1. Ein unscheinbares Beispiel: die Kategorisierung der LEBEWESEN
1.1. Die Basis der Sprachgeschichtsschreibung
Die besondere Nähe ethnolinguistischer Fragestellungen zur Dialektologie steht auf Grund der sprachgeographischen Tradition, die ja in empirischer Feldforschung verankert ist, außer Frage. Allerdings geht die Relevanz der Ethnolinguistik weit darüber hinaus, denn sie zeigt sich auch sehr schnell in der Sprachgeschichte der Standardsprache. In ethnolinguistischen Untersuchungen wird in der Regel viel Wert darauf gelegt, alltagssprachliche und wissenschaftliche Ausdrücke zu unterscheiden: In Sprachen wie dem Italienischen mit sehr breiter und historisch tiefer schriftlicher Dokumentation ist die methodologisch eigentlich notwendige Trennung der damit verbundenen unterschiedlichen Wissenswelten zwar oft nicht leicht durchzuführen; der Versuch ist jedoch in jedem Fall sprachgeschichtlich nützlich und erkenntnisreich. Exemplarisch soll im Folgenden ein Ausschnitt des lateinischen Wortschatzes in seiner Entwicklung zum Italienischen analysiert werden, der auf den ersten Blick ganz unscheinbar erscheint. Aber schon die elementare Einteilung der LEBENDEN WELT wird nur vor dem Hintergrund zahlreicher, historisch heterogener kultureller Wertvorstellungen verständlich.
1.2. LEBEWESEN vom Lateinischen zum Italienischen
Die Kategorisierung der LEBEWESEN (im Sinne des Deutschen Wortes Lebewesen, das ein Oberbegriff für PFLANZEN, TIERE und MENSCHEN ist) beruht im Lateinischen auf einer allgemeinen, abstrakten Dichotomie aus animalis und planta.1 Die erste Kategorie ist offensichtlich eine Ableitung von lat. anima ‘Luft, Atem, Lebenskraft’ (Link); daraus ergibt sich eine semantische Motivation durch die Atmung und in der Konsequenz die kategorische Trennung von den plantae ‘Pflanzen’, die zwar ebenfalls Sauerstoff brauchen, wie wir heute wissen, die aber nicht in offensichtlich wahrnehmbarer, weil mit Bewegung verbundener Weise ‘atmen’. Man beachte, dass animalis ein Oberbegriff für TIER und MENSCH ist. Die PLANZEN sind wiederum dichotom in lat. herba ‘Kraut’ und lat. arbor ‘Baum’ eingeteilt; eine sprachliche Motivation von planta durch zu Grunde liegende Lexeme ist nicht zu erkennen; sachlich ist die Unterscheidung durch GROESSE, MEHRJÄHRIGKEIT und Material (HOLZIG / KRAUTIG) plausibel. Die bislang skizzierte Kategorisierung hat sich im (Standard-)Italienischen erhalten; allerdings ist unverkennbar, dass ita. animale in aktuellen Sprachgebrauch häufig nur TIERE im Gegensatz zum MENSCHEN bezeichnet. Es deutet sich also eine Tendenz zu einer schärferen Trennung an.
Im Bereich der Pflanzen kam die Kategorie STRAUCH hinzu, denn ita. arbusto ist im Gegensatz zu seinem lateinischen Etymon (arbustum ← arbor) im Sprecherbewusstsein höchstwahrscheinlich nicht mehr durch albero (< lat. arbor) motiviert. Erst im 19. Jahrhundert (DELI, 843 gibt 1869 als Datum des Erstbelegs) kam dann der abstrakteste Oberbegriff ita. organismo hinzu, unter den alle LEBEWESEN (PFLANZEN und TIERE) gefasst werden können. Dieser Ausdruck liegt als italienische Variante eines ursprünglich wissenschaftlichen Internationalismus (engl. organism, fra. organisme, deu. Organismus usw.) ethnolinguistisch, wenn überhaupt, kaum relevant.
(wiss. organismo) | ||||
animalis ↓ animale |
planta ↓ pianta |
|||
homo ↓ uomo |
bestia/belua ↓ bestia/belva |
herba ↓ erba |
(arbustum)← ↓ arbusto |
←arbor ↓ albero |
... | ... | ... | ... | ... |
Tabelle 1: Basiskategorien für LEBEWESEN im Lateinischen und Italienischen |
Vorbehaltlich einer genauen lexikographischen Überprüfung könnte man das Fehlen eines Oberbegriffs für LEBEWESEN im Lateinischen und im älteren Italienischen als Residuum einer ganz vorwissenschaftlichen Weltsicht sehen. Allerdings muss berücksichtigt werden, dass es bereits im Lat. grundlegende Verben für den Ausdruck EXISTENZ EINES LEBEWESENS und ENDE DER EXISTENZ EINES LEBEWESENS gibt, die also sowohl für plantae wie für animales verwendet werden können:
(wiss. organismo) | |||||
animalis ↓ animale |
planta ↓ pianta |
spez. Nomina |
|||
homo ↓ uomo |
bestia/belua ↓ bestia/belva |
herba ↓ erba |
(arbustum)← ↓ arbusto |
←arbor ↓ albero |
|
vivere | moriri ↓ ↓ vivere | morire |
allg. |
||||
Tabelle 2: EXISTIEREN | AUFHÖREN ZU EXISTIEREN EINES LEBEWESENS im Lat. und im Ita. |
1.2.1. MENSCH und TIER
Einen genaueren Blick verdienen die untergeordneten Kategorien im Bereich der animales. Hier lassen sich zwei grundlegende Kriterien feststellen, die sowohl für (manche) TIERE als auch für MENSCHEN gelten, nämlich ALTER und GESCHLECHT. In Flexionssprachen des lateinischen Typs ist die Genusunterscheidung aus morphologicher Sicht leicht möglich; wie das folgende Beispiel zeigt, hat sie sich auch grundsätzlich im Italienischen erhalten:
lat. mask. cervus ‘Hirsch’ / fem. cerva ‘Hirschkuh, Hindin’ - lat. lupus 'Wolf' / lupa 'Wölfin' ↓ ita. mask. cervo ‘Hirsch’ / fem. cerva ‘Hirschkuh, Hindin’ - ita. lupo 'Wolf' / lupa 'Wölfin' |
Allerdings gilt das einfache morphologische Prinzip gerade nicht durchgängig; es ist sogar eher selten. Die meisten Tiere sind entweder nur maskulin (z.B. ita. il coniglio < lat. mask. cunīcŭlus) oder nur feminin (z.B. ita. la volpe < lat. fem. vŭlpes), ohne dass eine semantisch plausible Motivation zu erkennen wäre. Daneben gibt es jedoch auch die lexikalische Unterscheidung des biologischen Geschlechts durch jeweils spezifische Lexeme.
animalis ↓ animale |
||
MENSCH | TIER | |
GESCHLECHT |
vir ‘Mann’ / mulier ‘Frau’ ↓ ↓ Ø/ moglie ‘Ehefrau’ |
taurus / vacca → toro / vacca |
masculus ‘männlich’ / femina ‘weiblich’ ↓ ↓ maschio ‘männlich’/femmina ‘weiblich’ |
||
ALTER |
iuvenis ‘jung, jugendlich’ anziano ‘alt’ |
pullus ‘junges Tier’ novellus‘jung’ (auch Pflanzen) |
vetus ‘alt’ (auch Sachen)/senex ‘alt’ vecchio ‘alt’ (< lat. vetulus) giovane ‘jung’ (auch Pflanzen) |
||
Tabelle 3: Subkategorisierung der lateinischen animales und ihre italienischen Entsprechungen |
Die kognitiv aufwendigere Versprachlichung durch Lexikalisierung und nicht durch wiederholbare morphologische Mittel, ist aus ethnolinguistischer Sicht bedeutsamer, weil sie - vielleicht - auf ein stärkeres kulturelles Gewicht der entsprechenden Lebewesen schließen lässt. Es ist ja wahrscheinlich kein Zufall, dass gerade die Tiere mit lexikalischer Genusunterscheidung weitere spezifizierende Bezeichnungen aufweisen:
- zu lat. taurus / vacca gehört die generische Bezeichnung lat. bos ‘Rind’; eine eigene generische Bezeichnung existiert im Übrigen auch für ita. mask. gallo ‘Hahn’ / fem. gallina ‘Henne’, nämlich pollo, sie bezeichnet gleichzeitig dieses Tier als Nahrungsmittel;
- zu ita. toro / vacca kommt eine Bezeichnung für das zur Schlachtung und zum Verzehr vorgesehene Tier, nämlich ita. manzo ‘Ochse(nfleisch)’;
- das JUNGTIER derselben Gattung RIND heißt ita. vitello ‘’ (← lat. vitĕllus);
- das MÄNNLICHE JUNGTIER der Gattung ZIEGE (lat. mask. caper / fem. capra) heißt lat. haedus;
- das JUNGTIER der Gattung SCHAF (lat. ovis, ita. pecora) heißt ita. agnello (← lat. agnellus, Dim. von agnus ‘Lamm’).
Emblematisch für die kulturelle Bedeutung der Viehwirtschaft seit römischer Zeit ist lat. pecus; es bedeutet, in der Formulierung von (Georges 1913 [1998]) zunächst "das Vieh als einzelnes Stück, das Tier", dann aber auch speziell ‘Schaf’; so erklärt sich aus dem lat. Neutrum Plural pecora das ita. Fem. Singular pecora ‘Schaf’. Zudem wurde aus lat. pecus aber auch lat. pecunia ‘Reichtum, Geld, Geldmasse’ abgeleitet. Die wirtschaftliche Bedeutung der Schafzucht offenbart sich, mit anderen Worten, in ganz selbstverständlicher Weise im Lexikon. Sie bestätig sich im Übrigen in der Beutungsentwicklung von ita. capitale ‘Geldsumme’, das ursprünglich auf lat. capitalis zurückgeht, das heißt auf eine adjektivische Ableitung von lat. caput ‘Kopf’ - ein vielköpfige Herde macht ein großes Vermögen aus. Die ältere romanische, aber wohl noch nicht lateinische Bedeutung ‘Viehbesitz’ hat sich übrigens in engl. cattle ‘Rindvieh’ (← altfran. captal) erhalten (vgl. FEW en ligne, 2, 253 ff.).
1.2.2. GENDER, Sexus und Genus
Nun ist es konsequent, die Perspektive weiter zu verengen und einen genaueren Blick auf die Subkategorisierung von MENSCH zu werfen.
MENSCH | ||
MÄNNLICH | WEIBLICH | |
vir uomo |
mulier donna |
ERWACHSEN |
puer | puellus, -a (← puerulus) bambino, -o | bimbo, -a | ragazzo, ragazza |
JUNG | |
virgo → vergine | SEXUELL UNERFAHREN | |
caelebs → celibe | nubilis → nubile | NICHT VERHEIRATET |
viduus, -a ↓ | ||
vedovo / vedova | EHEPARTNER*IN VERSTORBEN | |
maritus → marito | uxor moglie |
VERHEIRATET |
senex, Komparativ senior ↓ | ALT |
|
signore / signora | HÖFLICHE ANREDE | |
dominus / domina↓ (← domus ‘Haus’) | SOZIAL ÜBERGEORDNET | |
don/donna | EHRENTITEL | |
Tabelle 4: Subkategorisierung von MENSCH im Lateinischen und Italienischen ( →, ↓ = Fortsetzung im Ita.), nicht berücksichtigt wurde VERWANDTSCHAFT |
Diese Übersicht erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit; sie lässt jedoch kulturelle Strukturen und ihren historischen Veränderungen deutlich hervortreten. Auffällig sind vor allem die Asymmetrien und unterschiedlichen Auslastungen der herausgestellten Kategorien.
1.2.3. GENDER-Asymmetrie
Das weiße Feld der Tabelle 4 zeigt eine fehlende männliche Entsprechung einer weiblichen Bezeichnung. Die Frauenbezeichnungen sind also lexikalisch stärker spezifiziert. Offenkundig ist auch, dass diese Spezifizierung nicht im biologischen Sexus sondern in der kulturellen Prägung der Geschlechterrolle (‘Gender’) konditioniert ist.
In der fehlenden männlichen Entsprechung zu lat. virgo → ita. vergine manifestiert sich im römisch-romanischen Kontext die stärkere Sexualisierung der Frau.
Aufschlussreich ist ferner das Kriterium VERHEIRATET. Zwar existieren Ausdrücke für beide Geschlechter, aber im Unterschied zu lat. maritus ‘Ehemann’ (→ ita. marito) wird die lateinische Bezeichnung der EHEFRAU, uxor, im Italienischen nicht fortgeführt, sondern durch moglie ersetzt. Diese Bezeichnung geht jedoch auf lat. mulier, das heißt die ursprünglich generische Bezeichnung der erwachsenen Frau zurück. Es ist schwer daraus nicht den Schluss zu ziehen, dass der Status der Ehefrau der kulturellen Erwartung oder Normvorstellung der nachantiken, romanischen Phase entsprach. Denn es zeigt sich die größere Abhängigkeit der FRAU von ihrem gesellschaftlichen Status, speziell von ihrer Bindung an die Institution der Ehe aus. Beim Ersatz der Bezeichnungen (moglie aus lat. mulier anstatt uxor) spielen zwei grundlegende kulturelle Veränderungen zusammen:
- Durch das Verschwinden des römischen Privatrechts ändern sich die Institution der Ehe und der rechtliche Status der Frau grundlegend; denn in römischer herrschte zwar ein patriarchalisches System, das dem pater familias, d.h. dem jeweils ältesten Vater einer Familie die alleinige Entscheidungsgewalt zubilligte; die familia war in manu ‘in der Hand’ des pater familias; Frauen konnten jedoch unter der ‘Hand’ ihres eigenen Vaters - und nicht ihres Mannes - bleiben und wurden selbstbestimmt (sui generis) nach dem Versterben ihres Vaters (Link).
- Der andere, damit verbundene Faktor ist die Christianisierung; in der Tradition des Neuen Testaments (Epheserbrief 5, 22, Link) wird die Ehefrau radikal ihrem Mann unterworfen.
1.2.4. Asymmetrie der Dimension ALTER
Der kulturell sehr unterschiedliche Umgang mit den Stufen des menschlichen ALTERs lässt sich an zwei Stellen aus der Tabelle 4 herauslesen. Zunächst fällt ins Auge, dass die lateinischen Bezeichnungen der Kinder/Jugendlichen (Kategorie JUNG) nicht fortgeführt werden. Ihr Verschwinden wird jedoch durch gleich mehrere neue Bezeichnungen kompensiert; wenn man einen Blick auf die dialektalen Verhältnisse wirft, ergibt sich eine auf den ersten Blick kaum übersehbare Menge von Bezeichnungen, die zudem etymologisch nicht immer klar sind (vgl. AIS 40 LA VOSTRA PICCOLA BAMBINA; Link - AIS 45 IL RAGAZZO; LA RAGAZZA; Link - AIS 46 IL GIOVANOTTO; Link). Diese Vielfalt der Varianten ist Reflex des hoch emotionalen Umgangs mit den Kindern, der ein Bedürfnis nach stets neuen, nicht zuletzt spielerischen Bezeichnungen erzeugt; in manchen Bezeichnungen, wie z.B. süditalienisch creatura ‘kleines Kind’ (vgl. AIS 42; Link), spiegelt sich zudem wiederum das Christentum, insofern creatura wohl als ‘Geschöpf Gottes’ zu verstehen ist.
Im extremen Gegensatz dazu findet sich auf der AIS Karte 55 UNA VECCHIA überhaupt keine Varianz, sondern ausschließlich der Typ vecchia; allenfalls werden die dialektalen Formen des Adjektivs (in Graubünden und Sardinien) gelegentlich mit den Nomina donna oder femmina verbunden (Link). Das vollkommen unkreative Bild dieser Karte korrespondiert mit dem großen Respekt, der dem Alter in römischer und nachantiker Zeit lange entgegengebracht wurde; nur so erklären sich die Höflichkeitsformen ita. signore / signora, die auf den lat. Komparativ von senex ‘alt’, nämlich senior, genauer gesagt auf die Akkusativform seniōrem zurückführen.2
1.2.5. Soziale Stratifizierung
Die angedeutete Entstehung von Höflichkeitsformen, die dem Lateinischen ganz unbekannt waren, hat sich in einer sozial stark stratifizierten, wenn nicht polarisierten Gesellschaft vollzogen; sie bildete auch den Rahmen für die Ableitung der religiösen und weltlichen Ehrentitel ita. don / donna aus lat. dominus / domina ‘Herr*in, Hausherr*in, Haus besitzer*in’, deren allgemeine Verbreitung in Süditalien durch die dort jahrhundertelang geltende spanische Feudalherrschaft in Verschränkung mit der katholischen Kirche verstärkt worden sein dürfte:
"La prima origine dell’it. don è individuata nella speciale accezione semantica di dominus = sanctus, ben documentata nel latino cristiano [...] All’inizio del volgare italiano il titolo appare tuttavia già in crisi di fronte ai derivati del lat. senior: messere, sere, sire, monsignore, provenienti dall’ambiente feudale e cavalleresco fortemente esposto agli influssi francesi e provenzali [...]. Il don sopravvive comunque, sia pure in ambito ristretto (specialmente in ambiente ecclesiastico), in attesa di essere «rivitalizzato dalla ondata di cerimoniosità importata in Italia dalla moda spagnola dei secoli XVI e XVII» [...]. Più resistente è donna [...]" (Ghinassi nach E. Leone; zit. in DELI, 361)
1.3. Kleiner Epilog zum Deutschen und zur Bibel
Die lateinisch-italienische Kategorisierungskizze ist von den Verhältnissen anderer europäischer Sprachen vermutlich nicht grundsätzlich verschieben. Leichte Divergenzen sind dennoch nicht zu übersehen. So fehlt im Deutschen ein gemeinsamer Oberbegriff für MENSCH und TIER (wie lat. animalis, ita. animale).
Lebewesen | ||||
Mensch |
Tier | Pflanze | ||
... |
... |
Kraut |
Strauch | Baum |
... | ... | ... |
Soll man darin einen Reflex der alttestamentarischen Schöpfungsgeschichte sehen? In der Genesis, dem ersten Buch Mose, wird ja ein fundamentaler Unterschied zwischen beiden gemacht (Link). Eine ausgeprägtere Konformität mit dem christlichen Weltbild darf man im Übrigen auch hinter der Tatsache vermuten, dass deu. Frau, a[lt]h[och]d[eutsch] frouuua (vgl. AWB (1952-); Link) ursprünglich eine Ableitung von ahd. frô ‘Herr’ ist (vgl. AWB (1952-); Link).
Eine gänzlich andere, komplementäre Kategorisierung der Lebewesen bietet dagegen das dritte Buch Mose, der sogenannte Leviticus, Kap. 11 (vgl. die Analyse in vgl. Cardona 1995 [1985], 95-99). Dort werden alle Tiere alternativ in ‘reine’ und ‘unreine’ eingeteilt (ähnlich im fünften Buch Mose, dem Deuteronomium, Kap. 14). Hier die wesentlichen Kriterien der Reinheit (Link):
- Auf dem Lande lebende Tiere sind rein, wenn sie gespaltene Hufe haben und wiederkäuend sind, außerdem kriechende Tiere.
- Im Wasser lebende Tiere sind rein, wenn sie Flossen und Schuppen haben.
- Einige Vogelgattungen und einzelne Arten sind unrein, ohne dass sich klare Kriterien erkennen ließen. Als unrein gelten ferner geflügelte Kleinetiere, die auf vier Beinen gehen.
Diese wertende Kategorisierung, die im Judentum große Bedeutung erlangt hat, scheint sich in der lexikalischen Kategorisierung der romanischen Sprachen nicht niedergeschlagen zu haben.
Bibliographie
- AWB (1952-) = Frings, Theodor (1952-2015 ff.): Althochdeutsches Wörterbuch. Auf Grund der von Elias v. Steinmeyer hinterlassenen Sammlungen, Leipzig, Sächsische Akademie der Wissenschaften (Link).
- Cardona 1995 [1985] = Cardona, Giorgio Raimondo (1995 [1985]): La foresta di piume. Manuale di etnoscienza, Bari, Laterza.
- DELI = Cortelazzo, Manlio / Zolli, Paolo (1979-): Dizionario etimologico della lingua italiana, vol. 5, Bologna, Zanichelli.
- FEW en ligne = atilf: Französisches etymologisches Wörterbuch (Link).
- Georges 1913 [1998] = Georges, Karl Ernst (1913 [1998]): Ausführliches lateinisch-deutsches Handwörterbuch, Hannover (Darmstadt) (Link).
- NavigAIS = Tisato, Graziano (2017): NavigAIS. AIS Digital Atlas and Navigation Software, Padua, Istituto di Scienze e Tecnologie della Cognizione (ISTC) - Consiglio Nazionale delle Ricerche (CNR) [Online-Version von Jaberg/Jud, 1928-1940, Sprach- und Sachatlas Italiens und der Südschweiz (AIS)] (Link).
- VocTreccani = Vocabolario, Treccani: Vocabolario Treccani , Roma, Istituto della Enciclopedia Italiana (Link).