Teil 2: Archäologie
1. Beispiel 1: Die eisenzeitliche Besiedlung Bayerns
Die Kartierung der bisherigen in der Datenbank erfassten Daten zeigt deutlich die ungleiche Verteilung der Fundplätze innerhalb Bayerns.
Die meisten eisenzeitlichen Fundstellen konzentrieren sich entlang der Flüsse Donau, Isar und Amper sowie in den modernen Ballungszentren. In den südlichen Landkreisen, die teilweise oder ganz in den Alpen oder im Alpenvorland liegen, dünnt die Fundstellendichte deutlich aus.
Dies ist wenig überraschend, denn die Flusstäler sind seit dem Neolithikum dicht besiedelt. Außerdem müssen wir mit verschiedenen Quellenfiltern rechnen: in modernen Ballungsgebieten werden aufgrund von Rettungsgrabungen heute die meisten archäologischen Fundstellen entdeckt.
In den südlichen Landkreisen, die besonders durch hügelige Wiesenlandschaften und Waldgebiete geprägt sind, wird hingegen weniger gebaut und vor allem Grünlandwirtschaft betrieben, so dass hier seltener archäologische Fundstellen zum Vorschein kommen. Außerdem fehlen dort auch die gut im Gelände, auf Luftbildern oder auf LiDAR-Scans identifizierbaren Viereckschanzen, da offenbar andere Siedlungstraditionen vorherrschten. Dennoch lässt sich nicht ausschließen, dass die Bevölkerungsdichte im unmittelbaren Alpenvorland geringer war als in anderen Gegenden.
Die Datenabfrage der bislang überarbeiteten Daten in den Landkreisen des südlichen Oberbayerns (Altötting, Bad Tölz-Wolfratshausen, Berchtesgadener Land, Dachau, Ebersberg, Erding, Freising, Fürstenfeldbruck, Garmisch-Partenkirchen, Miesbach, Traunstein; n=678) zeigt außerdem, dass die Zahl der latènezeitlichen Fundplätze deutlich über der der latènezeitlichen Fundplätze liegt.
Für die Hallstatt- und Frühlatènezeit sind vor allem Grabfunde, in der Spätlatènezeit vor allem Siedlungsstellen bekannt.
Insbesondere ab Latène C nimmt die Zahl der Fundplätze ganz erheblich zu, um dann in Lt D1 ihren Höhepunkt zu erreichen. Wieder häufen sich die Fundstellen in bestimmten Regionen.
Eventuell kann diese Fundplatzzunahme und die Fundplatzkonzentrationen in bestimmten Gegenden mit einem Bevölkerungswachstum in Verbindung gebracht werden, das auch zur Entstehung von Großsiedlungen führte.
Bei genauerer Betrachtung der Daten werden allerdings auch die Schwachstellen unserer Datenbank deutlich - das wollen wir hier nicht verschweigen. Viele Fundplätze sind nur aufgrund von Lesefunden bekannt, so dass eine Funktionsbestimmung des Fundplatzes und eine genaue Datierung oft nur schwer möglich sind. Außerdem scheint es aus drei Gründen eine Verzerrung der Daten, die zum großen Teil aus dem FIS stammen, zugunsten der Spätlatènezeit zu geben:
- Erstens ist die typische Keramik der Spätlatènezeit - Kammstrich- und Graphittonware - selbst von Archäologen, die keine Eisenzeitspezialisten sind, leicht zu erkennen. Hallstattzeitliche Keramik lässt sich hingegen lassen sich häufig kaum von Keramik der Spätbronzezeit unterscheiden. So kommt es, dass besonders viele spätlatènezeitliche Fundstellen im FIS tatsächlich als spätlatènezeitlich erfasst werden, andere hingegen nur allgemein als "vorgeschichtlich" oder "metallzeitlich".
- Zweitens enthalten bekanntermaßen Fundstellen der jüngeren Abschnitte der Eisenzeit im Durchschnitt mehr Metallfunde als solche der älteren Abschnitte, so dass die jüngeren häufiger von Sondengängern entdeckt werden und Eingang ins Fundstellenregister finden.
- Drittens lassen sich Fundstellen mit Wall-Graben-Systemen wie beispielsweise die Viereckschanzen auch über Luftbilder und LiDAR-Scans leicht identifizieren bzw. diese sind teilweise sogar noch im Gelände erhalten. Somit lassen sich deutlich einfacher aufspüren als ältere Fundstellen ohne Einfriedungssysteme, die oft nur bei großflächigen Rettungsgrabungen zufällig entdeckt werden.
Aus diesen Gründen ist anzunehmen, dass das für die Spätlatènezeit vermutete Bevölkerungswachstum geringer ausgefallen sein muss als der erste Blick auf die Daten glauben lässt. Belegen lässt sich dies aber nur, indem man sich kleinräumig intensiver mit den Fundstellen beschäftigt, als es uns in unserem Projekt möglich war, und auch Fundmaterial einsieht.
Ein ähnliches Bild zeigt auch der exemplarische Blick auf den Landkreis Freising, der im Norden durch das tertiäre Hügelland, im Süden durch die Ausläufer der Münchner Schotterebene sowie die Tallandschaften von Isar, Glonn und Amper geprägt ist. Im Norden finden sich während der gesamten Eisenzeit nur wenige Fundplätze. Entlang der Flusstäler sind jedoch zahlreiche Fundplätze zu verzeichnen, was nicht zuletzt der langjährigen Erforschung des Landkreises durch die Ehrenamtlichen des Archäologischen Vereins Freising zu verdanken ist.
In der Hallstattzeit finden sich zahlreiche Siedlungen und Bestattungsplätze relativ gleichmäßig entlang der Flüsse verteilt. Die Konzentration in den Gemeinden Freising, Eching und Neufahrn sowie Erding jenseits der Landkreisgrenze ist durch die intensiven Grabungen im Zuge der Erschließung von Neubau- und Gewerbegebieten zu erklären.
In der Latènezeit ändert sich an der geographischen Verteilung der Fundstellen nur wenig, allerdings ist ein enormer Zuwachs an Fundstellen insbesondere in der Spätlatènezeit zu verzeichnen. Leider lassen sich keine Aussagen über den genauen Zeitpunkt dieser Veränderung in der Besiedlung des Landkreises treffen, da die meisten Fundstellen nur grob in die Hallstattzeit oder Latènezeit datiert werden können und ohne weitere Auswertung publiziert wurden. Präzise in die Stufen Lt A und LT B datierte Fundstellen sind am seltensten vertreten.
Vor allem Herrenhöfe, Viereckschanzen sowie unbefestigte Einzelgehöfte, Dörfer und Weiler prägten in der gesamten Eisenzeit die Siedlungslandschaft in der Region.
2. Beispiel 2: Die Viereckschanzen Bayerns
3. Ausblick
In Zukunft sollen die Daten auch für andere Anwender verfügbar gemacht werden. So ist erstens die Rückübertragung der angereicherten Datensätze an das Bayerische Landesamt vorgesehen. Zweitens besteht eine Kooperation mit der Ecole Normale Supérieure in Paris, die mit der BaseFer und dem Atlas de l'âge du Fer zwei Datenbanken zur Eisenzeit in Europa betreibt.
Drittens existieren auch Kooperationen mit anderen Instituten der LMU, um die Daten auszuwerten. Im Umfeld von EisenzeitDigital wurde zum Beispiel das öffentlich zugängliche Datenmaterial zu prähistorischen Fundstätten in Bayern, das Peer Fender zusammen mit seiner im Jahr 2017 erschienenen Dissertation vorgelegt hat, von Teilnehmern der Vorlesung "Informationsvisualisierung" des Instituts für Medieninformatik im Wintersemester 2018/19 als Übungsdaten für Visualisierungslösungen unter Verwendung von Webtechnologie verwendet. Dabei sind insgesamt drei verschiedene Anwendungen entstanden, die über folgende Links aufgerufen werden können. Es handelt sich um studentische Arbeiten, die keinen Anspruch auf Fehlerfreiheit erheben können - weder hinsichtlich Funktionalität noch inhaltlich. Bei der Interpretation ist entsprechende Vorsicht geboten, EisenzeitDigital kann keine Garantie übernehmen. Es geht hier nur darum, eine Vorstellung von den Möglichkeiten zu geben, die durch die Verbindung des relational strukturierten Datenmaterials und Webtechnologie gegeben sind.
Lösung 1: https://www.dh-lehre.gwi.uni-muenchen.de/eisenzeit_iv/Augustin/ (nach dem Anklicken des Links zum Start der Visualisierung auf die Zeitleiste am unteren Rand der Webseite klicken)
Lösung 2: https://www.dh-lehre.gwi.uni-muenchen.de/eisenzeit_iv/Sarakiotis/
Lösung 3: https://www.dh-lehre.gwi.uni-muenchen.de/eisenzeit_iv/delgado/
Aktuell wertet viertens eine Gruppe von Studierenden der Statistik im Rahmen eines statistischen Praktikums die Daten von Fender aus.
Fünftens findet EisenzeitDigital ab dem Wintersemester 2019/2020 eine ebenfalls durch Lehre@LMU geförderte Fortsetzung unter dem Titel Statistik@EisenzeitDigital in Kooperation mit dem Institut für Statistik statt. In diesem neuen E-Learning-Projekt sollen die StudierendenGrundkenntnisse in Statistik erwerben, diese anhand der umfangreichen Datensammlung zur Eisenzeit in Bayern anwenden und die Ergebnisse wiederum in einem GIS darstellen. Es soll weiterhin mit den bereits bewährten Programmen MySQL und QGIS gearbeitet werden, die eine Reihe von statistischen Analysetools bieten. Außerdem kommen ergänzend das freie Statistikprogramm R und das Geographic Resources Analysis Support System GRASS zum Einsatz. Schwerpunkte der Lehrveranstaltungen sollen vor allem die räumliche Statistik und die graphische Darstellung in QGIS bilden, zum Beispiel die Analyse von Vektor- und Rasterdaten mit Hilfe der Plugins „Statist“, „RasterStats“ und „Zonal Statistics“ (z. B. Ähnlichkeits- und Distanzmatrizen, Spatial Clustering).
Fazit: EisenzeitDigital befindet sich über die IT-Gruppe Geisteswissenschaften der LMU in einem Verbund aus Digital Humanists, Informatikern und Statistikern, der sich mehr und mehr auch insitutionalisiert. Nur durch diesen engen Zusammenschluss und den intensiven persönlichen Austausch können Initiativen wie die soeben vorgestellte zum wechselseitigen Nutzen aller Beteiligten überhaupt entstehen.