1. Der ASD
Ausführliche Informationen zum ASD und Analysen von ausgewählten Sprachdaten geben:
- Krefeld | Lücke | Mages in: Lameli 2015;
- die Beiträge in: Thomas Krefeld | Stephan Lücke | Emma Mages (Hrsg.) (2015): Zwischen traditioneller Dialektologie und digitaler Geolinguistik: Der Audioatlas siebenbürgisch-sächsischer Dialekte (ASD), Münster, download unter: https://epub.ub.uni-muenchen.de/25627/ oder: - http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bvb:19-epub-25627-7.
Der ASD dokumentiert die deutschen Mundarten Siebenbürgens. Er stellt zwei Klassen von Sprachdaten bereit:
- umfangreiche Spontanmaterialien;
- 130 Wenkerbögen eines um vier Sätze erweiterten Sets (in auditiver und transkribierter Fassung); im Folgenden werden die Kürzel WS für die originale Wenkersätze und WSsbb für die vier exklusiv siebenbürgischen Sätze der Aufnahmen benutzt.
Die in diesen Wenkersatz-Daten auftretende Variation wurde in einem speziellen, von Emma Mages programmierten Tool, dem so genannten ASD Etimaten, exhaustiv erfasst.
Eine quantitative, dialektometrische Gesamtauswertung der Daten fehlt leider noch; sie wäre leicht und relativ schnell zu realisieren. Weniger leicht und keineswegs schnell umsetzbar, aber unbedingt wünschenswert wäre analoge Aufbereitung aller Wenker-Bögen im Sinne einer umfassenden Wenkersatz-Metrie. Das wäre gerade im Hinblick auf alle Sprachinselvarietäten und speziell auf die siebenbürgischen von fundamentaler sprachgeschichtlicher Bedeutung. Denn die 'deutschen' Varietäten Siebenbürgens waren seit je unterschiedlichen Kontaktszenarien ausgesetzt. Darüber soll im Folgenden ein kurzer Überblick gegeben werden, um exemplarisch die Funktionalität des ASD zu demonstrieren.
2. Reflexe multiplen Sprachkontakts in den Wenkerbögen
Da die Wenkersätze nur einen äußerst geringen Ausschnitt des Lexikons und der Syntax erfassen, bieten sie zwar keine idealen Voraussetzungen für eine differenzierte Dokumentation von kontaktinduzierter Variation; dennoch deuten sich alle notwendigen Parameter einer Stratigraphie des Deutschen in Siebenbürgen bereits in diesem Korpus durchaus an.
2.1. Parameter (1): Kontakt der überwiegend moselfränkischen Inputvarietäten mit altromanischem Substrat und altfranzösischem Adstrat im Emigrationsareal
Ein mögliches Beispiel ist Gurr 'Pferd' (WS 4), denn dieser Typ, der in Frankreich und Oberitalien weitverbreitet ist, findet sich im Germ. ganz überwiegend im linksrheinischen alten Kontaktgebiet mit dem Romanischen in Bedeutungen wie 'Schwein, Schaf, (alte) Kuh, (alte) Stute u. ä.' (vgl. FEW 4, 195-200, s.v. gorr- ).
Pferd (17 Belege) - Hengst (10 Belege) - Ross (83 Belege) - Gurre (18 Belege)
Ein sicheres Beispiel liefert der Typ Pferch < lat. parrĭcus 'Pferch' (vgl. FEW 7, 663-669), der jedoch nur im WSsbb 41 belegt ist; der Anlaut zeigt so gut wie auschließlich [p-], selten [f-] und nie [pf-]).
2.2. Parameter (2): Kontakt von Immigrationsvarietäten in Siebenbürgen
Die siebenbürgisch-sächsischen Varietäten sind nicht einfach transferierte moselfränkische Dialekte, denn es haben einerseits regionale Ausgleichsprozesse und andererseits lokale Sonderentwicklungen stattgefunden. Es handelt sich daher an sich um sekundäre Produkte von Sprachkontakt.
Charakteristisch für diese unübersichtliche Situation ist die divergierende Variation der Typen es und zu in WS 2, in denen sich eine inkonsistente Distribution der jeweils verschobenen und unverschobenen Varianten andeutet:
- Im Fall von es ist die verschobene Variante [-s] sehr selten und im Wesentlichen auf die so genannten Landlerorte (s.u.) beschränkt;
- im Fall von zu dominiert jedoch ganz überwiegend die verschobene Variante und gerade der unverschobene Typ [-t] ist nur ein einziges Mal belegt.
Hier der in der vorstehenden Abbildung blau unterlegte, unverschobene Beleg:
Burgberg (741-12) | ət hɨ͡irt glɛç af t͡ə ˈʃnu͡iən da vɪd dət ˈvɑdər ˌvɛdər ˈhə͡iəʃ |
Grundsätzlich ähnlich verhält sich die relative Häufigkeit der verschobenen und unverschobenen Varianten desselbes Typ zu im Wenkersatz 6; allerdings decken sich die Belegorte der unverschobenen Formen nicht, sie liegen sogar ziemlich weit auseinander:
WS 2: "Es hört gleich auf zu schneien dann wird das Wetter wieder besser" | |
Kleinblasendorf (1302a) | dət ˈfə͡ir voːr t͡ə ˈʃtɔrk də ˈke͡axə zɛn ˌaŋdə ˈguːnt͡s fərˌbrɑːt guːnt͡s ʃvɔrt͡s fərbrɑːt |
Wolkendorf bei Kronstadt (1418c-05) | dət ˈfiːr voːr t͡ə ˈhə͡is də ˈke͡axə zɛ jɔ ˈaŋdə ˈgə͡unt͡s ˈʃpu͡ərt͡s fərˌbrɔt͡ç |
Derartige Streubelege müssen wohl als Relikte ehemals weiterer Verbreitung gedeutet werden.
In Siebenbürgen werden auch mittelbairische Mundarten gesprochen, die mit den so genannten Landlern in der Mitte des 18. Jahrhunderts nach Großpold, Großau und Neppendorf gekommen sind, d.h. zu einem Zeitpunkt, als sich die so genannten 'sächsischen' Varietäten grundsätzlich schon seit Generationen konsolidiert hatten.
Die im Folgenden wiedergebene Versionen von WS 4 zeigen exemplarisch, dass beide Dialekte sich grundsätzlich scharf trennen lassen.
WS 4: "Der gute alte Mann ist mit dem Pferd durchs Eis gebrochen und in das kalte Wasser gefallen." | |
Großpold (781a): Sächsisch | dər ˈgɑːt ˈɔːlt ˈmuːn æs mæt 'm ˈroːs dʊrç dət ˈɛ͡is gəˌbroːxən ʊnd an dət ˈkɔːlt ˈvasər gəˌfɔlən |
Großpold (792): Landlerisch | dr ˈgu͡əti ˈɔlti ˈmɔn ɪs mit 'n ˈroːs dʊrç 's ˈæːs kəˌprɔxn ʊnd ɪn 's ˈkoːlti ˈvɔsər ˌgfɔln |
Allerdings zeigen die Versionen auch die Asymmetrie des Kontakts, der sich stärker im minoritären Mittelbairischen als im (historisch) in der Gemeinde majoritären Sächsisch niedergeschlagen hat: das Präfix ge- [kə-] in 792 entspricht dem Bairischen ursprünglich nicht; auch die auslautenden -i (guəti, olti, kolti) sind im Vergleich mit den anderen Landlerbelegen auffällig:
Großau (284-08): Landlerisch | də də də ˈgu͡ət ɔːlt ˈmoː ɪs mi' 'm ˈroːs dʊrç 's ˈa͡is brɔxə ʊnd ɪs ɪ dɛs ˈkɔːlt ˈvɔsər ˌgfɔːln |
Großau (285-09): Sächsisch | di ˈgɔːt ˈoːlt ˈmuːn æs mæt 'əm ˈroːs dʊrç 't ˈɛ͡is ˈægəˌbroːxən ʊnd æs æn 't ˈkoːlt ˈvasər gəˌfalən |
Neppendorf (100): Sächsisch | dər ˈgɑːt ˈoːld ˈmuːŋ æs mæt 'əm ˈroːs dʊrç dət ˈɛ͡is gəˌbroːxən ʊnd æs æn dət ˈkoːlt ˈvasər gəˌfalən |
Neppendorf (95): Landlerisch | də ˈɔlt gu͡ət ˈfɛtə ɪs mi' 'm ˈroːs ɪ 's ˈa͡is ˌbrɔxə ʊnd ɪs ɪ 's ˈkɔlt ˈvɔsə ˌgfɔln |
Noch stärker sächsisch interferiert ist das, allerdings wohl nicht landlerische Bairische in Freck (rum. Avrig, ung. Felek).
Auch dazu liefert die Version von WS 4 mit den nicht gerundeten [a] in kalt, Wasser und gefallen sowie mit dem Typ Pferd (anstatt bair. Ross) ein charakteristisches Beispiel:
dɛr gʊ͡ədɛ ɔltɛ ˈmɔn ɪs mi''m ˈfɛrd dʊrç 's ˈa͡is brɔxn ʊnd ɪn 's kaltɛ ˈvasər ˌgfaln | Freck |
2.2.1. Parameter (3): Kontakt zwischen siebenbürgisch-sächsischen Varietäten und überdachende deutsche Varietäten
Offensichtlich sind in den Wenkerbögen Interferenzen oder feste Entlehnungen aus den deutschen Dachvarietäten; hier konkurrieren die deutsche Standardvarietät und ein vielleicht eher mündlich vermitteltes österreichisches Regionaldeutsch, wie sich wiederum an den Heteronymen für PFERD (WS 4) sehr schön zeigen lässt. Die Karte zeigt die vier belegten Heteronyme und ihre Arealdistribution:
Pferd (17 Belege) - Hengst (10 Belege) - Ross (83 Belege) - Gurre (18 Belege)
Es dominiert sehr stark der bairische Typ Ross, dessen Verbreitung jedoch sicherlich nicht auf die Landlerdialekte, sondern vielmehr auf die österreichische Vehikularsprache zurückzuführen ist. Ein mögliches Entlehnungsszenario ergibt sich mit der starken Präsenz des österreichischen Militärs.
Für die Beurteilung des Typs Pferd ist es notwendig, einen Blick auf die phonetischen Varianten zu werfen:
WS 4: "Der gute alte Mann ist mit dem Pferd durchs Eis gebrochen und in das kalte Wasser gefallen." | ||
diː ˈɔːlt ge͡at ˈmə͡uːn aes mæt 'm ˈfɑːrt 'ʊrç æn 't ˈa͡is ˈænəgəbroːxən ənd æs æn dɔːt ˈkɔːlt ˈvɔsər gəˌfɔlən | Arkeden | 52 |
dər ˈgi͡at ˈe͡old ˈmɨ͡uːn as mat də ˈfɑːrdn ˈdʊrç dət ˈa͡is an 't ˈke͡olt ˈvɔsər gəˌfɔlən | Felmern | 48 |
dɛr gʊ͡ədɛ ɔltɛ ˈmɔn ɪs mi''m ˈfɛrd dʊrç 's ˈa͡is brɔxn ʊnd ɪn 's kaltɛ ˈvasər ˌgfaln | Freck | |
dər ˈge͡aot oːlt ˈmoːn æs mæt 'm ˈfɔːrt dɪrç 't ˈeːs gəbroːxən ʊnd æn 't ˈvasər gəˌfaln | Heltau | |
di ˈge͡aot ˈɔːlt ˈmuːn æs mæt 'əm ˈfɑːrt æn dən ˈɛ͡is ˈægəbroːxən ʊnt æn 't ˈkɔːlt ˈvasər gəˌfɔlən | Michelsberg | 66 |
di ˈge͡aot ˈɔːlt ˈmuːn æs mæt 'əm ˈfɑːrt æn dən ˈɛ͡is ˈægəbroːxən ʊnd æn 't ˈkɔːlt ˈvɔsər gəˌfɔlən | Michelsberg | 66 |
dər ˈgɑː͡ot ˈoː͡əlt ˈmɔː æs mæt 'əm ˈfɔːrd dʊrç 't ˈɔ͡is gəˌbre͡oxən ʊnd æn dət ˈkoː͡əlt ˈvɔsər gəˌfɔln | Oberneudorf | 51 |
diər ˈgɑːt ˈɔː͡əlt ˈmɔnt͡səm æs mæt 'əm ˈfɑːrd æn dətˈ a͡is mæt 'əm ˈfɑːrd æn dət ˈa͡is ˈænəgəbrəoːxŋ ʊnd æn dət ˈkɔː͡əlt ˈvɔsər gəˌfɔln | Pintak | 58 |
diər ˈgɑːt ˈɔː͡əlt ˈmɔnt͡səm æs mæt 'əm ˈfɑːrd æn dətˈ a͡is mæt 'əm ˈfɑːrd æn dət ˈa͡is ˈænəgəbrəoːxŋ ʊnd æn dət ˈkɔː͡əlt ˈvɔsər gəˌfɔln | Pintak | 58 |
dər ˈgi͡ɔːt ˈɔːlt ˈmuːn æs mæt dəm ˈfeːrt dʊrç 't ˈvɔsər gəˈbroː dər ˈgi͡ɔːt ˈɔːlt ˈmuːn æs mæt dəm ˈroːs dʊrç 't ˈa͡es gəˌbroːxən ənd æn dɔːt ˈkɔːlt ˌvasər gəˌfalən | Reußen | 25 |
dər ˈgɛt ˈɔːlt ˈmɔːn æs mæt 'ən ˈfɔːrdn æn 't ˈiːs ˈægəbroːxən ʊnd æn dət ˈkoːlt ˈvɔsər gəˌfalən | Rosenau | 53 |
dər ˈgɑːt ɔːlt ˈmɔnt͡səm æs mæt 'əm ˈfɑːrt mæt 'əm ˌa͡is ˈængəbrə͡oxʊ ɔnd æn 't ˈkɔːlt ˈvɔsər gəˌfɔ͡əln | Senndorf | 57 |
di ˈgi͡oat ɔːlt ˈmuːn æs mæt 'əm ˈfɑːrd æn dət ˈa͡is ˈægəbrə͡oxən ənd æs æn dɔːt ˈkɔːlt ˈvɔsər gəˌfɔln | Trappold | |
di ˈge͡at ɔːlt ˈmʊŋ as mat 'əm ˈfɑːrt dʊrç dət ˈɛ͡is gəˌbroːxən ʊx an dɔːt ˈkɔːlt ˈvɔsər gəˌfɔlən | Urwegen | 25 |
dər ˈge͡at ɔːlt ˈmə͡oːn͡j as mat 'əm ˈfɑːrd tʊrç dət ˈɛ͡is gəbrə͡oxən ənd an dət ˈkə͡oːlt ˈvə͡oːsər gəˌfɔlən | Wolkendorf bei Kronstadt | 65 |
dɨ ˈgi͡at ˈe͡olt ˈmɔːn as mat 'əm ˈfɑː͡ert dʊrç dʊrç dət ˈa͡is gəˌbrə͡oxən ənd as an dət ˈke͡olt ˈve͡osər gəˌfɔlən | Zeiden | 58 |
Da sich keine einzige Variante mit anlautendem [p-] findet, darf man Herkunft aus dem westmitteldeutschen ausschließen und Vermittlung aus dem gesprochenen, nicht österreichschen Hochdeutschen annehmen. Die phonetischen Varianten des Typs Hengst sind dagegen basilektal:
dər ˈge͡at ɔːlt ˈmə͡uːn æs mæt 'əm ˈhu͡ist dʊrç dət ˈa͡is ægəbrə͡oxən ʊx æn dɔːt ˈkɔːlt ˈvɔsər gəˌfɔln | Alzen | |
dər ˈge͡aot ˈoːld ˈmə͡on æs mæt 'əm ˈhoːast tʊrç dət ˈa͡is gəˌbroːxən ʊnd ˌæs æn 't ˈkoːld ˈvɔsər gəˌfɔlən | Braller | 63 |
di ˈge͡aot ˈə͡old ˈmə͡uːn æs mæt 'əm ˈhu͡ist dʊrç dən ˈa͡is gəbræ͡oxən ən ˈæs æn dɔt ˈkə͡olt ˈvɔsər gəˈfɔlən | Burgberg | 42 |
dər ˈge͡at ɔːlt ˈmuːn æs mæt 'əm ˈhu͡ist æn 't ˈɛ͡is gəbroːxən ənd ˈæs æn 't kɔːlt ˌvasər gəˌfaln ə | Girelsau | 42 |
dər ˈge͡aot ˈoːlt ˈmoːn æs mæt dəm ˈhoː͡ist æn 't ˈeːs ˈægəbroːxən ʊnd æn dət ˈkoːlt ˈvasər gəˌfalən | Heltau | 60 |
dər ˈge͡at ˈo͡uld ˈmuːn ɛs mɛt 'əm ˈhu͡ist dʊrç dət ˈa͡is ˈægəbri͡oxən ən æs æn 't ˈkɔːlt ˈvɔsər gəˌfɔlən | Neudorf bei Hermannstadt | 50 |
dər ˈge͡at ˈɔːld ˈmɔːn æs mæt 'em ˈhu͡ist dʊrç dn ˈa͡is gəbrə͡oxən ən æs æn 't ˈkɔːlt ˈvasər gəˌfalən | Rothberg | 21 |
di ˈgi͡at ˈɔːld ˈmuː͡ən æs mæt 'əm ˈhu͡ist æn 't ˈɛ͡is ˈægərampəlt ʊnd æn dət ˈkɔːlt ˈvasər gəˌfalən | Schellenberg | 33 |
dər ˈga͡ot ˈoːlt ˈmoːn as mat dem ˈho͡est ˈdʊrçgəbroːxən am ˈɛ͡is ʊx an dot ˈkoːlt ˈvɔsər gəˌfɔlən | Talmesch | |
də ˈge͡at ˈoːld dər ˈge͡at oːld ˈmuː͡ən æs mæt dən ˈhu͡istən dʊrç dən ˈɨ͡is gə ˈægəbroːxən ʊnd æn dət ˈkoːlt ˈvasər gəˌfalən | Thalheim | 68 |
Darauf ergibt sich der Schluss, dass die beiden basilektalen Typen Gorre und Hengst durch die beiden verkehrssprachlich vermittelten Typen Ross und Pferd überlagert und weitgehend verdrängt wurde.
Auch allerdings finden sich auch wenig transparente Merkmaldistributionen. Für KORN in WS 40 gibt es nur zwei Heteronyme, eben den Typ Korn und ausschließlich in den bairischen Mundarten den Typ Frucht, wie die folgende Abbildung zeigt:
Diese Verteilung ist weder im Hinblick auf den dialektalen Input noch auf die Hochsprache klar, da im Westmitteldeutschen sowie im Südwestdeutschland der Typ Frucht gilt, der im Siebenbürgisch-Sächsischen vollkommen fehlt, im Herkunftsgebiet der Landler jedoch der Typ Getreide (vgl. die Karte in König 1994, 202).
2.2.2. Parameter (4): Kontakt zwischen 'siebenbürgisch-sächsischen Varietäten und Ungarisch bzw. Rumänisch
Beide Sprachen erscheinen nach gut 700 Jahren (!) Nachbarschaft nur ganz beiläufig in den Wenkerbögen. Das Ungarische in Gestalt der Variante Palukeslöffel 'Kochlöffel' (WS 11, 4 Belege), deren erste Konstituente, Palukes 'Maisbrei', auf das gleichbedeutende ungar. puliszka 'Maisbrei' zurückgeht (rum. heißt diese, der Polenta entsprechende und in Siebenbürgen weitverbreitete Speise mămăligă).
Die einzige rumänische Entlehnung in den Originalwenkersätzen könnte die, nur im Landlerischen von Großau belegte Variante [ˈbæːt͡ʃɪlən] 'Lämmer' in (WS 37) sein.
WS 37: "Die Bauern hatten fünf Ochsen und neun Kühe und zwölf Lämmer vor die Gemeinde getrieben die wollten sie verkaufen." | ||
tiː ˈpa͡orn hɔm fɪmf ˈɔksn ʊn na͡i ˈkiː͡ə ʊnd t͡svɛləf ˈbæːt͡ʃɪlən foːə 's ˈdɔrf ˈbrɔxt ʊnd ˈvə͡oln si fəˈka͡ofn | Großau | 42 |
Er lässt sich einigermaßen problemlos, unter Annahme einer Metathese, aus rum. báscă 'Vlies', Pl. băști herleiten. In Gestalt der Schaftzucht und Milchverarbeitung erscheint damit allerdings ein onomasiologisches Feld, in dem sich (jenseits der Wenkersätze) etliche rumänische Bezeichnungen finden (vgl. Krefeld 2015a). Ganz charakteristisch ist die Bezeichnung des PFERCHS (in WSsbb 41): Hier konkurrieren gleich drei sehr gut belegte rumänische Heteronyme: Okol, Zarch und Strunga.
Hier tritt die traditionelle Bedeutung der (transhumanten) Schafzucht für die siebenbürgischen Rumänen und ihr Gegensatz zur (ortsfesten) bäuerlich-bürgerlichen Verfasstheit der Sachsen ganz deutlich hervor.
Ein möglicher Rumänismus ist auch der Gebrauch der Obstbezeichnung von OBST (in WS 26: Apfel) für den OSTBAUM (in WS 26: Apfelbaum):
Denn im Rumänischen hat sich der lateinischen Typ erhalten, der die beiden Bezeichnungen lediglich durch das Genus unterscheidet, das in diesem Fall zudem nur im Plural markiert ist:
- rum. Subst. Neutrum măr 'Apfel', Pl. mere (< lat. mālum 'Apfel');
- rum. Subst. Maskulinum măr 'Apfelbaum', Pl. meri (lat. mālus 'Apfelbaum').
Schließlich ist noch der in Mittelosteuropa und im österreichischen Deutsch etablierte Typ Kolatschen zu nennen, der in WS 6 als Bezeichnung von KUCHEN erscheint. Es ist schwer zu entscheiden, ob österreichisch-deutsch Kolatsche (< tschech. koláč), ungar. kalács oder rum. colac, Pl. colaci zugrundeliegt; nachdem der einzige Beleg aus Freck stammt, liegt österreichisch-deutsche Vermittlung am nächsten.