Romanischsprachige Einträge in Stammbücher vom 16. bis 18. Jh. in der Sammlung der Anna Amalia Bibliothek in Weimar

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Zitation: Stephan Lücke & Rembert Eufe (2024): Romanischsprachige Einträge in Stammbücher vom 16. bis 18. Jh. in der Sammlung der Anna Amalia Bibliothek in Weimar. Version 10 (07.10.2024, 14:25). Lehre in den Digital Humanities. , url: https://www.dh-lehre.gwi.uni-muenchen.de/?p=257275&v=10

Schlagwörter: album amicorum

1. Vorbemerkungen

Datengrundlage der im Folgenden präsentierten Karten und Tabellen ist die digitalisierte Stammbüchersammlung der Herzogin Anna Amalia Bibliothek in Weimar mit Stand vom Sommer 2023.1 Abweichungen davon ergeben sich insofern, als im Zuge der Arbeit mit den Stammbucheintragungen kleinere Irrtümer, wie sie bei der zügigen Erfassung eines so großen Bestandes nicht ausbleiben können (bislang ging es zumeist um fehlerhafte Sprachzuweisungen), korrigiert wurden. Änderungen im Datenbestand wirken sich unmittelbar auf die hier präsentierten Zahlenwerte und Kartierungen aus.

Die Digitalisate der einzelnen Stammbücher bzw. Stammbucheintragungen sind auf der Seite https://haab-digital.klassik-stiftung.de/viewer/Stammbuchsammlung/ zugänglich. Die Metadaten der Digitalisate können über die Goobi-Schnittstelle abgerufen werden (https://docs.goobi.io/workflow-plugins/v/eng/export/goobi-plugin-export-weimar-haab). Die von dort abgerufenen Daten wurden in eine MySQL-Datenbank importiert, die das Backend für die hier vorgelegten Karten und Tabellen bildet.

Anlass für den vorliegenden Beitrag sind drei Aufsätze,2 die jeweils  im herkömmlichen Buchdruckverfahren publiziert werden sollten. Parallel zum Schreib- und Redaktionsprozess der Aufsätze schritt kontinuierlich die Arbeit an und mit dem zugrundeliegenden Datenmaterial fort. Durch die bereits erwähnten kleineren Korrekturen änderten sich in der Folge auch die Zahlenwerte und die auf ihnen basierenden Kartierungen, die in den Druckfassungen der beiden erwähnten Aufsätze verwendet wurden. Der Wunsch, die entsprechenden Zahlen möglichst lange auf dem jeweils aktuellsten Stand zu halten, und die damit verbundene Notwendigkeit, die Zahlen dafür stets neu berechnen zu müssen, führte zur Schaffung des vorliegenden online-Beitrags, dem die jeweils aktuellen Zahlen bequem zu entnehmen sind. Für die Interpretation der hier präsentierten Daten und Karten sei auch grundsätzlich auf die genannten Aufsätze verwiesen. Es ist geplant, den vorliegenden Beitrag fortzuschreiben und darin weitere Datenanalysen und geeignete Visualisierungen zu präsentieren. 

2. Romanischsprachige Stammbucheinträge: Eintragungen in französischer, italienischer und spanischer Sprache

Als einzige der romanischen Sprachen sind in den Stammbucheintragungen der Weimarer Sammlung Französisch, Italienisch und Spanisch vertreten. Dagegen konnten z. B. Rumänisch und Portugiesisch darin bisher nicht nachgewiesen werden.

Die geographische Verteilung der Eintragungsorte konzentriert sich grosso modo auf Mittel- und Westeuropa sowie Italien. Die geographisch auffällig isolierten Orte auf dem Balkan und im Nahen und Mittleren Osten gehen, mit einer Ausnahme (Konstantinopel), auf einen einzigen Stammbuchhalter zurück: Hans Christoph Teufel von Guntersdorf. Am 20.10.1587 hielt er sich in Hadrianopolis auf (PPN 898966078), kehrte von dort noch einmal in das westliche Europa zurück, wovon ein Stammbucheintrag aus Brescia vom 06.07.1588 zeugt. Am 2.9.1589 ist er dann auf eine ausgedehnte Reise aufgebrochen, die ihn bis in den Mittleren Osten und dort auf die Insel Hormus führte und von der er im März 1591 zurückkehrte. Während dieser Reise sind die Stammbucheintragungen aus Aleppo, Hormus, Damaskus und Tripoli entstanden.3

2.1. Kartierung

Kartierung der geographischen Verteilung von Stammbucheinträgen in Französisch, Italienisch und Spanisch vom 16. bis zum 18. Jh. - Rot: Französisch; Gelb: Italienisch; Blau: Spanisch (vgl. Eufe/Lücke/Schulz im Druck). Die kartierten Zahlenwerte stimmen mit denen der nachfolgenden Tabelle überein.

 Übersicht über die Orte, für die in der Weimarer Stammbuchsammlung Einträge in Französisch, Italienisch oder Spanisch vorliegen, aufgeschlüsselt nach Jahrhunderten und alphabetisch geordnet nach den Abkürzungen der Ortsnamen. Sämtliche Tabellen in diesem Beitrag können mit der entsprechenden Funktion eines Browsers durchsucht werden. Die Tabellen sind in "frames" eingebunden, die oftmals nur einen Ausschnitt der Gesamttabelle zeigen. Mit einer Scrollbar am rechten Rand der Tabellen, die von manchen Browsern bisweilen ausgeblendet wird, lassen sich diese durchlaufen.

Anzahl der Einträge in einer romanischen Sprache, aufgeschlüsselt nach Jahrhunderten

Verteilung der Häufigkeit von romanischen Sprachen in den Stammbucheinträgen der Weimarer Sammlung vom 16. bis zum 18. Jh. (Visualisierung der Tabelle 2; Stand 2.10.2024 - das Diagramm wird nicht automatisch aktualisiert)

Häufigkeit der in den Stammbucheinträgen verwendeten Sprachen, absteigend sortiert nach der Anzahl der jeweiligen Einträge (vgl. Eufe/Lücke im Druck, Tabelle 1 auf 220)

Eintragungen in italienischer Sprache

Die meisten der im Folgenden präsentierten Tabellen und Karten korrespondieren mit Eufe/Lücke im Druck

Kartierung der geographischen Verteilung von Stammbucheinträgen in Italienisch vom 16. bis zum 18. Jh., gruppiert nach Jahrhunderten - Blau: 16. Jh.; Rot: 17. Jh.; Gelb: 18. Jh.; (vgl. Eufe/Lücke im Druck). Die kartierten Zahlenwerte stimmen mit denen der nachfolgenden Tabelle überein.

Absolute Anzahl der italienischsprachigen Einträge pro Eintragungsort, absteigend geordnet nach der Anzahl (vgl. (Eufe/Lücke im Druck, Tabelle 2 auf 226f.)

Prozentualer Anteil von italienischsprachigen Eintragungen bei Orten mit mindestens zehn Einträgen in italienischer Sprache, absteigend geordnet nach dem prozentualen Anteil (vgl. Eufe/Lücke im Druck, Tabelle 3 auf 228):

Verteilung der sechs häugsten Stammbuchsprachen in den beiden beliebten Studienorten Padua (PD) und Siena (SI) im Gegensatz zu Verona (VR) und Venedig (VE) (vgl. Eufe/Lücke im Druck, Tabelle 4 auf 229)

Stammbücher der Weimarer Sammlung, geordnet nach der Anzahl an Einträgen mit Italienisch (vgl. Eufe/Lücke im Druck, Tabelle 5 auf 230):

Bibliographie

  • Eufe im Druck = Eufe, Rembert (im Druck): Stammbucheinträge als Indikatoren für Fremdsprachenbegeisterung: Das Vorkommen romanischer Sprachen in der Stammbuchsammlung der Herzogin-Anna-Amalia-Bibliothek in Weimar, in: Balbiani, Laura / Rohmer, Ernst (Hrsgg.): Morgen-Glantz. Zeitschrift der Christian-Knorr-von-Rosenroth-Gesellschaft.
  • Eufe/Lücke im Druck = Eufe, Rembert / Lücke, Stephan (im Druck): Italienisch in deutschen Stammbüchern der Frühen Neuzeit, in: Ludwig Fesenmeier/Sarah Dessì-Schmid/Tania Paciaroni (Hrsgg.), Bewegungen/Movimenti. Akten des XII. Deutschen Italianistentags, München, 10.-12.3.2022, Darmstadt, wbg Academic, 215-246.
  • Eufe/Lücke/Schulz im Druck = Eufe, Rembert / Lücke, Stephan / Schulz, Julian (im Druck): Die Verwendung romanischer Sprachen in den Stammbüchern der Weimarer Sammlung, in: Ferber, Magnus Ulrich / Haas, Philip / Limbeck, Sven (Hrsgg.): Über Stammbücher schreiben. Stand und Perspektiven der Erschließung und Erforschung von Freundschaftsbüchern (16.–19. Jahrhundert) (Veröffentlichungen des Niedersächsischen Landesarchivs), Göttingen, Wallstein.
  • Greil 2006 = Greil, Michael (Diplomarbeit 2006): "den ohne grosse gedult ist nit müglich, durch die Turggey zu kommen" : die Beschreibung der rayß (1587-1591) des Freiherrn Hans Christoph von Teufel ; Analyse und textkritische Edition, Wien.
  • Prokosch 2019 = Prokosch, Michael (2019): Wenn Zwei eine Reise tun. Die Kavalierstouren Hans Christoph Teufels und Georg Christoph Fernbergers, in: Krah, Adelheid (Hrsg.), Quellen, Nachbarschaft, Gemeinschaft. Auf dem Weg zu einer gemeinsamen Kulturgeschichte Zentraleuropas, Wien / Köln / Weimar, Böhlau, 245–273.
Die folgende Tabelle zeigt die Eintragungen im Stammbuch von Hans Christoph Teufel von Guntersdorf, geordnet nach dem Zeitpunkt der Eintragung (zur Reise Teufel von Guntersdorfs allgemein s. Prokosch 2019; die Einträge in Teufel von Guntersdorfs Stammbuch zwischen dem 2.9.1588 [Aufbruch in Konstantinopel] und dem 13.3.1591 [Eintreffen in Venedig] können abgeglichen werden mit dem von ihm verfassten Reisebericht, ediert von Greil 2006 [non vidi]). Der auf den ersten Blick unglaubwürdig schnelle Ortswechsel zwischen Padua (6.7.1588) und Nicäa (İznik) (12.7.1588) erklärt sich am einfachsten durch die Annahme, dass man sich in Padua am wenige Jahre zuvor (1582) eingeführten gregorianischen Kalender orientierte, in Nicäa (İznik) aber noch der iulianische Kalender galt (zu Reflexen der Kalenderreform in Stammbüchern aus jener Zeit s. Prokosch 2019, 260 A. 69). In diesem Fall wäre der 12.7.1588 (iul.) in den 22.7.1588 (greg.) zu korrigieren. Damit ergäbe sich ein Zeitfenster von 16 Tagen für die Reise von Padua/Venedig nach Nicäa (İznik), was als durchaus möglich erscheint. Die Distanz der Schiffsreise von Venedig bis Konstantinopel/Istanbul durch die Adria, um Kap Matapan herum, durch die Ägäis und schließlich die Dardanellen beträgt rund 1250 Seemeilen (berechnet mit https://map.openseamap.org/ [7.10.2024]). Bei einer realistisch erscheinenden Durchschnittsgeschwindigkeit von etwa fünf Seemeilen pro Stunde (die im 16. Jh. entwickelte Galeone konnte bis zu acht Seemeilen pro Stunde erreichen), ergäbe sich eine Reisedauer von knapp elf Tagen. Das bedeutet, dass Teufel von Guntersdorf durchaus am 17.7.1588 (greg.) in Konstantinopel/Istanbul angekommen sein könnte. Von dort bis İznik sind es dann noch etwas über 100 km, was auch damals in zwei Tagen zu schaffen gewesen sein dürfte (zumal bei Nutzung einer Schiffspassage von Konstantinopel/Istanbul bis zur Küste nördlich von İznik). Es kann überdies sein, dass Teufel von Guntersdorf nicht nach Konstantinopel/Istanbul gefahren ist, sondern das Schiff irgendwo an der kleinasiatischen Küste in der Nähe von İznik verlassen hat.

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