versprachlicht durch Verwendung von Argot die Gewaltausdrücke“. Hier habe ich die Analysekategorie „Domäne“ bzw. thematische Felder gebildet, die uns dabei behilflich sein soll, diese Hauptthematik in den ausgewählten Raptexten zu bestimmen und die erste gestellte Hypothese entweder anzunehmen oder abzulehnen. Die zweite Hypothese stellt die Vermutung in den Vordergrund, dass in den französischen Rap-Texten mehr Anglizismen verwendet werden als andere Formen von Argot. Die Heimat des Rap sind die USA, deswegen ist es spannend zu überprüfen, ob der französische Rap tatsächlich viele Entlehnungen aus dem Englischen verwendet und außerdem, ob diese Wörter einer Veränderung unterzogen werden, um mehr nach dem französischen Argot zu klingen.
Der zweite zentrale Block ist hauptsächlich dem Verlan gewidmet. Warum habe ich mich genau für diese Kategorie von Argot entschieden? Wie bereits erwähnt, erklärt sich diese Entscheidung dadurch, dass der Verlan eine spezifische Form bzw. Technik des französischen Argot ist, die vielen anderen Sprachen nicht bekannt ist. Außerdem scheint Rap das Musikgenre zu sein, in dem sich die Sänger dieser sprachlichen Form sehr aktiv bedienen. Aus welchem Grund dies der Fall ist, wird im Laufe dieser Analyse versucht festzustellen. Wie ist die expressive Rolle des Verlan in den französischen Rap-Texten und aus welchen thematischen Domänen kommen die meisten Verlan-Wörter? Um diese Fragestellung zu erweitern, habe ich ebenfalls einige Hypothesen gestellt: Erstens wird es behauptet, dass sich die französischen Rapsongs aus den Jahren 2000-2020 durch einen sehr hohen Anteil an verlanisierten Wörtern kennzeichnen. Zweitens wird überprüft, ob die meisten verlanisierten Wörter abwertend und aggressiv sind. Damit werden die zentrale Fragestellung und die Hypothesen aus dem ersten Block unterstützt und erweitert. Als letztes wird untersucht, ob jedes Wort verlanisiert werden kann. Hier möchte ich herausfinden, ob es feste Regel und Voraussetzungen gibt, die ein Wort zum Verlan machen. Die Gliederung der Fragestellung in zwei Blöcke macht die Analyse übersichtlich und hilft, den Verlauf der Analyse klar zu gestalten und leichter zu verfolgen. Natürlich gibt es noch mehrere Aspekte, die in diesem Thema von großem Interesse sind, die hier allerdings bewusst ausgegrenzt werden sollen. Welche Themen für eine weitere Analyse interessant sein könnten, wird im Ausblick thematisiert.
5.2. Korpusdefinierung
Im Weiteren werde ich erklären, wie der Korpus gebildet wurde. Um den Korpus der Analyse zu bestimmen, habe ich mir zunächst darüber Gedanken gemacht, wie der aktuelle Forschungstand aussieht. Wie bereits erklärt wurde, sind einige Studien zum Thema Rap durchgeführt wurden, die sich hauptsächlich mit den 1980-er und 1990-er Jahren befasst haben. Das ist die Zeit, die sich durch Aufschwung der Rap-Industrie in Frankreich kennzeichnet. Natürlich entstanden in dieser Zeit viele Rap-Gruppen, die als Gründer des französischen Rap bezeichnet werden können und die viele andere Musiker mit ihren Werken inspiriert haben. Ich habe es für wichtig befunden, mich mit den modernen Raptexten bzw. mit den Texten der letzten 20 Jahre zu befassen, um die Tendenzen im Gebrauch von Argot im Laufe der letzten Zeit zu beobachten. Meiner Meinung nach, lassen sich dadurch bereits existierende Merkmale von Argot im französischen Rap am besten bestätigen, ablehnen oder erweitern. Die neuen Befunde werden die Verwendung von Argot in den modernen Rapsongs darstellen, was hoffentlich einen bestimmten Beitrag zu der sprachwissenschaftlichen Forschung leisten wird.
Im nächsten Schritt habe ich die Recherche nach den Raptexten begonnen, die ausschließlich über das Internet stattgefunden hat, welches heutzutage die zugänglichste Quelle für Liedtexte darstellt. Als Quellen diente insbesondere Google Recherche bzw. LyricFind, songtexte.com und genius.com. Dadurch, dass die zeitliche Periode der Untersuchung konkret bestimmt wurde, habe ich aus jedem Jahr das Lied genommen, das eine bestimmte Auszeichnung z. B. als „beste Rap-Song des Jahres“ gewonnen oder das in den Musikcharts zu den Top-Drei gehört hat. Das hat mir geholfen, mir einen ersten Überblick über die möglichen Kandidaten zu verschaffen, um zu verstehen, ob es überhaupt Sinn macht, sich für einen bestimmten Rapper zu entscheiden oder nicht. Dadurch ergab sich der Umfang von 20 Liedern, die die Grundlage der Analyse gebildet haben.
Letztendlich habe ich beschlossen meine Analyse nicht auf einen bestimmten Rapper oder Gruppe zu fokussieren. Dies erklärt sich dadurch, dass ich keine spezifischen Besonderheiten im Sprachgebrauch eines bestimmten Sängers oder einer bestimmten Rapgruppe feststellen will. Das Ziel der Analyse besteht darin, die Entwicklung des Gebrauchs von Argot in den neuen bzw. modernen Raptexten über die Zeit hinweg zu beobachten und die möglichen Tendenzen beim Gebrauch von Argot festzustellen. Ich gehe davon aus, dass der Sprachgebrauch in den Rap-Liedern am Anfang der 2000-Jahre expressiver, frecher und skandalöser war als in der Periode von 2015-2020, als der französische Rap eher zum Mainstream-Rap wurde. Es gibt dafür soziale, politische, kulturelle und sprachliche Gründe, die im Weiteren erwähnt werden. Selbstverständlich sind bestimmte französische Rapper mehr erfolgreich als andere. Diese legen gewisse Tendenzen fest und prägen damit auch den Sprachgebrauch unbekannter Künstler. Deswegen habe ich bei der Auswahl nur die prominentesten Rapper gewählt, die nicht nur in Frankreich, sondern auch weltweit bekannt sind.
Die untersuchten Kompositionen stammen von Suprême NTM, Lunatik, Expression Directe, Sniper, Booba, Diams, IAM, Sexion d’Assaut, Maitre Gims und Stromae, die, meiner Meinung nach, die besten Repräsentanten des französischen Rap bzw. der Hip-Hop Industrie sind. Einige sind dadurch bekannt, dass sie bestimmte Viertel oder Region von Frankreich repräsentieren wie z. B. das Rapband Suprême NTM repräsentiert die Pariser Banlieue Saint-Denis oder IAM aus Marseille, was zu Auseinandersetzungen zwischen den Rappern geführt hat. Sexion d’Assaut, beispielsweise, gilt heutzutage als eine der beliebtesten Rap-Gruppen sowohl in Frankreich als auch in der ganzen Welt, kann aber auch dem Mainstream-Rap zugeordnet werden. Leider ist diese Gruppe auch dadurch bekannt, dass sie wegen ihrer Homophobie in Frankreich kritisiert wurde. Diams ist außergewöhnlich, weil sie als eine der wenigen weiblichen Rapperinnen Frankreichs gilt und als Rebellin bezeichnet wird. Sie hat mit ihren Werken die männliche Rap-Industrie angegriffen und ihren eigenen Stil kreiert. Suprême NTM existiert in der französischen Rap-Szene seit mehr als 30 Jahren und ist durch Ihre Feindlichkeit gegenüber Politikern bekannt, weshalb diese mehrfach Strafverfahren wegen ihren Liedern angestrengt haben. Alle oben beschriebene Punkte haben mich davon überzeugt, keinen konkreten Rapper, sondern Lieder der erfolgreichsten und berühmtesten Rapper auszuwählen, um die allgemeinen Tendenzen festzustellen.
5.3. Analysebeschreibung
Vor Beginn der Analyse müssen die Analysekategorien formuliert werden, die Antworten auf die Fragestellungen dieser Arbeit finden helfen. Auf Basis der Theorie und der ausgewählten Raptexte haben sich sieben wichtigste Analysekategorien gebildet. Die werden anschließend ausführlich dargestellt und erklärt.
Die Klassifikation von Goudaillier hat die Basis bei der Formulierung der ersten wichtigen Analysekategorie gebildet. Funktionale Kategorien oder wie Goudaillier selber formuliert „figures stylistique“ stellen die Ausprägungen dar, die ein Wort zu Argot in einem bestimmten Kontext machen. Die Ausprägungen, die für diese Analyse grundlegend waren, sind métaphore, métonymie, troncation bzw. apocope und aphérèse, anglicisme und verlan. Die Aufgabe bestand darin, während des Lesens der Raptexte die Wörter auszuwählen, die zu den funktionalen Kategorien passen könnten, d. h. diese Kategorien in den Raptexten zu identifizieren, in die Excel-Tabelle einzutragen und als Beispiele und Basis für die Analyse zu benutzen. Es ist wichtig zu unterstreichen, dass die Nutzung von Wörterbüchern grundlegend für die durchgeführte Analyse war. Im theoretischen Teil sind die funktionale Kategorien bereits erklärt und definiert worden. Als nächstes werden kurz die Wörterbücher präsentiert, derer man sich bei der Studie bedient hat.
Oft wird ein und dasselbe Wort von verschiedenen Quellen auf unterschiedliche Weise definiert. Deswegen bedient sich diese Analyse fünf unterschiedlicher Wörterbücher, die eine eigene Analysekategorie gebildet haben. Le Grand Robert und Le Petit Robert sind die grundlegenden Basiswörterbücher, die geholfen haben Standardcharakteristika wie Bedeutung, grammatische Kategorie, Sprachregister bzw. registre de langue geholfen haben zu bestimmen. Dadurch haben sich die weiteren drei Analysekategorien herausgebildet. Die Analysekategorie „Registre de langue“ war wichtig, weil diese geholfen hat zu bestimmen, zu welchem sprachlichen Niveau bzw. Register die analysierten Wörter gehören: courrant, familier, argotique, familier/argotique/vieilli, familier/vulgaire, vieux. Die weiteren zwei grundlegenden Wörterbücher sind hauptsächlich mit dem Thema Argot verbunden: Argot & français populaire“ von Jean-Paul Colin (Colin 2006) und „Comment tu tchatches! Dictionnaire du français contemporain des cités“ von Jean-Pierre Goudaillier (Goudaillier 1997). Bei der Recherche von den weiteren Wörterbüchern, die sich hauptsächlich mit Argot und Verlan befassen, bin ich auf ein online Wörterbuch „Le Dictionnaire de la Zone. Tout l’argot des banlieues“ gestoßen, welches sich als sehr nützlich erwiesen hat. Viele Wörter, die in den Standardwörterbüchern gar nicht erwähnt werden, können in diesem Online-Wörterbuch gefunden werden. Zahlreiche Argot-Wörter werden erklärt, das Sprachregister wird angegeben, Beispiele werden ebenfalls aufgeführt. Es existiert darüber hinaus eine gedruckte Version dieses Wörterbuchs, für die Recherche hat sich allerdings die Online-Version bewährt. Wichtig ist zu sagen, dass dieses Wörterbuch ursprünglich online entstanden ist und ständig erweitert wird. Deswegen kann man sich darauf verlassen, dass es die aktuell beliebteste und am öftesten verwendete Argot-Lexik enthält, was die Recherche und die Analyse natürlich sehr erleichtert hat.
Sens dénotatif und sens connotatif sind die weiteren wichtigen Analysekategorien. Die erste ist den Wörterbüchern entnommen worden und zeigt die einfache neutrale Standardbedeutung eines Wortes. Die zweite Analysekategorie bzw. sens connotatif bezieht sich auf die Bedeutung, die aus dem Kontext des Liedes zu entnehmen ist. Es soll helfen das ausgewählte Wort im Rahmen eines Rapsongs richtig interpretieren zu können. Die einfache Bedeutung würde nicht ausreichen, um die Fragestellung und die expressive Rolle des Argot in den französischen Raptexten beantworten zu können. Deswegen habe ich die Formulierung dieser zwei Analysekategorien für relevant befunden. In Verbindung mit dieser Analysekategorie steht eine weitere bzw. Valeur, die sich neutre, dévalorisante und agressif ausprägt. Diese Analysekategorie soll dabei behilflich sein festzustellen, ob die ausgewählten Wörter im Kontext des Liedes abwertend und aggressiv oder neutral verwendet werden.
Um die Hypothese der Aggressivität als Hauptthema in den französischen Rapsongs beantworten zu können, habe ich zentrale Themen bzw. thematische Felder oder Domänen gebildet, aus denen die für die Analyse verwendeten Wörter stammen. Goudaillier (Goudaillier 1997) skizziert solche Domänen wie l’argent, la drogue/l’alcool, le sex, l’amitié/les bandes, la femme, les diverses communautés, le travail, la famille, la défense de ses intérêts, la police/le loi/l’autorité/la prison, la vie dans les cités. Er bezeichnet diese als traditionelle thematische Domäne des Argot. Während der Analyse ist diese Liste erweitert worden. Im Weiteren wird angesprochen, welche Domäne in analysierten Raptexten identifiziert werden konnten.
Alle bisher erwähnten Analysekategorien beziehen sich allgemein auf Argot. Wie aus dem theoretischen Überblick ersichtlich ist, beschäftigt sich die Arbeit mit zwei thematischen Blöcken. Deswegen gliedert sich auch die Analyse in zwei Teile. Der zweite Teil der Analyse ist ausschließlich dem Thema Verlan gewidmet. Um zu diesem Thema gestellten Hypothesen beantworten zu können, wurden die folgenden Analysekategorien entwickelt: type de lexeme verlanisé, Bedeutung, Bildungsart, Valeur, Konnotation, Domäne und Wörterbuch.
An dieser Stelle muss erklärt werden, warum diese Analysekategorien bedeutend sind. Die Bedeutung zeigt das ursprüngliche Wort, aus dem ein Verlan entstanden ist. Die Bildungsart stellt die sogenannten Codierungsregeln dar: Diese sind ausführlich im theoretischen Block erklärt worden. Diese Analysekategorie zeigt, auf welche Weise Wörter am häufigsten verlanisiert werden. Die Analysekategorien „Valeur“ und „Konnotation“ entsprechen demselben Prinzip wie in dem ersten Teil der Analyse und zeigen, ob ein verlanisiertes Wort neutral oder im emotionalen Kontext (positiv oder negativ) verwendet wird. Die thematischen Kontexte bzw. Domänen, zu denen diese Wörter gehören, schildern die zentralen Bereiche der verwendeten Verlan-Fälle. Die Analysekategorie „Wörterbuch“ ist notwendig, um festzustellen, ob ein Verlan lexikalisiert ist d. h. anerkannt und deswegen bereits in ein lexikalisches Wörterbuch eingetragen ist. Sobald ein bestimmtes Wort in keinem Wörterbuch kodifiziert ist, kann dies ein Beweis dafür sein, dass dieses Wort spontan gebildet worden ist und nicht regulär gebraucht wird, das heißt nicht lexikalisiert und kodifiziert ist.
Die Analyse habe ich in Excel durchgeführt, weil sich die Ergebnisse dadurch am anschaulichsten zeigen lassen. Die Darstellung der Ergebnisse mit der Hilfe von Tabellen und Diagrammen erlaubt eine einfache und übersichtliche Darstellungsweise der dominanten Analysekategorien.
Es steht nun fest, welche Aspekte für die Analyse herangezogen wurden. Im Folgenden werden die einzelnen Ergebnisse vorgestellt und entschieden, wie die formulierten Hypothesen bewertet werden müssen.
6. Darstellung und Interpretation von Ergebnissen
Im Folgenden werden die Ergebnisse der durchgeführten Analyse dargestellt und erklärt. Wie der theoretische Teil werden auch hier die Ergebnisse in zwei Blöcke geteilt. Als erstes werden die Fragestellungen und Hypothesen in Bezug auf die funktionalen Kategorien des Argot behandelt. Im Anschluss werden die Befunde in Bezug auf die Technik des Argot bzw. Verlan dargestellt. Beide Teile sind mit einem eigenen Zwischenfazit versehen.
6.1. Makroanalyse der funktionalen Kategorien von Argot
In der ersten formulierten Fragestellung musste bestimmt werden, ob es einen Zusammenhang zwischen der Thematisierung von Gewalt und Aggressivität einerseits und der Verwendung von Argot in französischen Raptexten andererseits besteht. Bei der Recherche der theoretischen Basis zum Thema „Agressivität und Gewalt in Rap“, wird die Meinung vertreten, dass aggressive und gewalttätige Darstellungen in Raptexten ein Teil der Performance ist, der von den Rappern gewählt wurde. Daraus folgt, dass der Rap nicht an sich aggressiv bezeichnet werden sollte, sondern als eine artistische musikalische Darstellung, die durch aggressive und gewalttätige Ausdrücke zustande kommt. Daher war die Hauptinteresse der Analyse, ob die Argot-Lexik sich mit dieser Aussage decken würde. Wie bereits erklärt, waren solche Analysekategorien wie sens connotatif, Valeur und Domäne dabei behilflich, die Antwort auf die gestellte Fragestellung zu finden. Es muss außerdem hervorgehoben werden, dass ich während der Analyse selber entscheiden musste, ob ein Wort als neutral, aggressiv oder abwertend interpretiert werden soll, da in den Wörterbüchern sehr selten die spezifische Konnotation eines Wortes angegeben war. Im Rahmen dieser Analyse waren die Wörter aber in erster Linie in Bezug auf den Kontext interpretiert, um die Konnotation innerhalb des Kontextes feststellen zu können. Ich habe mich bei der Interpretation der Ergebnissen folgenderweise orientiert: Falls die Mehrheit der analysierten Wörter als aggressiv und abwertend markiert wird, kann man davon ausgehen, dass Argot-Lexik und Aggressivität bzw. Gewalt in den französischen Rap-Texten tatsächlich
In der Abbildung 1 sind die Ergebnisse zu der ersten Fragestellung veranschaulicht. Die Daten sind in vollen Zahlen und in Prozentsätzen präsentiert. Die zwei Diagrammen schildern ganz klar, dass die Mehrheit der analysierten Wörter als neutral konnotiert wird. Gleichzeitig sind aggressive und abwertende bzw. péjorative Wörter trotzdem ebenfalls vorhanden. Bemerkenswert ist aber, dass die Anzahl der Wörter, die als dévalorisant/péjoratif markiert sind, mit einem Anteil von 28 Prozent einen größeren Teil ausmachen als die aggressiven Wörtern. Diese sind nur mit 11 Prozent vertreten. Diese Ergebnisse geben eine klare Antwort auf die erste Fragestellung. Gemäß der vorliegenden Daten kann man davon ausgehen, dass kein direkter Zusammenhang zwischen Aggressivität bzw. Gewalt einerseits und der Verwendung von Argot andererseits besteht. Die Vermutung, dass die ausgewählten französischen Rap-Texte aus den letzten 20 Jahren nur aggressive Argot-Lexik enthalten, konnte nicht bestätigt werden.
Wie sieht es denn mit den gestellten Hypothesen zu dieser Fragestellung? Die erste Hypothese geht davon aus, dass der französische Rap Gewalt als Hauptthema impliziert und durch Verwendung von Argot die Gewaltausdrücke versprachlicht. Um diese Hypothese beantworten zu können, habe ich die Analysekategorie Domäne als Grundlage genommen. Während der Zuordnung zu den passenden Domänen, haben sich 19 Domäne bzw. Frames herausbilden können. Aus den Ergebnissen wird ersichtlich, dass die Domäne aggressivité/violence am häufigsten vertreten wird und mit 22 Prozent die größte Gruppe bilden. Solche Domäne wie argent (12%) und musique (10%) bilden die zweitgrößte Gruppe der analysierten Argot-Wörter. Die unten dargestellte Abbildung präsentiert die festgestellten Daten ausführlich.
Während der Interpretation der Ergebnissen hat sich eine relativ problematische Frage gestellt: Kann ein Wort als neutral konnotiert werden und gleichzeitig zu der Domäne der Aggressivität und Gewalt gehören? Die zwei Aspekte sind einerseits sehr widersprüchlich, deswegen lässt diese Frage am besten an einem konkreten Beispiel beantworten. Das Wort „baton“ bzw. seine verlanisierte Form „ton-ba“ kommt im Lied von Suprême NTM – On est encore là“ im folgenden Satz vor: „C’est pour ça qu‘ j’ai gardé ma tenue de combat, que j’lâcherai pas mon ton-ba. Fais gaffe à ton dos, protège tes abdos. Si tu parles cash de leurs vices, ils te feront pas de cadeaux“. Ton-ba als ein alleinstehendes Wort sollte meiner Meinung nach als neutral konnotiert werden, während es als Teil des spezifischen Kontextes zur Domäne der Aggressivität und Gewalt zugeordnet werden muss. In dem angeführten Beispiel wird dieser Stock als ein Verteidigungsmittel gebraucht, was uns zu den Gedanken bringt, dass es vermutlich zu einer Schlägerei kommen könnte, so dass man sich mit einem ton-ba gegen den anderen wehren muss. Das Wort alleine repräsentiert allerdings keine aggressive oder abwertende Sache, deswegen ist es ein neutrales Wort. Das Verb „défoncer“ hingegen klingt aggressiv und wird in der Regeln ausschließlich in einem aggressiven oder gewalttätigen Kontext verwendet.
Die Ergebnisse bestärken die Annahme, dass der französische Rap Gewalt als Hauptthema impliziert und durch Verwendung von Argot-Lexik die Gewaltausdrücke versprachlicht. Ohne die Wörter aus den Bereichen der Aggressivität kann der Rapper die gespannte Atmosphäre des Kontextes nicht wiedergeben. Dadurch, dass die größte Zahl der Wörter zu der Domäne aggressivité/violence zugeordnet worden sind, konnte die Hypothese 1.1 bestätigt werden.
Die zweite gestellte Hypothese in diesem Block geht davon aus, dass mehr Anglizismen in den französischen Rap-Texten verwendet werden als andere Formen des Argot. Aus den Ergebnissen 1 ist deutlich erkennbar, dass die Zahl der verwendeten Anglizismen in den analysierten Rap-Texten mit 41 von gesamt 199 Wörtern tatsächlich sehr hoch ist. Gleichzeitig hat sich eine zweite Gruppe gebildet: Die Apokopen als eine Art der Tronkation sind neben den Anglizismen ebenfalls sehr häufig verwendet. Die Tatsache, dass die Anglizismen am häufigsten vorkommen, kann dadurch erklärt werden, dass der Rap aus den USA stammt und dadurch französische Rapper vermutlich beeinflusst, die Entlehnungen zu verwendet. Diese sind oft knapper und lassen sich dem musikalischen Aspekt eines Rap-Liedes besser anpassen.
Gemäß den Zahlen bestätigt sich die Hypothese 1.2: Es werden tatsächlich mehr Anglizismen in den französischen Rap-Texten verwendet als andere Formen von Argot. Aber auch die Aussage, dass eine große Zahl der Argot-Wörter durch eine Apokope gebildet wird, kann bestätigt werden. Der morphologische Aspekt bei der Bildung von Argot-Lexik kann deswegen als einer der relevantesten bezeichnet werden. Die metaphorische Darstellung ist in den Raptexten anscheinend auch sehr beliebt, zumindest beweisen dies die festgestellten Ergebnisse, weil sie die drittgrößte Gruppe der am meisten verwendeten funktionalen Kategorien des Argot bildet. Der Verlan ist ebenfalls nicht ohne Aufmerksamkeit geblieben. Diese Gruppe bilden verlanisierte Argot-Wörter mit 32 Fällen. Im Anschluss werden diese näher interpretiert und analysiert.
6.1.1. Zwischenfazit
Anhand der Ergebnisse konnte die erste Fragestellung nicht bestätigt werden. Es kann jetzt sicher gesagt werden, dass es keinen Zusammenhang zwischen Aggressivität bzw. Gewalt und dem Argot in den französischen Rapsongs aus den Jahren 2000-2015 gibt. Die zwei gestellten Hypothesen haben sich aber während der Interpretation von Ergebnissen als richtig erwiesen. Anglizismen werden in Raptexten häufiger gebraucht als funktionale Kategorien von Argot wie Metaphore, Verlan, Ressufixation oder Wörter arabischer oder afrikanischer Herkunft. Es hat sich außerdem herausgestellt, dass der morphologische Prozess der Tronkation bzw. Apokope, die am zweit-häufigsten verwendete Methode bei der Bildung der Argot-Lexik verwendet ist.
6.2. Mikroanalyse des Verlan
Die Fragestellung und drei gestellten Hypothesen zum Verlan konnten ebenfalls mithilfe der Analyse beantwortet werden. Die verschiedenen beachtenswerten Ergebnisse werden im Weiteren dargestellt und erklärt.
Um die Fragestellung dieses Blocks – wie ist die expressive Rolle des Verlan in den französischen Rap-Texten und aus welchen thematischen Domänen kommen die meisten Verlan-Wörter – beantworten zu können, wurden erstmals die Domäne bzw. Frames untersucht, zu denen verlanisierte Wörter am häufigsten zugeordnet wurden.
Auf Basis der Zahlen ist es offensichtlich, dass die meisten Verlan-Wörter (nur 7 Wörter von den 31) in den ausgewählten Rap-Texten aus der Domäne der Aggressivität und Gewalt stammen. Jedes Wort muss im Rahmen des Kontextes von Rapsongs behandelt werden. Solche Wörter wie foncedé bzw. ‚défoncer‘, ssé-ca bzw. ‚cassé‘ und illeu-cou wie ‚couilles‘ sind die anschaulichsten Beispiele der Expressivität in Verbindung mit aggressiver Darstellung. Zur besseren Erklärung lohnt es sich, den Kontext näher zu betrachten. Sexion d’Assaut verwendet in dem Lied „A bout d’souffle“ den Verlan foncedé im folgenden Satz: „J’ai plus de temps à perdre avec tous ces soucis futiles, qui t’amènent dans la merde, fonce-dé, faut tous les oublier“. Der Kontext wirkt nicht neutral, sondern gibt das Gefühl, dass der Sprecher die Umstände nicht mehr ertragen kann und dass er diese schnellstmöglich loswerden möchte. Anscheinend lässt sich das Gefühl des „Genug-Seins“ am besten durch direkte aggressive Wörter vermitteln, als durch neutrale Äußerungen. Interessanterweise bildet die Domäne der Familie mit den Wörtern wie plèmes-pro von ‚problème‘, tits-pe von ‚petit‘ oder re-frè von ‚frère‘ die zweitgrößte Gruppe, aus der die identifizierten Verlan-Wörter stammen. Daraus lässt sich schließen, dass dieses Thema ebenfalls als einer der zentralsten Themen des Verlan bezeichnet werden kann. Die Musikindustrie wird ebenfalls zum Thema: Die Verlan zik von ‚musique‘, reu-sta von ’star‘ und sique-mu von ‚musique‘ repräsentieren diese Domäne. Bemerkenswert ist, dass das Wort Musik zwei Variationen aufzeigt: einerseits bildet sich ein Verlan durch einfache Umstellung von zwei Silben, andererseits kommt ein phonetischer Aspekt ins Spiel bzw. der Verlan zik entsteht erstens durch Weglassen von der letzten Silbe bzw. sique-MU d. h. durch den morphologischen Prozess der Tronkation bzw. Apokope und zweitens wird der Konsonant ‚q‘ durch sein Phonem /k/ ersetzt, so dass dadurch der Verlan zik entsteht. Jean-Pierre Goudailier spricht von einer anderen Möglichkeit für eine verlanisierte Form des Wortes ‚musique‘: zicmu wäre ebenfalls eine mögliche Schreibweise dieses Verlan. Da diese Schreibweise einem lexikalischen Argot-Wörterbuch entnommen ist, bedeutet das, dass diese Schreibweise lexikalisiert bzw. als bewiesen und anerkannt gilt. Aus welchem Grund die Schreibweise sich verändert, kann nur vermutet werden: Wahrscheinlich ist es die Frage der Präferenz zu einer oder anderen Schreibweise.
Eine weitere Domäne muss einer kurzen Betrachtung unterzogen werden: Zu der Domäne prison/loi/ autorité sind nur zwei Verlan-Wörter aus den ausgewählten Rap-Texten zugeordnet worden bzw. ter-inspec und keufs. Persönlich habe ich erwartet, dass viel mehr Wörter aus diesem Bereich kommen würden. Ter-inspec ist ein Verlan von dem Wort ‚inspecter‘ und kommt im Lied von Sinik „Une époque formidable“ aus dem Jahr 2005 im folgenden Kontext vor: „Ainsi débute ma vie entre les ter-inspec et le terrain vague“. Wenn man sich den Satz anschaut, fällt sofort auf, dass eigentlich eine Plural-Form mit dem Verlan ter-inspec gemeint wird. Diese wird aber bei der Bildung des Verlan nicht übernommen. Hier muss eine grammatische Besonderheit des Verlan hervorgehoben werden: Dieses Argot-Technik unterscheidet weder weibliche und männliche Formen noch die Formen der Mehrzahlangaben wie Singular oder Plural.
Im Folgenden wird über die Interpretation der gestellten Hypothesen zum Verlan gesprochen. Wenn wir uns die Vermutung bzw. die Hypothese 2.1 anschauen, dass sich die französischen Rapsongs aus den letzten 20 Jahren durch einen sehr hohen Anteil an verlanisierten Wörtern kennzeichnen, muss das Folgende gesagt werden: Die festgestellten Daten legen offen 2, dass die funktionale Kategorie des Argot wie Anglizismen am häufigsten im Vergleich zu den anderen Kategorien verwenden wird. Der Verlan wird in nur 16 Prozent der Fälle vertreten. Daraus folgt, dass sich die französischen Rapsongs nicht durch einen sehr hohen Anteil an verlanisierten Wörtern kennzeichnet und dass sich die Hypothese 2.1 nicht vollkommen bestätigen lässt. Die Abbildung 2.1 stellt die Ergebnisse in Bezug auf diese Hypothese nochmals dar.
Im theoretischen Teil ist bereits erwähnt worden, dass der Verlan oft mit einer negativen Form der Lexik verbunden ist und deswegen von Nicht-Nutzern eher abwertend bewertet wird. In diesem Zusammenhang ist die zweite Hypothese zu diesem Block entstanden bzw. in Verbindung mit der Idee, dass die meisten verlanisierten Wörter, die in den französischen Rap-Texten vorkommen, abwertend und aggressiv sind. Um die tatsächliche Situation feststellen zu können, hat die Kategorie der Konnotation bzw. Valeur ihren Gebrauch gefunden. Wie Abbildung 6 zeigt, ist die deutliche Mehrheit der Verlan-Wörter als neutral konnotiert (22 von 31 Wörtern) z. B. gol-ri, ive, ne-zo, ton-ba, sique-mu etc. Aus diesem Grund konnte die gestellte Hypothese nicht bestätigt werden. Es ist anzumerken, dass dieses Ergebnis dem der Fragestellung 1 entspricht. Lediglich 9 aus 31 Wörtern der identifizierten Verlan-Fälle konnten als aggressiv oder abwertend bezeichnet werden. Als dévalorisant/péjoratif wurden die Verlan gefunden wie meuf von ‚femme‘, keuf von ‚flic‘ und té-be von ‚bête‘. Auch ohne Kontext klingen diese Wörter auf keinen Fall neutral. Das Vorhandensein des Rahmens eines Rapsongs verstärkt noch mehr die negative Deutung dieser Wörter. In dem folgenden Satz „Des heures au phone avec ta meuf afin de mieux vous rapprocher“ (Sexion d’Assaut – Avant qu’elle parte) oder in „Y a comme un goût de peur chez les meufs de l’année 2000“ (Diams – La boulette) fällt auf, dass in abwertendem Art und Weise über Frauen gesprochen wird. Außerdem ist es wichtig zu sagen, dass diese drei Formen von Verlan in den lexikalischen Wörterbüchern angegeben sind, so dass es beweist, dass diese Verlan-Wörter zu der Norm gehören und in der französischen Sprache fest verankert sind.
Als Letztes muss über dritte gestellte Hypothese diskutiert werden, dass jedes Wort verlanisiert werden kann und dass keine festen Regel und Voraussetzungen bestehen, die ein Wort zu einem Verlan machen. Dafür habe ich mir jede gefundene Form von Verlan angeschaut, um die Tendenzen bei der Bildung der verlanisierten Wörter zu identifizieren. Als Erstes ist hervorzuheben, dass ein Verlan grundsätzlich durch phonetische Veränderungen entsteht, weil diese Technik von Argot hauptsächlich auf dem mündlichen Aspekt basiert d.h. ein Phänomen der gesprochenen Sprache ist. Allerdings gibt die Fälle, wo ein Verlan durch eine Mischung mehrerer sprachlicher Prozesse entsteht. Diese sind phonetische, semantische und morphologische Merkmale. Jeder Verlan verläuft eine bestimmte Transformation. Untersuchen wird beispielsweise den Verlan re-frè: Dieser bildet sich durch die Umstellung von zwei Silben, es wird dadurch die Grundregel für die Transformation eines zweisilbigen Wortes verwendet. Der Konsonant, der dem ersten Vokal folgt, gilt immer als Ausgangspunkt des neuen veränderten Verlan-Wortes: Das neutrale Wort frè-Re wird zum Verlan Re-frè. Außerdem wird das Stumme /e/ am Ende des Wortes durch die Umstellung der Silben doch ausgesprochen: [fʀɛʀ] – [fʀɛʀə] – [ʀø-fʀɛ]. Durch die morphologische Transformation eines Wortes durch Silbenumstellung und Beibehalten eines Vokals in einer verlanisierten Form, entsteht eine neue phonetische Darstellung des Substantivs frère in dem Verlan re-frè. Der theoretische Teil zum Thema Verlan hat die wichtigsten Codierungsregeln von Verlan bereits behandelt. Daraus folgt, dass bestimmte Regeln befolgt werden müssen, um einen Verlan zu bilden. Aus der Abbildung 7 kann entnommen werden, dass phonetische Merkmale als Grundlage zur Bildung eines Verlan verwendet werden.
Interessant ist kurz den Fall zu betrachten, in dem zwei sprachlichen Ebenen wie Phonetik und Semantik zur Bildung seines Verlans beigetragen haben. Zu dem Fall gehören vier Verlan-Wörter: you-voi von ‚voyou‘, tard-pé von ‚pétard‘, per-pom von ‚pomper‘ und keufs von ‚flic‘. Alle vier Wörter sind durch Sibenumstellung zu einem Verlan transformiert worden, während der semantische Aspekt dieser Wörter ebenfalls in Betracht gezogen werden muss. Vivienne Méla vertritt die Meinung, dass „le mot verlanisé est souvent limité à une seule signification tandis que le mot de départ peut avoir plusieurs sens“ (Méla 1988, 57). Der Verlan keuf bedeutet grundsätzlich ‚agent de police, policier‘. Es existiert aber ebenfalls eine péjorative Bedeutung. In dem Fall bedeutet es laut Le Grand Robert ‚une personne qui ajoute à sa fonction sociale première un rôle de surveillance ou de répression‘ (Robert 2008, online am 08.07.2020). Das Verb pomper in seiner neutralen Bedeutung drückt das Prozess des Abpumpes aus. In einem sexuellen bzw. argotischen Kontext heißt es ‚jemanden befriedigen‘ 3. Diese Bedeutung wird für der Verlan per-pom übernommen z. B. bei Rohff – La fierté des nôtres: „Tu t’prends pour moi, t’sais pas per-pom comme Hilary“. Aus den präsentierten Ergebnissen folgt, dass jedes Wort verlanisiert werden kann. Es müssen aber bestimmte Codierungsregel befolgt werden, indem phonetische, morphologische und semantische Merkmale berücksichtigt werden.
Zum Schluss müssen noch zwei Aspekte angesprochen werden: Die meisten Verlan-Wörter, die in den analysierten Raptexten vorkommen, sind zweisilbig. Damit bestätigt sich die Aussage, dass die Standardregel der Verlanisierung für die meisten Wörter eingesetzt werden kann. Die Analyse hat außerdem gezeigt, dass diese Wörter in meisten Fällen in Wörterbücher zum Argot zugeordnet wurden. Dies entspricht den 80 Prozent der Fälle.
6.2.1. Zwischenfazit
In Übereinstimmung mit den aus der Analyse gewonnenen Daten kann behauptet werden, dass die Domäne der Aggressivität und Gewalt die zentrale Domäne in den analysierten französischen Rapsongs ist. Den Domänen famille und musique konnte ebenfalls eine große Anzahl der Verlan-Wörter zugeordnet werden. Weitere Domänen, die wenig vertreten sind, aber trotzdem festgestellt werden konnten, sind amitié, amour, corps, drogue et alcool, lieu, prison/loi/autorité, sentiment, sexualité, société und transport. Ein Blick auf die oben dargestellten Daten zur Analyse der Verlan-Wörter zeigt, dass drei gestellte Hypothesen leider abgelehnt werden müssen. Es konnte bewiesen werden, dass es keinen sehr hohen Anteil an verlanisierten Wörtern in den französischen Raptexten gibt. Anglizismen, Apokope und Metaphore bleiben die am häufigsten verwendeten funktionalen Kategorien des Argot. Ebenfalls muss die Hypothese abgelehnt werden, dass die meisten Verlan in französischen Rapsongs abwertend und aggressiv sind. Die Ergebnisse beweisen, dass diese im Kontext der Rapsongs eher neutral verwendet werden. Letztendlich lässt sich unterstreichen, dass jedes Wort zu einem Verlan transformiert werden kann, falls die oben erklärten Codierungsregeln befolgt und vor allem phonetische und morphologische Merkmale berücksichtigt werden. In diesem Zusammenhang entsteht die Frage, ob diese Regeln von dem Verlan-Sprecher tatsächlich bewusst befolgt werden oder der Prozess der Transformation zum Verlan eher spontan bzw. unbewusst verläuft. Relativ klar ist aber, dass es keine Voraussetzungen für ein Wort gibt, um es zu einem Verlan bilden zu können.
7. Schlussfolgerung
Zielsetzung der vorliegenden Arbeit war, den Stellenwert von Argot und seiner Technik Verlan in den französischen Rapsongs aus den Jahren 2000-2020 zu definieren. Im Fokus der Überlegungen und der gestellten Fragen waren ganz unterschiedliche Aspekte: generell in Bezug auf den Argot und seinen funktionalen Kategorien und ganz konkret in Bezug auf Verlan. Den Wunsch sich einer weiten exemplarischen Analyse vieler verschiedener Rapsongs zu widmen, hat dazu geführt, dass am Ende doch eine Beschränkung auf eine kleinere Auswahl notwendig war, um die wichtigsten Punkte im Fokus zu haben. Die Analyse war dahingehend zufriedenstellend, dass sie die eindeutige Beantwortung der Fragen und der Hypothesen ermöglicht hat. Im theoretischen Teil ist es gelungen, eine klare Übersicht über die wichtigsten Definitionen der Begriffe darzustellen und einen Überblick über die relevantesten historischen Informationen zu erschaffen. Es ist jetzt eindeutig, dass Argot und Verlan sprachliche Phänomene des gesprochenen Französisch sind, die eng mit sozialen Aspekten verbunden sind und die durch die Medien und den sozialen Hintergrund ihrer Sprecher beeinflusst werden. Durch die Analyse der Argot-Lexik wurde nachgewiesen, dass die Raptexte als Repräsentanten der französischen Rap-Kultur aus den letzten zwanzig Jahren weniger aggressiv und gewaltig sind, als man es in der Regel behauptet. Der Zusammenhang der Thematisierung von Gewalt und Aggressivität einerseits und der Verwendung von Argot andererseits konnte nicht bestätigt werden, das bedeutet, dass die in der Rap-Texten verwendetet Argot-Lexik grundsätzlich nicht aggressiv, sondern eher neutral oder abwertend bzw. péjorativ ist. Interessant bleibt die Tatsache, dass die Bereiche der Gewalt und Aggressivität dennoch am häufigsten zum Thema von Rapsongs werden. Es ist aber zu unterstreichen, dass die Konnotation eines Argot-Wortes innerhalb eines Kontextes und die vorkommende Domäne in den Raptexten nicht in enger Verbindung stehen. Ein Wort kann neutral klingen, aber aus einem Bereich der Gewalt stammen und umgekehrt. Obwohl sich der Rap hauptsächlich sozialen Themen widmet, bleibt die Musikindustrie ebenfalls im Zentrum des Interesses von Rappern, über deren Erfahrung in den Rapsongs berichtet wird. Die amerikanische Herkunft des Raps hat den französischen Rap nicht ohne Einfluss gelassen. Auch wenn die französische Sprache nach Bereinigung von Entlehnungen strebt, bleiben die Anglizismen die häufigsten verwendete Form des Argot in der Rap-Sprache. Die Knappheit und Klarheit dieser Wörter könnte einer der Gründe dafür sein, dass französische Rapper Anglizismen den anderen Entlehnungsformen vorziehen. Es muss allerdings betont werden, dass die Herkunft der Rapper ebenfalls eine Rolle in der sprachlichen Auswahl spielen kann.
Das Phänomen des Französischen Verlan konnte in dieser Arbeit nicht ohne eigene Analyse bleiben, da diese Technik des Argot einer der unklarsten Aspekte der sprachwissenschaftlichen Forschung bleibt. Der Verlan wird immer als eine Form der französischen Sprache gesehen, die diese nur verdirbt und erniedrigt und auf keinen Fall bereichert. Allgemein hält man selten eine positive Einstellung gegenüber dem Verlan. Diese Analyse konnte viele Aspekte erläutern und klarer machen. Der Verlan dient der Knappheit und Expressivität der Äußerungen und ermöglicht den Rappern ihre Kreativität in dieser sprachlichen Form zu verwirklichen. Außerdem fördert Verlan die musikalische Seiter der Rapsongs durch seine phonetische Darstellung. Die meisten verlanisierten Wörter kommen aus der Domäne der Gewalt und Aggressivität, was nicht verwunderlich ist, weil die Raptexte diese Domäne als zentrales Thema ihrer sprachlichen Performance haben. Die Meinung, dass der französische Rap ausschließlich aus Verlan besteht, konnte im Rahmen dieser Analyse nicht bestätigt werden. Der wichtigste Befund aus diesem Teil ist, dass jedes Wort zu einem Verlan transformiert werden kann, indem bestimmte Codierungsregeln angewandt werden. Werden diese Regeln streng befolgt? Die Antwort ist nein, beispielsweise, weil immer wieder Abweichungen in der phonetischen Darstellung eines Verlan festzustellen sind.
Der Argot war für mich lange Zeit ein sehr unklares Konzept des Französischen. Genauso wie die französischen Rapsongs: Sie haben etwas Besonderes an sich, was diese von den amerikanischen Stücken unterscheidet, die verwendete Sprache war aber für mich immer so unverständlich, dass ich keine richtige Erklärung dafür finden konnte. Nach dieser Arbeit haben sich viele Aspekte geklärt, so dass selbst französische Muttersprachler aus meinem Freundeskreis ebenfalls vieles aus dieser Arbeit erfahren können. Der Verlan hat sich interessanter und leichter gezeigt als gedacht. Diese Umstellung der Silben innerhalb eines Wortes wirkt auf mich magisch. Das wäre aber ein gutes Thema für eine andere Analyse zum Verlan in französischen Raptexten.
8. Ausblick
Nachdem über die stilistischen und sozio-indexikalischen Funktionen von Argot in französischen Rapsongs diskutiert wurde, möchte ich einen Ausblick in die mögliche weitere Forschung zu Argot, Verlan und Rap geben. Argot und Verlan bieten zahlreiche Themen an, die für weitere Analysen von Interesse sein können. Wenn man sich beispielsweise in die Verlan-Theorie vertiefen will, kann man sich dem phonetischen Aspekt näher widmen. Warum werden manche Silber verkürzt? Wie erfolgt die Entscheidung für einen Vokal oder einen Konsonanten, der behalten werden soll? Die Raptexte ermöglicht ebenfalls eine große Auswahl an Themen. Es wäre von Interesse zu untersuchen, wie die Satzstruktur der Raptexte aussieht bzw. es wäre interessant zu erfragen, wie man es schafft, den Rhythmus in Rapsongs durch phonetische Besonderheiten zu kreieren. Falls man einen bestimmten Rap-Prototyp erstellen möchte, würde sich eine exemplarische Analyse der Texte eines Rappers lohnen, um einen sprachlichen Prototyp in Bezug auf Argot und Rap zu erstellen.
Abschließend kann angemerkt werden, dass die Ethnologie ebenfalls einen Einfluss auf die Sprache von Rappern ausgeübt hat. Regelmäßig stößt man in Raptexten auf Wörter oder Redewendungen, die in Verbindung mit der Herkunft eines Rappers stehen. Spannend wäre sich diesem Aspekt zu widmen, um festzustellen, welche Bereiche der Ethnologie dabei relevant sind und warum diese von Rappern in ihren Liedern zum Ausdruck gebracht werden. Ob eine bestimmte Region, aus der ein Rapper kommt, eine wichtige Rolle beim Gebrauch des Argot spielt, wäre auch Gegenstand einer Studie.
Warum wurden nicht diese Fragen für die Analyse gewählt? Die Rahmenbedingungen einer Arbeit sind immer begrenzt und es muss eine definitive Entscheidung darüber getroffen werden, was exakt im Zentrum der Studie stehen soll. Um ein konkretes Thema auswählen zu können, habe ich mich für eine allgemeine Analyse der Raptexte entschieden, ohne einem einzelnen Aspekt vertiefte Aufmerksamkeit zu geben, sondern die generelle Rolle von Argot und seiner Technik Verlan in den modernen französischen Raptexten zu bestimmen. Die breiten Möglichkeiten, das Themenspektrum dieser Analyse zukünftig zu erweitern, ist ein Beweis dafür, dass vieles in diesem Thema noch erforscht werden kann und jede Analyse des Argot, des Verlan und von Raptexten je nach Schwerpunkt und Interessen angepasst werden kann.
9. Anhang
Anhang 1: Korpus der Analyse – Raptexte aus den Jahren 2000-2020
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