1. Sizilien zu Beginn des 11. Jahrhunderts
Zu Beginn des 11. Jahrhunderts, kurz vor der Entstehung einer ganz neuen sprachgeschichtlichen Konstellation war Sizilien in drei arabisch
beherrschte Provinzen eingeteilte, die mit einem arabischen Ausdruck als val 1 bezeichnet werden:
1. Val di Mazara (Westen mit Palermo und Agrigent);
2. Val Demone (Nordosten mit Messina und Troina; letzterer wahrscheinlich mit stärksten Resten von Christen);
3. Val di Noto (Südosten mit Catania und Syrakus).
Die Situation ist durch den Niedergang der Städte an der Ostküste (Syrakus, Catania, Taormina Messina) und wohl auch durch eine scharfe Grenze zu Unteritalien gekennzeichnet;
"einen raschen Aufschwung nahm hingegen Palermo, das zu einem Zentrum des Mittelmeerhandels wurde. Kaufleute aus dem arabischen Nordafrika und Spanien trafen sich hier mit ihren christlichen Konkurrenten aus Neapel und Amalfi, später auch aus Pisa, Mekkapilger aus Andalusien machen dort Station." (Houben 1997, 14)
Unumstritten war die arabische Herrschaft keineswegs, denn nach wie vor erhob die neben dem Islam zweite, (ost)mediterrane Großmacht, nämlich Byzanz, Ansprüche, die bei Gelegenheit virulent wurden:
"Als ein Bruder des Emirs von Palermo 1035 einen Aufstand anzettelte, rief der Herrscher die Byzantiner zu Hilfe. Diese warteten seit langem auf eine Gelegenheit, die Insel zurückzuerobern. 1038 landete ein vom General Georg Maniakes angeführtes Heer auf Sizilien. Unter den Söldnern waren, wie wir bereits wissen, auch die Normannen Wilhelm „Eisenarm“ und Drogo von Hauteville. Das Unternehmen scheiterte nach anfänglichen Erfolgen, als der Kommandierende General aus innenpolitischen Gründen nach Byzanz zurückgerufen wurde. Aber die Schwäche der arabischen Herrschaft auf Sizilien war deutlich geworden. So verwundert es nicht, daß die Normannen bald ihre Aufmerksamkeit auf die reiche Insel richteten." (Houben 1997, 15)
Es geht dann zügig weiter: Ostsizilien mit Messina und Syrakus wurden rasch zurückgewonnen, doch der byzantinische Kaiser rief den Feldherrn Maniakes aus Argwohn zurück; er wurde auf dem Rückweg in einer Schlacht bei Thessaloniki getötet.
Im Zusammenhang mit dem byzantinischen Heer ist also von namentlich identifizierten ‘Normannen’ die Rede, nämlich von zwei Brüdern, Guillaume Bras de Fer/Guiglielmo Braccio di Ferro und Drogon de Hauteville/Drogone di Altavilla, von denen wir genau wissen, aus welcher Gegend sie ursprünglich kamen: aus der nach den Normannen benannten Normandie, von wo aus sie in die Grafschaft Aversa (in der Nähe von Caserta) gekommen waren, die der Normanne Rainulf Drengot 1029 gegründet hatte.
Letztlich gehen die Normannen jedoch auf sogenannte Wikinger, d.h. auf skandinavische Seefahrer zurück, die seit dem 8. Jahrhundert immer wieder teils sehr ausgedehnte Raubzüge nach Süden, Osten und später auch nach Westen bis Amerika unternahmen; im Gebiet der heutigen Ukraine und Russlands sind sie unter dem Namen Waräger bekannt geworden. Einen Überblick gibt die folgende Karte:
Ein Klassiker der byzantischen Geschichte, Ostrogorsky 1996, macht nun darauf aufmerksam, dass im byzantinisch-italienischem Kontext auf Wikinger zurückgehende Waräger und aus Frankreich kommende, letztlich ebenfalls auf Wikinger zurückgehende Normannen zusammentrafen; sie sind als Machtfaktor im arabisch-byzantinischen Machtkampf des Mittelmeers anzusehen:
"Der dauernde Rückgang der einheimischen Streitkräfte ließ wieder die Bedeutung des Söldnerheeres hervortreten. Es war ein Rückfall in die vorherakleanische Zeit, und wie damals die Goten, so bildeten nun die Normannen das wertvollste Element im byzantinischen Heer. Unter den Fahnen des Georgios Maniakes focht in Sizilien die vortreffliche varägo-russische Druzina und der sagenumwobene skandinavische Kriegsheld Harold. Jetzt bildeten die Varäger die eigentliche kaiserliche Leibgarde, doch rekrutierten sich diese im weiteren nicht mehr, wie in der Zeit Basileios’ II., aus Rußland, sondern seit den siebziger Jahren des 11. Jahrhunderts vorwiegend aus England, so daß die varägo-russische Leibgarde durch die varägo-englische abgelöst wurde. Die normannische Garde trat gewissermaßen an die Stelle der alten byzantinischen Garderegimenter, die nach und nach völlig eingegangen sind." (Ostrogorsky 1996, 278)
Aus sprachwissenschaftlicher Sicht entscheidend ist die Tatsache, dass die Normannen sich in Frankreich offensichtlich sehr schnell akkulturiert haben; die Grafschaft Normandie wurde im Jahre 911 eingerichtet und nach Italien (ab ca. 1000) und nach England (1066, Guillaume le Conquérant) kamen sie als romanisch sprechende Christen, die Latein schrieben und sich das fränkische Recht zu eigen gemacht hatten (vgl. dazu Falkenhausen 1980, 22 und allgemein zu den Anglo-Normannen und den Mittelmeer-Normannen Link).
"Das Geheimnis des normannischen Erfolgs war die rasche Anpassungsfähigkeit an Situationen und Umgebungen." (Houben 1997, 13)
Die ersten Normannen sind um 1000 in Süditalien auf dem Rückweg von einer Pilgerfahrt nach Jerusalem bezeugt; sie halfen dem langobardischen Fürsten Waimar III. (989-1027) von Salerno gegen die Araber und wurden daraufhin zum Bleiben aufgefordert. Ob es sinnvoll ist, die byzantinischen Waräger und die romanischen Normannen mit ein und demselben ethnischen Oberbegriff zu fassen, wie es Ostrogorsky im obigen Zitat unternimmt („varägo-russisch“ und „varägo-englisch“), darf wohl in Frage gestellt werden. Jedenfalls verselbständigen sich die Normannen im byzantinischen Diensten:
"Aus Söldnern begannen Eroberer zu werden. Die zwölf mächtigsten unter den Normannen legten sich den Grafentitel zu. Ihren Anführer Wilhelm ‘Eisenarm’ wählten sie 1042 zum ‹Grafen von Apulien› [...]". (Houben 1997, 11)
Hauptstadt der apulischen Grafschaft wurde Melfi; bedeutende Baudenkmäler aus normannischer Zeit sind erhalten, z.B. der castello di Melfi und die Kathedrale von Trani. In den folgenden Jahres lässt sich dann eine regelrechte Staatsbildung feststellen, die begründet wurde, als Robert Guiscard (* ca. 1015-1085), ein Halbbruder von Wilhelm Eisenarm, vom Papst nach einer verheerenden Niederlage als Herzog eingesetzt wurde (sogenannte Investitur). Der Titel,
"Robertus Dei gratia et sancti Petri dux Apulie et Calabrie et utroque subveniente futurus Sicilie" (zit. in Houben 1997, 12)
ist nun für die sizilianische (Sprach-)Geschichte bemerkenswert, denn die Investitur ist mit dem Programm ("subveniente futurus") der Eroberung Siziliens eigentlich schon ganz im Sinne der Kreuzzugssideologie verknüpft:
"Quel che conta è lo sfondo ideologico dell’iniziativa, che è esplicitamente – per quanto ante litteram – quello di una crociata [...]". (Varvaro 1981, 125)
Die Normannen spielten dann auch bei den Kreuzzügen nach Palestina ein wichtige Rolle.
2. Die Normannen in Sizilien
Über die normannische Eroberung Siziliens (zwischen 1061 und 1091) sind wir dank einer zeitgenössischen Chronik von Goffredo Malaterra, De rebus gestis Rogerii Calabriae et Siciliae comitis et Roberti Guiscardi ducis fratris eius (letztes Jahrzehnt des 11. Jahrhunderts), gut informiert. Die wichtigste Rolle spielten Robert Guiscard und sein jüngerer Bruder Roger (1031-1101).
Im einzelnen ist es nicht einfach die Zahl und genaue Zusammensetzung des ‘normannischen’ Invasionsheeres einzuschätzen. Malaterra sagt, Roger sei "cum trecentis militibus" (Malaterra 1928, lib. sec. X) nach Sizilien gekommen; wenn es Ritter waren, darf man davon ausgehen, dass zu jedem 2-4 andere Leute gehörten. Aus Namenstatistiken hat man 400 Namen ermittelt (vgl. Ménager 1975):
"In Sicilia i normanni costituiscono dunque un ceto poco numeroso, ma di grande peso e prestigio sociale." (Varvaro 1981, 201)
Diese Situation hat sich anscheinend auch im 12. Jahrhundert nicht geändert, als das apulische Reich von Robert Guiscard und das sizilianische von Roger I. unter Roger II. zu einem Gesamtstaat zusammengeführt wurden.:
"tra i laici delle classi alte i normanni rimanevano, ancora in pieno secolo XII, numericamente dominanti. È appena il caso di ricordare che [...] buona parte delle alte cariche ecclesiastiche dell’isola furono conferite a normanni [...]." (Varvaro 1981, 199)
Es muss festgehalten werden, dass es unter Roger II. (1095-1154) zur Bildung eines durchaus bedeutsamen Staatsgebildes mit anspruchsvoller administrativer, speziell rechtlicher Infrastruktur kam. Das zeigt sich z.B. In den so genannten Assise di Ariano (zwischen 1140 und 1142) (vgl. Zecchino 2005), die als Nukleus einer Konstitution angesehen werden dürfen, der im staufischen Nachfolgereich unter Friedrich II. systematisch ausgebaut wurde; durch die Heirat seiner Erbtochter Konstanze (vgl. Baaken 1979) mit dem staufischen Kaiser Heinrich VI. hat er im Übrigen die Integration des normannischen Staats in das Kaiserreich gewissermaßen dynastisch vorbereitet.
2.1. Relative Toleranz
Das normannische Sizilien scheint sich, mindestens nach der Konsolidierung unter Roger II. durch zunehmenden rechtlichen und religösen Pluralismus ausgezeichnet zu haben. In den Assise wird ausdrücklich allgemeine Gültigkeit der neuen Gesetze festgeschrieben ("generaliter ab omnibus"), aber gleichzeitig werden bestehende Bräuche, Gewohnheiten und Gesetze nicht aufgehoben, wegen der Heterogenität der Untertanen ("pro varietate populorum"):
"I. De legum interpretatione
Leges a nostra maiestate noviter promulgatas [...]; obscura dilucidantes, generaliter ab omnibus precipimus observari, moribus, consuetudinibus, legibus non cassatis pro varietate populorum nostro regno subiectorum [...]." (Assise, 26).
Die Muslime haben sich in bestimmten Gegenden massiert:
"il Corleonese diventa una zona di rifugio armato [...] per i contadini della Sicilia orientale e centrale, come testimoniano i cognomi raccolti dal Cusa, Rametta, Vaccaria, Termini, Modica, Castrogiovanni, Mineo, Polizzi, Bonifato (Vallelunga), e anche Sciacca e Trapani." [(Bresc 1984, 250)
Und die muslimische Bevölkerung konnte trotz aller rechtlichen Unsicherheit auch eine gewisse Unabhängigkeit bewahren:
"la popolazione musulmana [...] mantiene nei casali l’embrione di una struttura autonoma (nobiltá araba tribale, famiglia, capi politici, i gaiti, numerose nelle zone quasi autogestite di Vallelunga, del Platani, e del Corleonese)." (Bresc 1984, 248)
Die Orthodoxie wurde durch zahlreiche basilianische Neugründungen und Zuwanderung aus dem Meridione gestärkt; auch der Gebrauch des Arabischen scheint in den orthodoxen Ritus Eingang gefunden zu haben. Interessant sind vor allem namenkundliche Befunde, wie z.B. arabische Elternamen in Verbindung mit griechischen Namen ihrer Kinder oder Hybridnamen, die darauf schließen lassen, dass auch Franzosen zur Orthodoxie übergegangen sind. Die Tatsache, dass in den Katastern sowohl griechische wie französische und arabische Titel auftauchen spricht für eine gewisse arabische Kontinuität in den Institutionen (vgl. Bresc 1984, 249).
2.2. Regionale Geschichte mit multiplem nationalhistoriographischem Interesse
Die Normannenzeit spielt also eine wichtige, bis heute nachwirkende Rolle bei der Herausbildung eines spezifisch sizilianischen Selbstverständnisses:
"Se esiste una sicilitudine e se esiste l’uomo siciliano – del che mi sia permesso dubbitare – essi sono una conseguenza della riconquista normanna." (Varvaro 1981, 130)
Über das Regionale hinaus haben sich gleich drei nationale historiographische Traditionen für das normannische Sizilien interessiert:
- die deutsche, wegen der Vereinigung mit dem Heiligen römischem Reich deutscher Nation (unter den Staufern) durch die erwähnte Heirat Konstanzes von Sizilien mit dem staufischen Kaiser Heinrich VI.;
- die englische, weil sie einen Teil eines gewissermaßen ‘normannischen Commonwealth’ sieht;
- die französische, denn sie wollte „un curieux chapitre de l’histoire de la noblesse française hors de France“ (Chalandon 1907, 10) erzählen;
- die italienische, die einen Vorläufer des italienischen Nationalstaates identifiziert.
2.3. Normannen - und andere Franzosen
Mit den Normannen werden wohl auch Ritter aus anderen Gegenden Frankreichs gekommen sein. Varvaro geht davon aus, dass die Reiterei
„che in larga prevalenza doveva essere transalpina, e che la coscienza di sé come gruppo dominante doveva rafforzare notevolmente l’attaccamento alle proprie tradizioni, e tra di esse in primo luogo alla lingua.“ (Varvaro 1981, 197)
Tatsächlich gibt es etliche sprachliche Indizien für einen auch nicht-normannischen französischen Input. Einschlägig sind Wörter, deren lateinisches Etymon die Verbindung c + a enthält, denn hier tritt in den meisten französischen Dialekten eine Palatalisierung ein (k > t∫ > ∫). Aber in den nordwestfranzösischen Dialekten und damit im Normannischen hat dieser Wandel nicht stattgefunden, wie sich in den modernen Dialekten oft noch nachweisen lässt. Mit den Normannen sind entsprechende fra. Dialektformen dann ins Engl. gekommen. Hier zwei Beispiele:
lat. | fra. dial. Normandie | fra. | eng. | |
carpentarium | > | charpentier [∫- < chemt∫-] ‘Zimmermann’ | ||
> | [karpãˡtje] (ALF, Karte 244) | > carpenter |
Sizilianische Beispiele mit französischem, aber nicht normandischem Anlaut (aus Trovato/Valenti 2013, 51 ff.)) sind:
lat. | fra. | siz. | |
cantor | > | chantre ‘Sänger (in der Kirche)’ | → ciantru (Pasqualino 1790, 1, 313), in arab. Quellen ǧntr |
caminata | > | cheminée ‘Kamin’ | → ciminia (Pasqualino 1790, 1, 319) |
carmen | > | charme ‘Zauber’ | → ciarmu |
chevrel (neufra.chevreau) ‘Zicklein’, Dim. zu chèvre ‘Ziege’ (lat. < capram) | → ciavareḍḍu ‘capretto’ |
Ein anderes typisch galloromanisches Beispiel ist die Reduktion der Gruppe tr > rr, wie in parrinu ‘Taufpate’ oder nurrizza:
lat | ita. | fra. | siz. | |
patrinus |
> | ‘padrino ‘Taufpate’ | ||
> | parrin ‘Taufpate’ | → parrinu ‘Taufpate’, AIS, Karte 35 | ||
nutricem |
> | nutrice | ||
> | nourrice ‘Amme’ | → nurrizza |
Aus dem Fra. stammen auch die Wortbildungssuffixe -agghja (-aglia), -utu, -àggiu, -ata, -anza (-enza), -uni (als Diminutiv), -eri. Sie sind mehr oder weniger produktiv und haben auch zur Derivation von sizilianischen Basen gedient (durceri ‘pasticciere’).
Zum Teil sind bei den galloromanischen Entlehnungen interessante innerromanische Kontaktphänomene zu beobachten, wie im folgenden Beispiel. Hier wurde die französische Basis der Entlehnung offensichtlich durch die vom selben lateinischen Etymon stammende siz. Kognate vurpi im Anlaut und wohl auch im Liquid beeinflusst (das Wort ist im Fra. seit altfranzösischer Zeit weitestgehend durch renard ersetzt worden2):
lat. | fra. | siz. | |
vulpem ‘Fuchs’ |
> | vurpi ↓ ‘Fuchs’ (vgl. AIS 435) | |
> | goupil + -on (goupillon) ‘Füchslein’ | → vurpigghjuni ‘Füchslein’ |
In anderen Fälle kann liefert die Geolinguistik eindeutige Hinweise für die Herkunft sizilianischer Wörter aus dem Galloromanischen; hier einige sizilianische Beispiel aus Ruffino 2001, 26, die, womöglich, durch Links auf den ALF und AIS ergänzt wurden:
fra. Standard | fra. dial. Normandie | siz. | |
acheter | [akaˡte] (ALF, Karte 6) | accattari ‘kaufen’, AIS, Karte 822 ((vgl. VSES, 266 ff.) | (und ganz Süditalien) |
belette | [baˡlet] (ALF, Karte 123) |
baḍḍòtula ‘Wiesel’, AIS, Karte 438 |
(Südkalabrien) |
se cacher | [sə muˡ∫e] ALF, Karte 191 | ammucciàrisi ‘sich verstecken’, AIS, Karte 900 | (Kalabrien und Lukanien) |
boucher | [buˡ∫e] ALF, Karte 152 | vucceri ‘Metzger’, AIS, Karte 244 | (Kalabrien und Apulien) |
couturier | custureri ‘Schneider’, AIS, Karte 259 | (Südkalabrien) | |
percer | [pɛrˡ∫e] ALF, Karte 997 | pirciari ‘durchbohren’ | |
jument | [ʒyˡmã] ALF, Karte 736 | imenta ‘Stute’, AIS, Karte 1062 | (ganz Süditalien) |
fumier | [fœmˡje] ALF, Karte 618 | fumeri ‘Mist; Dünger’, AIS, Karte 1178 (vgl. VSES, 396 f.) | (sporadisch in Süd., P 732) |
2.4. Ein kulturelles und gesellschaftliches Modell
Die genannten Wörter sind historisch in unterschiedlicher Hinsicht bemerkenswert; so zeigt sich in der Verbreitung einer Bezeichnung des Konzepts KAUFEN (sizilianisch und süditalienisch accattari), dass mit dem normannischen Staat Rogers II. auch ein Wirtschaftsraum entstanden zu sein scheint. In einer ganzen Reihe anderer normannisch-französischer Entlehnungen spiegelt sich deutlich eine erneute Akkulturation der sizilianischen Bevölkerung wider. Iride Valenti hat dies in einer interessanten Studie am Beispiel der Ernährungsgewohnheiten herausgearbeitet:
"I Normanni [...] importarono anche nell’Italia meridionale e in Sicilia il modello culturale celtico e germanico, all'interno del quale la carne rappresentava il valore alimentare per eccellenza in quanto simbolo del potere e mangiare molto equivaleva a ribadire una superiorità animalesca sui propri simili (Montanari | 1994: 21-23 e 31). All'ideale di misura espresso dalla cultura greca e romana che, riconoscendo nel grano il simbolo della propria civiltà, immaginava un'Eta dell'Oro felicemente vegetariana, si contrapponeva ora il vlore alimentare riconosciuto alla carne dal modello culturale e produttivo dei nuovi signori, quel modello col quale, alcuni secoli prima (a partire dal VII-VIII), le regioni dell’Italia del Nord avevano già avuto modo di confrontarsi.
All'interno di questo modello, la natura selvatica e gli spazi incolti non erano avvertiti «come una presenza ingombrante, come un limite alle attività produttive dell'uomo, ma piuttosto come spazi da usare (Montanari 1994: 19-29)»." (Valenti 2011, 31 f.)
Dieses Kulturmodell, das mit der Einführung des Lehnswesens (ita. feudo3) verbunden war, brachte einen massiven Ausbau der Großtier- und insbesondere der Schweinezucht mit sich. Außer dem genannten Bezeichnung des FLEISCHERs und des DÜNGERs gehören dazu u.a. die folgenden Entlehnungen:
Entlehnungen aus dem normannischen Französischen (Tierhaltung und -verarbeitung; (aus Valenti 2011, 61-81)) | |
französisch/provenzalisch | siz. |
fra. bacon ‘gepökelter Speck’ | bbacuni ‘Schinken’, in dieser Bedeutung nicht mehr vorh. |
fra. andouille | nnugghja ‘Kutteln’ |
altprov. melsa | mèusa ‘Milz’ |
altfra. frecenge 'Ferkel' (FEW 15, 180 ff.) | frisinga ‘junge Sau’ |
altprov. budel | vudeḍḍu ‘Darm’ |
Eine Bestätigung findet die Annahme eines mit den Normannen verbreiteten kulturellen Modells in den parallelen Entlehnungen, die nach der normannischen Eroberung Englands (1066) ins Englische erfolgt sind (engl. butcher, bacon, beef, mutton).
Bibliographie
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