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Feuersteinbeile




1. Allgemeine Informationen und Forschungsgeschichte

Feuersteinbeile (Abb. 1) sind nachweislich seit dem späten Mesolithikum existent und wurden bis in die Bronzezeit benutzt. Unter einem Beil versteht sich ein undurchbohrtes, einschneidiges Gerät. Dieses konnte entweder an seinem Nacken oder an seinem Mittelstück geschäftet werden. Meist liegt die Schneide des Beils parallel zu seinem Nacken. Die Beile sind nicht zu verwechseln mit den Äxten, welche einen durchbohrten Schaft besitzen (Hoof 1970, 3). Feuersteinbeile im Neolithikum dienten sowohl rein funktionalen Zwecken wie etwa der Bearbeitung von Naturflächen, als auch zum Zwecke  symbolischer und kultischer Tätigkeiten.  

Feuersteinbeil der Tiefstichkeramik mit Patina (© Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt).

Große Steingeräte fanden in Deutschland erst spät Anklang in Bezug auf ihre wissenschaftliche Auseinandersetzung. Wichtig zu wissen ist, dass Feuersteinbeile häufig als Lesefunde auf Feldern oder anderen naturbelassenen Flächen gefunden wurden. Im Mittelalter bis hin zur Zeit der Industrialisierung wurden die Feuersteinbeile für Donnerkeile gehalten und als apotropäische Schutzobjekte unter Hausschwellen oder Dachbalken platziert. Oscar Montelius entwickelte zwar vor dem ersten Weltkrieg eine erste (rudimentäre) typologische Methode für die Großgeräte, diese wurde jedoch aufgrund der politischen Umstände und eventuell wegen mangelndem Interesse lange unbeachtet gelassen. Erst nach dem zweiten Weltkrieg erfolgte eine systematischere Auseinandersetzung mit Feuer- und Steinbeilen (Hoof 1970, 6).  

2. Feuersteinbeile als typisches Merkmal für die Trichterbecherkultur

 

Die Trichterbecherkultur ist eine neolithische aufgrund ihrer materiellen Hinterlassenschaften definierte Kultur. Es weisen sich Ähnlichkeiten in der Fertigung der Steinartefakte, der Keramik und der Bestattungsweise auf, außerdem gleicht sich auch die Art der Hortdepotfunde.

Gefäße der Trichterbecherkultur (https://www.burg-bederkesa.de/archaeologie-im-museum/siedlungskammer-floegeln/, zuletzt aufgerufen am 08.06.2020).

Das Hauptverbreitungsgebiet ist Schweden, Dänemark, Norddeutschland, ein Teil der Niederlanden und Polen. Sie ist nachweisbar im Zeitraum von ca. 5000 bis 3000 v. d. Z. (Mennenga 2017, 13).

Verbreitung der Trichterbecherkultur mit ihren jeweiligen großen Untergruppen: W = Westgruppe, N = Nordgruppe, E = Ostgruppe, S = Südgruppe, SE = Südostgruppe (Mennenga 2017, Abb. 1).

Im Rahmen des Blogbeitrages und der Präsentation werden Funde aus der Nordgruppe bevorzugt betrachtet. Funde aus der Westgruppe werden als vergleichende Komponente ebenfalls kurz erörtert.

Feuersteinbeile sind natürlich auch in anderen Kulturen des neolithischen Europas aufgetaucht, z.B. in der Linearbandkeramik und Glockenbecherkultur in England, Frankreich und Spanien.

3. Vorkommen und Rohmaterial von Feuerstein

Ausgewählte Fundorte der trichterbecherzeitlichen Feuersteinbeile (© Google Maps, bearbeitet durch Referentin).

3.1. Nordgruppe:

Wangels und Oldenburg-Dannau in Ostholstein: Moränenlandschaft, 2-4-km entfernt von der Küste der Ostsee, an der es hauptsächlich Senonian Flint gibt (Abb. 5) (Brozio 2016, 25/ Menennga 2017, 14). 

Flintarten der Nordgruppe (https://www.slideshare.net/EXARC/openarch-conference-albersdorf-2013-the-state-of-research-about-flinttools-in-northern-germany, zuletzt aufgerufen am 05.06.2020).

Jutland (einschließlich ostdänischer Inseln) und die Region Schonen: Erhöhtes Flintvorkommen. Weitaus bessere Flintqualität an den Stränden und in den Strandgeröllen (Högberg et al. 2001, 193). 

3.2. Westgruppe:

Lousberg in Aachen und Niederrhein-Maas-Ebene: primäre Lagerstätte im Gebiet des heutigen Nordrhein-Westfalens und der Niederlande. Vor allem im Maasgebiet gibt es ein reichhaltiges Silexvorkommen. Das Rohmaterial hatte verschiedene äußerliche Ausprägungen, von dunklen bis zu hellen Tupfen über eine gleichmäßige graue Struktur kam dort alles vor  (Abb. 6) (Schyle 2010, 35). 

Lousberger Flint (https://www.megalithic.co.uk/article.php?sid=44061, zuletzt abgerufen am 05.06.2020).

Lavenstedt: ausschließlich Moränenflint, welcher qualitativ nicht geeignet ist für Flintbeile. Hinweise auf Importe aus Norddeutschland (Mennenga 2017, 24). 

Bezüglich der Westgruppe sollte jedoch angemerkt werden, dass wesentlich weniger Beile gefunden und untersucht worden sind, als in den Gebieten der Nordgruppe. 

4. Typologie und Herstellungstechniken

Für die Herstellung von neolithischen Beilen wurde Flint aus den primären Vorkommensquellen abgebaut. Im Falle keiner vorhandenen Flintquelle wurden auch sekundäre Quellen genutzt. Im Falle von Flint ist die Schlagtechnik am besten geeignet, da es sich hierbei um ein biogenes Material handelt und im ersten Schritt der Abschlagung bereits eine muschelige Morphologie entsteht, die - wenn gewünscht - in den nachfolgenden Schritten poliert werden kann (Cooney 2013). 

4.1. Nordgruppe:

Die ersten typologischen Unterscheidungen wurden mit der Gruppe der nordischen Flintbeile durchgeführt (siehe Abb. 7). Dies lag daran, dass die Flintbeile vor allem dort gefertigt und deponiert wurden. In Skandinavien wurden sowohl in Einzel-, als auch in Depot- und Grabfunden Feuersteinbeile verschiedener Arten gefunden. 

Neun Elemente zur Beilklassifikation (Nielsen 1977, Abb. 1,  seitliche Anmerkungen von Referentin hinzugefügt).

 

4.1.1. Dicknackiges  Beil

Dicknackiges-dickblattiges Beil (Grafik © K. Winter, in Brozio 2016, Taf. 220/2).

Dieses dickblattige Beil, welches in einer Grabkammer gefunden wurde (Abb. 17) misst eine Länge von 16,5 cm, es wurde grobkörnig geschliffen und durch mehrere große Abschläge hergestellt. Vornehmlich ab MN II bis spätes Neolithikum verwendet (Brozio 2016, 153).

4.1.2. Dicknackiges Beil

Dicknackiges-dünnblattiges Beil (Grafik © K. Winter, in Brozio 2016, Taf. 220/1).

Ebenfalls in derselben Grabkammer (Abb. 17) gefunden wurde dieses dünnblattige 12,9 cm lange Beil gefunden mit einer  Schneidebreite von 3,2 cm. Es weist trapezförmige, feinkörnig geschliffene Breitseiten auf. Typochronologisch kann vom Frühen Neolithikum bis in das Jungneolithikum belegt werden (Brozio 2016, 153). 

Während im frühen Neolithikum die dünnackigen Beile weitaus mehr hergestellt wurden, änderte sich dies spätestens im Mittelneolithikum. Fortan waren dort die dicknackigen Beile häufiger vertreten und wurden bis in das späte Neolithikum verwendet (Brozio 2016, 151). 

4.2. Dünnnackiges Beil 

 

Dünnnackiges Beil aus einem Depotfund in Dänemark Typ I (Nielsen 1977, Abb. 6).

Beile diesen Typs wurden in Skandinavien besonders oft in Depotfunden entdeckt. Die durchschnittliche Länge misst ca. 23 cm und die Nackenbreite schwankt zwischen 3-5 cm. Es gibt noch weitaus mehr Beiltypen der dünnnackigen Beile, Nielsen legte insgesamt sieben fest. 

Beile des Types VI (Nielsen 1977, Abb. 40).

Anzahl der Typenkombinationen in den Depotfunden (Nielsen 1977, Abb. 43).

4.2.1. Spitznackiges Beil 

Spitznackige Beile, Typ I und III (Nielsen 1977, Abb. 50).

Diese Exemplare stellen einen Einzelfund in Dänemark dar. Spitznackige Flintbeile diesen Typs wurden häufiger in Depotfunden entdeckt, als in Siedlungsspuren. Sie sind meist nicht so groß, wie die dünnnackigen. 

 

4.3. Westgruppe:

Wesentlich gröber hergestellt als jene der Nordgruppen. Sofern lokal produziert besaßen sie meist keine geschlagenen Seitenleisten oder Schleifungen (Hoof 1970, 28).

Lokale Produktion in Lavenstedt: 

Beilfragmente aus Lavenstedt (Mennenga 2017, Abb. 197/639).

4.3.1. Flint-Flachbeil als besondere Form der Westgruppe:

Flint-Flachbeil (https://terra-paleontologica.com/Big-neolithic-flint-Flachbeil-/-hand-axe, zuletzt aufgerufen am 05.06.2020).

4.4. Herstellungstechniken: 

Die jeweilige Funktion ist ebenfalls ein bestimmender Faktor für die Fertigungsprozesse und die daraus resultierende Morphologie des Feuersteinbeiles. 

Bei  der Herstellung von Beilen gibt es die Möglichkeit entweder den Feuerstein aus einer primären Quelle abzuschlagen und dann den Kern (Rohstück) zu bearbeiten oder aus diesem wiederum einen Abschlag  zu gewinnen, um diesen dann weiterzuverarbeiten.  Es gibt harte und weiche Techniken zur Bearbeitung. So kann der Kern mit einem Schlagstein hart bearbeitet werden um große Abschläge zu erzeugen. Ferner können diese dann mit Pick-, Druck oder Punchtechnik verfeinert werden, oder aber zum Schluss geschliffen werden (Rech 1979, 36). 

Das folgende Video zeigt den Verlauf von den ersten Abschlägen bis hin zur Schleifung und Polierung. Diese Technik wurde u.a. im Neolithikum Großbritanniens genutzt. 

Allerdings werden nicht alle Feuersteinbeile so sorgfältig und ästhetisch gefertigt wie in dem Video oder etwa in Abb. 1. Beilklingen und Feuersteinbeile für die alltägliche Produktion in Lagerstätten, um danach mit ihnen etwa landwirtschaftliche Arbeit zu verrichten, wurden meist in großen Abschlägen gefertigt und nicht zwingen an den Seitenleisten noch feinkörnig geschlagen oder geschliffen. In Gräbern hingegen wurden oft geschliffene Beile gefunden (Nielsen 1977, 103). 

5. Fundkontexte und Funktion

 

5.1. Als Lesefunde: 

Wie in der Einleitung kurz erwähnt, wurden Feuersteinbeile häufig als Lesefunde auf Feldern oder anderen naturbelassenen Orten in der Natur entdeckt. Zudem wurden viele Feuersteinbeile (einzeln oder in Depotfunden) bei landwirtschaftlichen Tätigkeiten an die Erdoberfläche gebracht, welches leider die Lage in situ zerstörte. Deswegen ist  wie bei vielen anderen weniger ästhetischen Funden von Großgeräten leider der Fall, dass der Fundkontext nicht mehr erkenntlich ist (Rech 1979, 15).  

5.2. In primären Lagerstätten:

Das Beispiel vom Lousberg in Aachen: An diesem Ort wurden eher Beilvorarbeiten und Flintklingen gefunden, fertig produzierte Feuersteinbeile sind innerhalb der Produktionsstätten selten. Allerdings wurden außerhalb der Lagerstätte fertige Flintbeile gefunden (möglicherweise in Siedlungen), dies könnte auf die individuelle und private Verwendung im Siedlungskontext hinweisen (Schyle 2010, 84).

5.3. In Depotfunden:

Vor allem trichterbecherzeitliche Depotfunde konnten in der Nord- und Westgruppe festgestellt werden. In beiden Regionen wurden die Feuersteinbeile oft in Mooren oder feuchten Gebieten deponiert. Die unten stehende Grafik zeigt bereits dokumentierte Feuersteinbeildeponierungen. Anhand der Art und Weise dieser ist erkenntlich, dass es bewusste Handlungen waren und die Deponierungen somit auch einen symbolischen und kommunikativen Wert hatten (Wentink et al. 2011, 400). 

Anordnung von Deponierungsweisen von Feuerbeilen (Rech 1979, Abb. 2).

5.4. In Gräbern als Beigabe: 

Grabkammer in Wangels (Brozio 2016, Abb. 134).

Flintbeile in der Grabkammer (Abb. 17) (ca. MN II). Ablegung der Flintobjekte als rituelle Handlung, bei dieser Grabkammer wurden nachträglich sukzessiv Flintschüttungen durchgeführt. 

Ein wichtiger Punkt zu der Bestattungsweise ist, dass es sich bei dem von Brozio untersuchten Grab um ein  Megalithgrab handelte. Megalithgräber sind charakteristisch für die neolithischen Kulturen Europas (ungefähr ab 5000 v. d. Z.) und dienten für Einzel- oder Kollektivbestattung.

6. Zusammenfassung

Flintbeile sind Großgeräte des Neolithikums, welche vielfältig genutzt wurden. Angefangen von der Beilproduktion in primären oder sekundären Lagerstätten, bis hin zur Weiterverarbeitung und eventuellem Import/Export tragen die neolithischen Feuersteinbeile unterschiedliche Funktionen in sich und sind eine unverzichtbare Komponente im materiellen Repertoire des Neolithikums. 

Während in der Nordgruppe die Flintbeile um einiges größer scheinen, als die der Westgruppe, gab es von dieser Region aus wohl auch die Leitformen der unterschiedlichen Typen (Bakker 1979, 80). Hinsichtlich der Westgruppe kann beobachtet werden, dass lokal produzierte Feuersteinbeile kleiner als die der Nordguppen waren. Möglicherweise wurden die eigens hergestellten Beile für alltägliche landwirtschaftliche Arbeiten genutzt, während die großen Exemplare der Nordgruppen für kultische Zwecke verwendet wurden. An den Forschungen Mennengas in Nordwestdeutschland kann beobachtet werden, dass Beilimporte mit den Nordgruppen stattgefunden haben. 

7. Fazit

Ausgehend aus den unterschiedlichen Fundkontexten, der besonderen Art und Weise der Deponierung, sowie der Notwendigkeit des Importes und der Funktion als Grabbeigabe kann davon ausgegangen werden, dass die Feuersteinbeile des Neolithikums nicht nur rein funktionellen Wert als Werkzeug hatten, sondern auch einen symbolischen Wert als Kommunikationsträger und Prestigegut innehatten. Das Feuersteinbeil wird also je nach seiner Fertigung mit einem anderen symbolischen oder funktionalen Wert aufgeladen (Wentink et al. 2011, 404). 

8. Literaturverzeichnis

Bakker 1979         J.A. Bakker, TRB West Group: studies in the chronology and geography of the makers of hunebeds and Tiefstich pottery. Erneuerte Auflage (Leiden 2009).

Brozio 2016         J.P. Brozio, Megalithanlagen und Siedlungsmuster im trichterbecherzeitlichen Ostholstein (Kiel 2016).

Cooney 2013      G. Cooney, Stone and Flint Axes in Neolithic Europe.  C. Fowler, J. Harding, D. Hofmann, The Oxford Handbook of Neolithic Europe (Oxford 2015).

Hoof 1970             D. Hoof, Die Steinbeile und Steinäxte im Gebiet des Niederrheins und der Maas (Bonn 1970).

Mennenga 2017  Moritz Mennenga, Zwischen Elbe und Ems – Die Siedlungen der Trichterbecherkultur in Nordwestdeutschland (Kiel 2017).

Nielsen 1977        P. O. Nielsen,  Die Flintbeile der frühen Trichterbecherkultur in Dänemark. Acta Archaeologica, 48, 1977, 61 - 138. 

Rech 1979             M. Rech, Studien zu Depotfunden der Trichterbecher- und Einzelgrabkultur des Nordens (Neumünster 1979).

Schyle 2010            D. Schyle, Der Lousberg in Aachen – Ein jungsteinzeitlicher Feuersteintagebau mit Beilklingenproduktion (Kempten 2010).

Wentink et al. 2011 D. Wentink,  J. Apel, K. Knutsson, D. Oluasson, E. Rudebeck, The spread of flinth axes and daggers in neolithic Scandinavia. Památky archeologické, 2, 2011, 193 - 221. 

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3 Antworten

  1. – Bitte verweisen Sie auf die Abbildungen im Text
    – Was bedeuten die Abkürzungen in Abb. 3
    – ein typischer Trichterbecher zur Illustration wäre gut
    – Ich habe interne Links zum Beitrag zur Gewinnung von Silex hinzugefügt
    – Kapitel 4.2: dünnNackig
    – Bibliographie: zu Cooney fehlen die Seitenangaben und die Angabe „in: xx (Hrsg.)“
    – Bitte Nummer der Abbildung im Abbildungsunterschriften nennen, die Sie verwendet haben: z. B. Cooney 1979, Abb. 3

    • Vielen Dank für die Anmerkungen!
      Bei dem Artikel von Cooney handelt es sich um einen Artikel im Oxford Handbook, der online aufrufbar ist, deswegen hat er keine Seitenzahlen. Wie zitiere ich dann so etwas?

  2. – Sie müssen bei Werken wie Cooneys Artikel die DOI (Digital Object Identifier) angeben, in diesem Fall: 10.1093/oxfordhb/9780199545841.013.062
    Und zusätzlich auch den Tag des Zugriffs.

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